Porsche feuert rassistischen Lehrling zu Recht
An einem heißen Sommertag beschließt eine Freiwillige Feuerwehr in Oberösterreich, syrische Flüchtlingskinder in Ermangelung eines Schwimmbades mit einer Wasserdusche aus dem Feuerwehrschlauch abzukühlen. Die Aktion sorgt nicht nur bei den Kids für sichtbare Begeisterung - die praktische Mitmenschlichkeit der Feuerwehrleute erfreut auch zahlreiche User auf Facebook und in anderen sozialen Medien. Nicht so jedoch den 17-jährigen Porsche-Lehrling Jürgen H. Er kommentiert: "Flammenwerfer währe da die bessere Lösung." (Rechtschreibung im Original – Anm.d. Verf.).
Kritik an der Reaktion von Porsche
Porsche beendete daraufhin das Lehrlingsverhältnis. Das wiederum ruft nun Kritiker auf den Plan: Bei "Focus Online" glaubt Constantin von Harsdorf, Porsches Konsequenz sei die falsche, der Lehrling verdiene eine zweite Chance. Der Social Media Berater und Blogger Patrick Breitenbach meint auf seinem Facebook-Profil, "Auge um Auge, Ausgrenzung um Ausgrenzung scheint mir nicht das ideale Rezept für die Zukunft einer freien und offenen Gesellschaft zu sein." Simon Hurtz pflichtet ihm in der "Süddeutschen Zeitung" bei: "Dass harte Strafen abschrecken, war schon immer ein Mythos ... Straffällige Jugendliche brauchen Unterstützung und Betreuung, keine soziale Isolation." Und Daniel Bröckerhoff, Moderator der ZDF Nachrichtensendung "Heute+" (und ein ehemaliger Kollege von mir, den ich persönlich kenne und schätze) vergleicht rechten und linken Diskurs und meint, beide würden ähnlich ausgrenzend agieren. Anderer Meinung ist lediglich Mario Sixtus, der gegenüber Breitenbach von einer "absurden Opfer-Täter-Umkehr" spricht.
Ein Signal an alle anderen
Meiner Meinung nach wird hier vor allem der falsche Fokus gewählt: Natürlich soll und wird der Jugendliche eine "zweite Chance" bekommen - wenn auch vielleicht nicht mehr bei Porsche. Aber es kann nicht ernsthaft in erster Linie darum gehen, ob der Verlust der Lehrstelle pädagogisch sinnvoll ist. Sondern darum, dass die Zivilgesellschaft Konsequenzen aus menschenfeindlichem Verhalten zieht. Das Zeichen nutzt daher nicht "nur Porsche", wie Hurtz meint, sondern ist ein Signal an die zahlreichen anderen Täter als auch an die Flüchtlinge selbst. Dieses Signal ist von großer Bedeutung in einem Diskurs, der momentan eine wahre Flut von Hasstiraden in sozialen Medien erzeugt - und parallel dazu entsprechende Gewalttaten.
Wer hier nur individuelles "Arschlochverhalten" (Breitenbach) sieht, dem man pädagogisch ebenso begegnen müsse, wie anderem Fehlverhalten pubertierender Jugendlicher, der verkennt diesen Zusammenhang leider. Lachende Kinder lieber bestialisch verbrennen zu wollen, spielt nicht im selben Teenager-Zimmer, in dem ein erfolgreicher "Kill" in einem Ego-Shooter auch schon mal mit einem derben Spruch zynisch kommentiert wird. Sondern es handelt sich um einen volksverhetzenden Aufruf zu sehr realer Gewalt, die mittlerweile tagtäglich stattfindet - und von der zum Beispiel Sascha Lobo fordert, man solle sie als das bezeichnen, was sie ist: Terrorismus. Dazwischen lässt sich nicht scharf trennen, sondern: Die einen reden, die anderen handeln - und einige machen beides gleichzeitig.
Wo sind denn all die "Konsequenzen"?
Wie Bröckerhoff und Hurtz daher darauf kommen, die Ahndung solcher Äußerungen sei allgegenwärtig und habe noch nie etwas gebracht, erschließt sich mir überhaupt nicht. Ich nehme das exakte Gegenteil wahr: Täglich gießen Zehntausende kübelweise Mist in ihren sozialen Profilen aus, sehr oft ungeniert und mit Klarnamen (wie zuletzt exemplarisch auf dem Facebook-Profil von Till Schweiger zu bewundern). Zu 99,99 Prozent bleibt all das völlig folgenlos. Das Verhalten der sogenannten "Asylkritiker" und "Flüchtlingsgegner", die mit ihren menschenfeindlichen Ansichten in Foren, Facebook-Profilen und Tweets ebenso wenig hinterm Berg halten wie in Vereinen, Fußballstadien und Kneipen, ändert sich durch ausbleibende Konsequenzen erst Recht nicht - ganz im Gegenteil.
"Hate Speech" und "Hate Crimes" haben einen Kontext
Wer Jugendkriminalität mit Hassverbrechen gleichsetzt, ignoriert, was Letztere zu etwas besonderem macht: nämlich ihre politisch-ideologische Aufladung. Den Tätern fehlt es in aller Regel völlig an Unrechtsbewusstsein, ja im Gegenteil: Sie sehen sich im Recht, im Widerstand gegen das System, als Vollstrecker des eigentlichen Volkswillens, als Kämpfer fürs Vaterland usw. Es handelt sich daher nicht um Delinquenz im eigentlichen Sinne, sondern um eine - aus Sicht der Täter - moralisch und gesellschaftlich "richtige" Handlung.
Das ist ein massiver Unterschied im Vergleich zu anderen Drogen-, Eigentums- oder Gewaltdelikten, bei denen die begangenen Straftaten im Regelfall auch im unmittelbaren Umfeld der Täter geächtet sind. Die Heerschar der Hass-Kommentierer bestätigt sich dagegen permanent gegenseitig ihr Weltbild - so lange, bis aus Biedermeiern Brandstifter werden, egal ob sie 17 oder 71 Jahre alt sind. Auch das Umfeld und die Eltern des 17-Jährigen scheinen ihn eher in seinen Ansichten zu bestärken - und der Flammenwerfer-Post war keineswegs der erste "flüchtlingskritische" des Betreffenden.
Politische Radikalisierung hat mit Isolation nichts zu tun
Der These, dass gesellschaftliche Ächtung erst Recht zur Radikalisierung führe, kann ich nicht folgen. Wäre dies der Fall, müsste es vor radikalen Pädophilen und radikalen Tierquälern geradezu wimmeln. Tatsächlich ist deren Anzahl aber recht überschaubar, um nicht zu sagen gleich null. Politische Radikalisierung geschieht eben nicht, weil man auf gesellschaftliche Ablehnung und Isolation stößt, sondern weil man Gleichgesinnte findet, mit denen man die bestehende Ordnung hinwegfegen und durch eine andere ersetzen will. Dabei ist es zunächst einmal völlig egal, ob dieses neue System Nationalsozialismus, Kommunismus oder Gottesstaat heißt. Allen gemeinsam ist die Selbstinszenierung als selbstlose Idealisten im Dienste höherer Werte.
Akzeptierende Jugendarbeit - und ihr Scheitern
Dennoch bleibt das Sprechen über pädagogische Ansätze natürlich wichtig und richtig. Aber dazu sollte man wissen (und thematisieren), dass es mit der "akzeptierenden Jugendarbeit" bereits seit gut 30 Jahren einen Ansatz gibt, der versucht, rechtsradikale Jugendliche dort abzuholen, wo sie sind, um ihr Verhalten nach und nach zu verändern. Dieser kontrovers diskutierte Ansatz hat zu sehr unterschiedlichen Erfolgen geführt. Manchmal gelang es, die Spirale aus Hass, Gewalt und Rechtsextremismus zu durchbrechen.
In vielen Fällen nutzten Jugendliche und junge Erwachsene die ihnen angebotenen Strukturen jedoch auch, um sich Freiräume zu verschaffen, in denen sie ihr rechtsextremes Weltbild verfestigten und Andersdenkende systematisch verdrängten. Als Beispiel mit der traurigsten Berühmtheit mag hier "Winzerclub" in Jena-Winzerla gelten, in dem das NSU-Terror-Trio ein- und ausging. Der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König erinnert sich, wie er vergeblich davor warnte: "Rechtsextremismus - das sind junge Leute, die haben ein soziales Problem, die brauchen ein bisschen persönliche und sozialpädagogische Zuwendung, dann wird das alles gut. Das war richtig offizielle Linie.“
Nur Empathie mit den Opfern hilft gegen Täter
Natürlich wäre es polemisch zu behaupten, akzeptierende Pädagogik ende zwangsläufig bei gefestigten Neonazis, aber umgekehrt wird leider auch kein Schuh draus: Ebenso wenig, wie harte Strafen grundsätzlich wirken oder abschrecken, helfen Unterstützung und soziale Akzeptanz grundsätzlich gegen Radikalisierung und Rechtsextremismus. Dass die Gewalt "nur ein stummer Schrei nach Liebe“ sei, ironisierten schon "Die Ärzte“. Gerade im Bereich Rechtsextremismus und dessen Bekämpfung sind mittlerweile Ansätze konfrontativer Pädagogik ebenso gefragt und erfolgreich. Hier werden Täter beispielsweise in Anti-Gewalt-Trainings dazu gewzungen, sich mit dem Leid ihrer Opfer zu befassen.
Ob der Rausschmiss einen positiven Einfluss auf die Einstellungen und das Verhalten des 17-Jährigen hat, lässt sich keineswegs mit Sicherheit sagen, aber schon gar nicht lässt es sich so kategorisch verneinen, wie die Kritiker behaupten. Zu suggerieren, dessen Leben sei nun zerstört, ist darüber hinaus eine falsche und heillose Übertreibung: Sie ignoriert nicht nur die wahren Opfer, deren Leben durch Flucht und Verfolgung zerstört worden sind, sondern tut auch noch so, als existiere gegenüber rassistischen Sprücheklopfern eine rachsüchtige Unnachgiebigkeit, obwohl momentan leider vielfach exakt das Gegenteil der Fall ist.