Werden Badegewässer-Kontrollen ausgeweitet?
Nach dem Auffinden von multiresistenten Erregern in der Umwelt durch NDR Recherchen prüfen Bund und Länder eine Ausweitung der Kontrollen von Badegewässern. Bislang werden sie nicht speziell auf solche Keime untersucht. Die zuständigen Ministerien in Bund und Ländern überlegen nun, dies zu ändern. Anfang März berät dazu in Düsseldorf eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Das Bundesumweltministerium sowie einige Bundesländer signalisierten bereits, dass sie hier Handlungsbedarf sehen.
Multiresistente Keime bei Stichprobe in Niedersachsen entdeckt
Panorama Reporter hatten exemplarisch an insgesamt zwölf Probenorten in Niedersachen multiresistente Erreger in Bächen, Flüssen und zwei Badeseen gefunden. Nun teilte unter anderem das Land Berlin auf Anfrage von Panorama mit, dass die aktuelle Berichterstattung "selbstverständlich" zum Anlass genommen werde, die bisherige Risikobewertung zu hinterfragen.
Karte: Proben-Orte in Niedersachsen
Bundesumweltministerin würde Änderung begrüßen
Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) hat sich bereits in einem Schreiben an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gewandt und darum gebeten zu prüfen, ob das Untersuchungsprogramm zur Badegewässerqualität bundesweit erweitert werden könne, um auch das Vorkommen von antibiotikaresistenten Keimen in Badegewässern zu erfassen. Hendricks selbst sagte in einem Interview mit "Panorama", sie würde es begrüßen, wenn dies in die Badegewässerverordnung aufgenommen würde.
Untersuchungen in Schleswig-Holstein und Bayern
Schleswig-Holstein und Bayern haben als Reaktion auf die NDR Recherchen bereits veranlasst, im Rahmen von Forschungsprojekten nun auch einige Badegewässer zu untersuchen. Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sagte, sie nehme die Sorgen in der Bevölkerung vor antibiotikaresistenten Keimen sehr ernst. Deshalb habe sie das zuständige Landesamt beauftragt, auch Messungen in Badegewässern durchzuführen. Im Rahmen eines Forschungsprojekts seien bereits einige Flüsse untersucht worden. Dabei zeichne sich auch hier eine mehrheitliche Belastung mit antibiotikaresistenten Keimen ab.
Niedersachsen hält Ausweitung derzeit nicht für sinnvoll
Vertreter des Landes Niedersachsen, wo "Panorama" bei Stichproben die resistenten Keime an allen Probeorten entdeckt hatte, äußerten sich dagegen eher zurückhaltend. "Wenn irgendwo ein multiresistenter Erreger in der Umwelt in geringer Konzentration gefunden wird, ist das sozusagen nicht gleich eine Riesengefahr für die Menschheit", sagte der Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums. Messungen an Badegewässern hält das Ministerium derzeit nicht für sinnvoll. Wichtiger sei es zu verhindern, dass resistente Erreger überhaupt in die Umwelt gelangen.
Andere Länder prüfen oder sehen keinen Handlungsbedarf
Das rheinland-pfälzische Umweltministerium will prüfen, inwieweit Untersuchungen an möglichen Quellen auf resistente Keime sinnvoll und möglich sind. Baden-Württemberg teilte mit, derzeit seien keine derartigen Kontrollen geplant. Entsprechende Methoden hierfür müssten erst etabliert, entsprechende instrumentelle und personelle Ressourcen geschaffen werden.
Einige Bundesländer sehen derzeit keinen akuten Handlungsbedarf. Hamburg etwa weist darauf hin, dass vor allem Länder mit Tierhaltung und Ackerbau betroffen seien. In der Hansestadt seien alle Badegewässer Grundwasser-gespeist, lägen nicht an Viehwirtschaftsflächen mit intensiver Landwirtschaft und hätten keine Zuläufe. Andere Länder wiederum wie Nordrhein-Westfalen oder Sachsen wollen zunächst die Ergebnisse des Arbeitsgruppen-Treffens zu den Badegewässern am 7. März abwarten.
Umweltbundesamt fordert Nachrüstung von Kläranlagen
Neben der Kontrolle von Badegewässern hatte das Umweltbundesamt zudem gefordert, alle großen Kläranlagen in Deutschland mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe auszurüsten. Hier zeigen sich die meisten Bundesländer eher skeptisch - vor allem wegen der Kosten. Nach Angaben des Umweltbundesamtes würde ein solcher Ausbau etwa 1,3 Milliarden Euro jährlich kosten. Rheinland-Pfalz teilte dagegen mit, allein dort würde die Einrichtung einer vierten Reinigungsstufe für die 150 größten Kläranlagen im Land rund 430 Millionen Euro an Investitionskosten erfordern. Hinzu kämen Kosten für den Betrieb und die Wartung. In Rheinland-Pfalz werde aber seit Frühjahr 2017 eine Anlage zur Reinigung von Keimen getestet.
Niedersachsens Umweltminister kündigt eigene Proben an
Das niedersächsische Umweltministerium hatte auf Anfrage des NDR zunächst geantwortet, die Kläranlagen im Land würden die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Die Einführung einer zusätzlichen Reinigungsstufe sei "daher derzeit grundsätzlich nicht vorgesehen".
Nach der Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse sagte Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) jedoch: "Wir nehmen das Thema ernst und wir können nachvollziehen, dass sich die Menschen sorgen, wenn plötzlich solche Messergebnisse vorliegen." Das Ministerium kündigte an, eigene Proben nehmen lassen zu wollen. Sie würden jetzt die Ergebnisse des NDR überprüfen lassen, "um gegebenenfalls weitere Schritte zu unternehmen".
Bislang nur wenige Anlagen zur Keim-Verringerung
Deutschlandweit sind bislang nur sehr wenige der insgesamt knapp 10.000 öffentlichen Klärwerke mit einer entsprechenden Technik ausgestattet. Baden-Württemberg bezeichnet sich selbst als "Vorreiter beim Ausbau der Kläranlagen". In dem Land seien 13 Anlagen mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe ausgestattet worden, die auch zu einer Verringerung der Keimbelastung beitrage. Zwölf weitere seien in Bau oder Planung. In Hessen ist eine entsprechende Versuchsanlage in Betrieb. Etwa Mitte dieses Jahres, nach Ablauf der Forschungsphase, will das Land über weitere Schritte entscheiden. Grundsätzlich bedürfe es aber eines breiteren Lösungsansatzes. "Eine Vermeidung resistenter Keime kann am sinnvollsten an der Quelle erreicht werden, das heißt insbesondere in Krankenhäusern und in der Intensivtierhaltung", so das hessische Umweltministerium.
Forschungsprojekt in Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein untersucht derzeit an einigen Klärwerken, welche Keime möglicherweise in Flüsse gelangen. Landesumweltminister Robert Habeck (Grüne) sagte, es sei entscheidend, "dass wir wissen, welche Keime auf welchen Eintragswegen in die Umwelt gelangen, um dann zielgenau und umfassend handeln zu können". Ob und welche Auswirkungen die Ergebnisse des Forschungsprojekts auf die Kläranlagen im Land hätten, sei jedoch noch nicht absehbar, teilte das Ministerium mit. Auch Sachsen betont, es bestehe weiterer Forschungsbedarf "hinsichtlich geeigneter Methoden, um wirtschaftliche Maßnahmen ergreifen zu können.
Brandenburg sieht Kläranlagen-Ausbau nicht als Lösung
Das Land Brandenburg verweist darauf, dass der Bund durch eine Änderung der Abwasserverordnung veranlassen könne, dass eine solche zusätzliche Reinigungsstufe vorgeschrieben werde. Allerdings ist dies nach Auffassung des brandenburgischen Landesministeriums "kein geeigneter Weg, dem Problem von Antibiotikaresistenzen wirksam zu begegnen. Vielmehr müsse an der Quelle angesetzt werden, "zum Beispiel durch eine direkten Behandlung von Krankenhausabwässern oder durch umsichtigen und reduzierten Antibiotikaeinsatz in der Tiermedizin".
Ähnlich sieht dies die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA). Eine Nachrüstung der Kläranlagen sei "nicht tauglich, das Problem zu lösen". Sie seien "nicht die Quelle antibiotikaresistenter Bakterien, sondern stehen am Ende einer Kette aus vielen Entwicklungs- und Verbreitungspfaden", teilte die DWA zu der NDR Recherche mit. Wichtiger sei es, den Antibiotika-Einsatz zu reduzieren - vor allem in der Landwirtschaft. "Die übermäßige Verwendung von Antibiotika in Anlagen zur Massentierhaltung ist eine wesentliche Ursache für die Ausbildung von Resistenzen gegen Antibiotika", sagte DAW-Präsident Otto Schaaf. "Wenn antibiotikaresistente Bakterien erst im Wasserkreislauf angekommen sind, ist es zu spät."