Happy End mit gemischten Gefühlen
Sie übersetzen, bewachen Lager oder setzen Entwicklungsprojekte um: Afghanen in Diensten der Bundesregierung. Weil sie für die Deutschen arbeiten, werden diese sogenannten Ortskräfte oft bedroht, etwa von den Taliban. Und trotzdem lässt die Bundesregierung viele nicht ausreisen. Darüber hatten NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung in den vergangenen Monaten immer wieder berichtet, unter anderem in Panorama. In einigen der recherchierten Fällen gab es seitdem ein Happy End. Doch das Grundproblem hat sich kaum verändert.
Für Abdullah Arian hat eine lange, schwierige Geschichte jetzt ein glückliches Ende gefunden. Auf dem Frankfurter Flughafen wartet der junge Afghane nervös auf ein Wiedersehen mit seiner Frau und seiner knapp dreijährigen Tochter - nach zweieinhalb Jahren. "Ich bin sehr glücklich und sehr aufgeregt", sagt der 25-Jährige, "ich hoffe, dass mich meine Tochter noch kennt, auf mich zurennt und mich umarmt."
Wiedersehen mit Wermutstropfen
Vier Jahre hatte er als Dolmetscher der deutschen Soldaten in Kundus gearbeitet. Als Arian deshalb von Taliban bedroht wurde, bat er um Versetzung. Weil die Bundeswehr das nicht erlaubte, floh er illegal nach Deutschland. Fast eineinhalb Jahre kämpfte er hier mit den Behörden, bleiben zu dürfen. Erst nachdem NDR, WDR und SZ auch über seinen Fall berichteten, bekam er eine Zusage. Nun erst durften Frau und Tochter nachkommen. Doch es ist ein Wiedersehen mit Wermutstropfen. Das kleine Mädchen fängt an zu weinen, will nicht auf den Arm seines Vaters. Arian ist für seine Tochter inzwischen ein fremder Mann. "Meine Tochter erkennt mich nicht", sagt er traurig, "aber ich hoffe, das wird besser".
Zusage für die Ausreise nach Panorama-Bericht
Auch Amruddin Muradi arbeitete für die Bundeswehr in Kundus. Ihm schicken die Taliban ein Drohvideo, das den Dolmetscher im Einsatz zeigt. "Spion" stehe da in roter Schrift, neben einem Pfeil, der auf seinen Kopf zeigt, erzählte er dem Fernsehteam von Panorama im vergangenen Herbst. Zwei Mal hatte die Bundesregierung Muradis Ausreiseanträge abgelehnt. Muradi damals verständnislos: "Ich habe unter Lebensgefahr für die Deutschen gearbeitet. Sie haben jetzt die Verantwortung, mich aus Problemen und Gefahren herauszuholen."
Kurz nach den ARD-Berichten bekommt Muradi eine Zusage für die Ausreise, lebt jetzt in München, ebenso wie ein ehemaliger Mitarbeiter des Entwicklungsministeriums, dessen erster Antrag abgelehnt worden war, dann aber nach den Recherchen ausreisen durfte.
Verteidigungsministerin für mehr Tempo und Vertrauen
Einzelfälle mit Happy End, aber nur ein leicht veränderter Gesamttrend. Hatte man bis vergangenen Herbst etwa 60 Prozent der afghanischen Ortskräfte abgelehnt, die eine Gefährdung gemeldet hatten, sind es jetzt immerhin noch über 40 Prozent. Doch die Überprüfung der bisher knapp 1.600 Fälle lief langsam. Das räumt inzwischen auch Bundesverteidigungsministerin von der Leyen ein. "Wir sind da einfach zu langsam", sagte sie im April im Bundestag, Mehr Tempo müsse man in diesen Prozess bringen und großzügiger werden, mahnte die Ministerin. "Wir haben diesen Menschen vertraut. Wir sollten ihnen jetzt auch weiterhin vertrauen."
Was genau sich ändern soll, steht aber noch nicht fest. Die grüne Innenpolitikerin Luise Amtsberg vermisst, dass sich die Bundesregierung nicht dafür einsetze, "dass nicht derjenige, der sich gefährdet fühlt, in dieser unglaublichen Beweislast steht, sondern dass man großzügiger auf die Menschen zugeht". Doch die Zahlen ließen das nicht erkennen.
Eine Zukunft in Deutschland
Für Arian Abdullah hat sich sein Wunsch nach einem Leben in Sicherheit jetzt erfüllt. Dennoch denkt er an die zurückgebliebenen Kollegen und bittet die Bundesregierung, "sich um die anderen Ortskräfte zu kümmern, die in Afghanistan in Gefahr sind und es wirklich verdient haben, hierher zu kommen". Der 25-Jährige hofft jetzt auf Ausbildung für sich, seine Frau und seine Tochter. Er selbst hat inzwischen einen Teilzeitjob auf dem Bau gefunden. Er wolle der Regierung nicht dauerhaft zur Last fallen. "Ich will hier arbeiten, Steuern zahlen, leben. Ich will eine Zukunft hier haben."