"Erdogan spaltet, sät Hass und Misstrauen"
Hetzt RecepTayyip Erdogan die deutsch-türkische Community auf und erschwert ihnen die Integration? Darüber sprachen wir mit Susanne Schröter, der Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI) der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Welches Interesse hat der türkische Präsident Erdogan an den Deutsch-Türken?
Prof. Susanne Schröter: Die Deutsch-Türken sind ja allein von der Masse her relevant für ihn. Die, die einen türkischen Pass besitzen, sind als Wähler für Erdogan interessant, als Leute, die ihn unterstützen und ihm nicht abhanden kommen sollen. Sie sind auch Manövriermasse für seine Ideen eines neuen osmanischen Reiches.
Was ist Erdogans Ziel?
Schröter: Erdogan versucht zu verhindern, dass sich die Deutsch-Türken allzu sehr integrieren. Er möchte definitiv nicht, dass Loyalitäten von ihm abgewendet werden, dass Deutsch-Türken sagen: meine Kanzlerin ist Angela Merkel. Er will, dass sich die Deutsch-Türken nach wie vor an der Türkei orientieren. Faktisch bedeutet das natürlich, dass er spaltet. Er treibt die türkeistämmigen Deutschen in enorme Konflikte hinein. Das macht letztlich den Status dieser Leute in Deutschland nicht besser.
Die hier lebenden Türken fühlen sich oft als Bürger zweiter Klasse. Inwiefern nutzt er das aus?
Schröter: Erdogan betont immer wieder, dass Deutsch-Türken niemals ganz normale Bürger und Bürgerinnen sein könnten, sie würden immer diskriminiert und hätten niemals eine richtige Chance in Deutschland. Viele Deutschtürken glauben, dass sie hier unterdrückt und unterpriviligiert sind. Die freuen sich natürlich, dass er sagt: Ich bin auf eurer Seite, ihr seid meine Bürger, euch werde ich nie im Stich lassen. Sie fühlen sich aufgewertet und ernstgenommen, sie glauben auch, dass sie seines Schutzes bedürfen.
Wie macht Erdogan Politik in Deutschland?
Schröter: Dafür nutzt er vor allem verschiedene Organisationen. Die wichtigste ist die UETD, die Union Europäisch-Türkischer Demokraten, die Lobbyorganisation der AKP. Die UETD organisiert beispielsweise Wahlkampf-Reisen oder Veranstaltungen für Erdogan. Genauso wichtig ist die DITIB, der größte Moscheeverband in Deutschland. Die DITIB ist eine Organisation, die sich immer als alleinige Religionsgemeinschaft verkauft. Man muss aber sagen, dass DITIB auch ganz eindeutig ein Instrument ist, um in Deutschland Politik zu machen. In den Freitagspredigten, die aus der Türkei kommen, werden politische Programme an die Gläubigen weitergegeben. Die Imame haben hier für den türkischen Geheimdienst gespitzelt. Missliebige, der Opposition zugerechnete Gläubige wurden aus der Gemeinde geschmissen. Vermeintliche Gülen-Anhänger wurden gemobbt und ausgrenzt. DITIB ist auch ein politisches Instrument des türkischen Staates.
Wie sind die jüngsten Attacken Erdogans gegenüber Deuschland zu bewerten?
Schröter: Erdogan benimmt sich unmöglich, das muss man ganz einfach so sagen. Er glaubt, dass er sich hier alles erlauben kann. Was er dabei aber macht - und das finde ich wirklich bedenklich: Er hetzt seine Landsleute auf, er hetzt die Deutsch-Türken auf, er sät Feindschaft und Hass gegen die deutsche Gesellschaft, auch gegen alle Deutsch-Türken die nicht auf seiner Linie sind. Er zerschlägt unglaublich viel Porzellan. Das ist eine Schädigung der ganzen Bemühungen aller Menschen, die hier für Integration etwas getan haben. Da wird mit einem Schlag die Arbeit von Jahren kaputt gemacht.
Was will er mit seinen Nazi-Vergleichen und Angriffen auf Angela Merkel bezwecken?
Schröter: Er möchte Feindschaft säen und er möchte natürlich auch auftrumpfen. Sein Benehmen ist schon echte Realsatire. Das ist eine Rüpelhaftigkeit ohne Gleichen, die kann man nicht mehr ernst nehmen. Aber er versucht auszutesten, wie weit er gehen kann. Und er hat jetzt all sein Pulver verschossen, mehr als die Nazi-Vorwürfe geht nicht. Man kann sich wundern, dass das überhaupt bei irgendjemand auf fruchtbarem Boden fällt, weil es so grenzenlos absurd ist.
Das Interview führte Esra Özer