Stand: 20.12.2016 15:01 Uhr

Tierschutz: Bundestag debattiert, Behörden prüfen

von Christian Baars & Oda Lambrecht

"Schreckliche, abstoßende Bilder aus dem Inneren der deutschen Mastindustrie" beklagte der grüne Agrarpolitiker Friedrich Ostendorff nach dem Panorama-Beitrag am 22. September über fragwürdige Zustände in den Ställen deutscher Bauernfunktionäre. Der Abgeordnete ergänzte in der extra einberufenen Aktuellen Stunde des Bundestages, die Menschen seien einmal mehr schockiert und entsetzt - es sei ein "Desaster".

VIDEO: "Die Zustände in den Ställen sind absolut inakzeptabel" (3 Min)

Panorama hatte über massive Tierschutzprobleme in den Ställen von vier führenden Agrarverbandsfunktionären berichtet. Die Recherchen stützten sich auf Bildmaterial der Tierschutzorganisation "Animal Rights Watch" (ARIWA). Darauf waren kranke sowie schwer verletzte Schweine und Puten zu sehen. Renommierte Veterinäre kritisierten die Zustände in den Ställen scharf.

Nach der Veröffentlichung wurden mehrere Behörden in verschiedenen Bundesländern aktiv. Andere Medien und auch Agrarfachzeitschriften griffen die Recherchen auf. Der Beitrag löste intensive Debatten in Agrarwirtschaft und Politik aus.

Linken-Abgeordnete: Zustände "absolut inakzeptabel"

In der Bundestagsdebatte bezeichnete Dr. Kirsten Tackmann von den Linken die berichteten Zustände in den Ställen als "absolut inakzeptabel". Diese Bilder seien für sie als Tierärztin "wirklich sehr, sehr schwer zu ertragen". Tackmann erklärte: "Man muss, glaube ich, kein tiefes Fachwissen besitzen, um zu erahnen, welche Schmerzen die Tiere in den Videosequenzen haben und dass diese Tiere schon länger unter den Schmerzen leiden."

CDU-Abgeordneter: "kritische Befassung" geboten

Auch der CDU-Agrarpolitiker Dieter Stier hält eine "kritische Befassung" durchaus für geboten. Solch eine nicht gesetzeskonforme Ferkeltötung zum Beispiel sei abzustellen, erklärte er. Stier erklärte allerdings auch, die gezeigten Bilder würden nicht dem Alltag der deutschen Tierhaltung entsprechen.

SPD-Abgeordnete: Journalisten müssen Missstände anprangern

Die SPD-Abgeordnete und Tierärztin Dr. Karin Thissen kritisierte vor allem Defizite bei den Kontrollbehörden. Aufgrund der Zustände in der deutschen Tierhaltung forderte sie einen engagierten Journalismus. Thissen sagte: "Wenn staatliche Strukturen versagen, wenn Missstände auf allen Ebenen bekannt sind und über Jahre hingenommen werden, dann hat die Presse das Recht, mindestens die moralische Pflicht, diese Missstände zu dokumentieren und anzuprangern."

Landwirtschaftsminister Schmidt: "tierschutzrelevante Vorkommnisse"

Auch Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt (CSU) reagierte offenbar auf die Panorama-Recherchen. Nach einem Bericht des landwirtschaftlichen Pressedienstes Agra-Europe sah Schmidt in dem Beitrag "deutliche Hinweise auf tierschutzrelevante Vorkommnisse". Nach Angaben des Fachmediums sagte Schmidt, die Länder hätten dafür Sorge zu tragen, dass die zuständigen Veterinärämter personell und organisatorisch so ausgestattet seien, dass eine effektive Überwachung der Tierhaltungen und eine wirksame Verfolgung von Verstößen stattfände.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Bauernfunktionär

Nach der Sendung wurden Behörden in verschiedenen Bundesländern aktiv. Die Staatsanwaltschaft Münster ermittelt gegen den Vorsitzenden des Zentralverbandes der Deutschen Schweineproduktion (ZDS), Paul Hegemann aus Saerbeck in Nordrhein-Westfalen,  wegen möglicher Tierschutzverstöße. Zuvor waren mehrere Strafanzeigen gegen Hegemann eingegangen. 

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 22.09.2016 | 21:45 Uhr

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