Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Bauernfunktionär
Nach einem Bericht von Panorama im Ersten über massive Tierschutzprobleme in Ställen von vier führenden Agrarverbandsvertretern sind nun mehrere Staatsanwaltschaften aktiv geworden. Die Staatsanwaltschaft Münster hat gegen Paul Hegemann, den Vorsitzenden des Zentralverbandes der Deutschen Schweineproduktion (ZDS), Ermittlungen wegen möglicher Tierschutzverstöße in seinem Mastbetrieb in Saerbeck in Nordrhein-Westfalen aufgenommen.
Zuvor waren mehrere Strafanzeigen gegen Hegenmann eingegangen. Auch gegen den CDU-Bundestagsabgeordneten Johannes Röring liegen mehrere Strafanzeigen wegen möglicher Tierschutzverstöße in seinem Familienbetrieb in Vreden vor. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob ein Anfangsverdacht besteht.
Davon ist abhängig, ob die zuständigen Justizbehörden den Bundestagspräsidenten über das Verfahren informieren, damit geprüft werden kann, ob die Immunität des Abgeordneten aufgehoben wird. Das wäre die Voraussetzung dafür, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Röring einleiten könnte. Der Abgeordnete ist auch Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes sowie Vorsitzender des Fachausschusses Schweinefleisch im Deutschen Bauernverband.
Der Bericht von Panoramahatte sich auf Bildmaterial gestützt, das die Tierschutzorganisation "Animal Rights Watch" (ARIWA) NDR und Süddeutscher Zeitung zugespielt hatte. Nach Einschätzung renommierter Veterinärmediziner - wie etwa Prof. Dr. Dr. Gauly von der Universität Bozen, auch Mitglied im Agrarbeirat der Bundesregierung - zeigen einige dieser Bilder aus dem Jahr 2015 eindeutige Tierschutz-Verstöße.
Der Abgeordnete Röring wehrt sich unterdessen juristisch gegen die Berichterstattung. Auf Bildern aus seinem Familienbetrieb, der Röring GbR in Nordrhein-Westfalen, waren unter anderem stark verdreckte Buchten, mehrere verletzte Tiere und ein Kadaver zwischen lebenden Tieren zu sehen. Röring hat - gemeinsam mit seinem Sohn, der den Hof führt - einen Anwalt eingeschaltet. In einem Schreiben noch vor der Ausstrahlung des Beitrags behauptet dieser, die Haltungsbedingungen im Stall seien zum Zeitpunkt der Aufnahmen einwandfrei gewesen. Auf den Bildern "sei nichts zu sehen, was einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz darstellen könnte".
Drei Wochen nach Ausstrahlung hat die Röring GbR beim Landgericht Hamburg in einem Eilverfahren eine sogenannte Einstweilige Verfügung erwirkt. Demnach ist es dem NDR derzeit gerichtlich untersagt, die von ARIWA erstellten Aufnahmen aus dem Röring-Betrieb zu zeigen. Außerdem darf der Sender nicht behaupten, einzelne Spalten dort im Boden seien zu breit.
Röring ließ daraufhin erklären: "Das Landgericht Hamburg hat bestätigt, dass die Tiere auf unserem Hof ordnungsgemäß gehalten werden." Diese Wiedergabe des Beschlusses ist allerdings nicht durch den Beschluss des Gerichtes gedeckt. Denn eine schriftliche Begründung hat das Gericht nicht abgegeben. [Aktualisierung vom 23.1.2017: Ein Widerspruch des NDR gegen diese Einstweilige Verfügung wurde abgelehnt. Der Sender prüft das weitere rechtliche Vorgehen.]
Der zuständige Kreis Borken hat dem NDR unterdessen erklärt, dass die Röring GbR im Jahr 2015 nicht kontrolliert worden sei. Erst nach Ausstrahlung des Panorama-Beitrags fand eine Veterinäruntersuchung statt. Dabei hat der Kreis einige Mängel an der Stallausstattung festgestellt. Außerdem wurde für zwei Tiere mit "vermutlich frischen Veränderungen" die Unterbringung in eine Krankenbucht angeordnet.
Darüber hinaus hätten eingesehene Unterlagen darauf hingewiesen, dass 2015 "überdurchschnittlich viele" tierärztliche Untersuchungen und Behandlungen durchgeführt worden seien, die besonders wegen "Atemwegserkrankungen bei den Schweinen" erforderlich gewesen seien, schreibt der Kreis Borken. Aufgrund der aktuellen Kontrolle werde kein Bußgeld- oder Strafverfahren eingeleitet. Derzeit erfolge die Auswertung der Videoaufnahmen, so der Kreis.
Auch die Schweinehaltung von Bauernfunktionär Paul Hegemann wurde nach dem Panorama Bericht kontrolliert. Die aktuelle Inspektion habe keine Anhaltspunkte für tierschutzrechtliche Verstöße ergeben, teilte der zuständige Kreis Steinfurt mit. Der Gesundheitszustand der Schweine sei überwiegend gut gewesen. Der Kreis Steinfurt hat nach eigenen Angaben aber einige Mängel an der Stallausstattung festgestellt.
Die Bilder der Tierschutzorganisation aus dem Jahr 2015 zeigen unter anderem verletzte Schweine, hustende Tiere und andere mit geröteten oder vereiterten Augen. Hegemann erklärte auf Anfrage, Ursache für die Verletzungen und Erkrankungen seien Kannibalismus beziehungsweise ein Infektionsgeschehen gewesen. Die Schweine seien jedoch tierärztlich behandelt worden.
Auf weiteren Bildern von einer in der Ferkelzucht der Agrarprodukte Laskau GmbH in Thüringen versteckt angebrachten Kamera ist zu sehen, wie eine Tierbetreuerin neugeborene Ferkel auf den Betonboden schleudert, um sie töten. Einer der Geschäftsführer des Betriebes ist der Thüringer Bauernpräsident Helmut Gumpert. Das Landratsamt Saale-Orla-Kreis in Thüringen erklärte gegenüber dem NDR, dass derzeit Informationen ausgewertet würden, anschließend würde entschieden, ob "aufgrund der nicht rechtskonformen Tötung eines Ferkels" ein Verfahren eingeleitet werde. Gegen wen genau ein eventuelles Verfahren geführt werde, müsse noch ermittelt werden, so die Behörde.
Eine Kontrolle nach dem Panorama Beitrag habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass aktuell die Tötung der Ferkel in dem Betrieb nicht gesetzeskonform erfolge. Gumpert hatte nach dem Beitrag gegenüber dem MDR erklärt, es sei ein Einzelfall gewesen, die Mitarbeiterin habe damals bei der Tötung Fehler begangen.
Auch im Fall der Putenmast Gut Jäglitz in Roddahn in Brandenburg prüft die Staatsanwaltschaft Neuruppin, ob ein Anfangsverdacht gegen Geschäftsführer Thomas Storck wegen Tierschutzverstöße vorliegt. Das Landratsamt Neuruppin schrieb dem NDR, dass derzeit Informationen zum Sachverhalt verarbeitet und rechtliche Bewertungen vorgenommen würden. Videoaufnahmen aus seinem Stall zeigen mehrere Kadaver sowie kranke und verletzte Tiere. Storck hatte eingeräumt, es handle sich um schlimme Bilder, sie seien aber nicht repräsentativ für die gesamte Herde, und mittlerweile würden die Anlagen wieder ordnungsgemäß geführt.