45 Min
Montag, 30. Mai 2022, 22:00 bis
22:45 Uhr
Arbeitslosigkeit, Armut, mangelnde Deutschkenntnisse: Im Kieler Stadtteil Gaarden verheißen die Statistiken gerade den Kindern keine gute Zukunftsperspektive. Genau hier wollen Nele Roos und Ronja Naujokat den Kampf für Kinderchancen aufnehmen: als Gründerinnen einer brandneuen Kita nach waldorfpädagogischem Ansatz. Das Kalkül: In der Einrichtung sollen sich zwei Gruppen mischen: die Anhänger der Waldorfpädagogik aus ganz Kiel und die Gaardener Familien mit wenig Geld und Aufstiegschancen.
Der Auftrag kommt von der Stadt Kiel, sagt Bürgermeisterin Renate Treutel (Bündnis 90/Die Grünen): "Die Kita hat einen besonderen Auftrag: ein Ungleichgewicht an Chancen, die junge Menschen hier haben, auszugleichen. Deswegen ist diese Kita besonders gefordert, Kinder ganz individuell zu fördern, damit sie einen guten Schulstart hinlegen."
Liya soll in der neuen Kita gefördert werden
Auch die fünf Jahre alte Liya soll in diese Kita gehen. An einem Frühlingsmorgen treffen die Autoren sie und ihre Eltern auf dem Weg zum neuen Kindergarten. Sie haben sich schick gemacht: Liya mit Rock und Zöpfen, die Mutter trägt Schmuck, der Vater ein frisch gebügeltes Hemd. Ob sie aufgeregt ist vor ihrem ersten Tag? "Ja", sagt Liya, lächelt und wendet den Kopf wieder ab. "Wir wollen einen guten Start machen," sagt die Mutter.
Ihre Tochter soll hier endlich Deutsch lernen und fit werden für die Schule, erzählt sie. In ihrer alten Kita habe das nicht funktioniert. Und sie selbst schaffe es auch nicht, ihrer Tochter die Sprache beizubringen, weil sie eben auch besser Türkisch spreche: "Wir hoffen, dass sie die Eingewöhnung schafft und sich bald wohl fühlt im Kindergarten."
Wird die Kita den Ansprüchen gerecht?
Liya ist eines von fast hundert Kindern, die im Frühling 2020 die neue Kita im Kieler Stadtteil Gaarden mit Leben füllen. "Als wir zum ersten Mal durch den Rohbau gelaufen sind, ist uns bewusst geworden, was für ein Riesenprojekt das ist", sagt Nele Roos, eine der beiden Leiterinnen an einem der ersten Tage nach Eröffnung. "Und dann das Gefühl: Jetzt sind wir hier die Chefinnen, da habe ich ein bisschen Angst gekriegt: Schaffen wir das?" Wird die neue Kita den Ansprüchen von innen und außen gerecht?
Kita steht vor großen Herausforderungen - auch durch Corona
Die NDR Autoren Lucas Stratmann und Christian Schepsmeier begleiten die Kita durch ihr erstes Jahr. Sie erkunden, wie die Kita "Ernestine" gleich zu Beginn an ihre Grenzen stößt: Die Corona-Pandemie hängt wie ein Schatten über der Eingewöhnungszeit. Lockdowns und Quarantäne erschweren die Gruppenbildung.
Und in der Praxis zeigt sich, dass Integration von Kindern mit diversen Förderbedarfen unter den politischen Rahmenbedingungen in Deutschland oft nur ein leeres Wort ist. So steht bei der kleinen Kimberly infrage, ob ihre körperliche Behinderung die Aufnahme in die Kita unmöglich machen könnte. Bislang hatte sich noch keine Einrichtung getraut, das Mädchen aufzunehmen. Bis die "Ernestine" eine Idee hat.
Ein tiefer Einblick in den Mikrokosmus Kita
Und es gibt auch Lichtblicke: Liya lernt eine neue Freundin kennen, mit der sie sich nur auf Deutsch unterhalten kann. Und das hilft ihr auf dem Weg zur Schule vielleicht mehr als jeder Versuch, ihr die Sprache gegen ihren Willen beizubringen.
45 Min mit tiefen Einblicken in einen Mikrokosmos, der eine Geschichte über Bildungsperspektiven und frühkindliche Erziehung in Deutschland erzählt.
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- Produktionsleiter/in
- Kathrin Becker
- Redaktion
- Christian von Brockhausen
- Produktionsleiter/in
- Michael Schinschke
- Autor/in
- Christian Schepsmeier
- Lucas Stratmann
- Redaktion
- Brochhausen, Christian