"Meine Mutter starb an Adipositas - ich will das nicht!"
Am 4. März ist Welt-Adipositas-Tag. In Deutschland hat jeder fünfte Erwachsene schweres Übergewicht, Adipositas ist durch einen BMI über 30 gekennzeichnet. Viele entscheiden sich für eine OP - wie Jasmin Hollmann aus Hildesheim.
Bei Adipositas sprechen Experten von einer ernst zu nehmenden chronischen Erkrankung. Mit Bewegung und Ernährung allein schaffen es die Betroffenen häufig nicht, abzunehmen. Trotz des Operationsrisikos entscheiden sich immer mehr für einen Magenbypass oder Schlauchmagen. Nach der Operation ist der Magen so klein, dass er nur noch sehr kleine Portionen fassen kann. Das St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim hat vor zwei Jahren das Adipositaszentrum gegründet. Für 2025 schätzen sie, dass sie um die 100 Adipositas-Operationen durchführen werden. Vor sechs Wochen hat sich die 35-jährige Jasmin Hollmann für einen Magenbypass entschieden.
Frau Hollmann, was war für Sie der Grund, sich für einen Magenbypass zu entscheiden?
Jasmin Hollmann: Ich habe schon einmal abgenommen von 150 auf 80 Kilo. Leider haben sich in den letzten Jahren 30 Kilo wieder raufgeschlichen. Meine Mutter ist bereits mit 50 Jahren an zu hohem Gewicht gestorben. Ich möchte nicht das gleiche Schicksal erleiden und ich ziehe jetzt die Notbremse. Außerdem habe ich seit meinem 25. Lebensjahr Diabetes Typ 2, auch da hilft der Magenbypass.
Wie geht es Ihnen nach der OP? Sie haben schon in den ersten sechs Wochen 16 Kilo verloren?
Hollmann: Ich bin sehr glücklich! Aber weniger wegen des Gewichts, sondern mehr wegen der Auswirkungen: Ich habe keine Schmerzen mehr und mein Lebensgefühl hat sich deutlich verbessert. Viele Dinge fallen mir leichter. Zum Beispiel Fahrradfahren, Laufen und mich wieder mit Freunden zu treffen. Das ist sehr schön und das ist mir deutlich wichtiger als das Gewicht.
Welche Diskriminierungserfahrungen haben Sie aufgrund Ihres Gewichts gemacht?
Hollmann: Ich war schon immer übergewichtig, schon als Baby. Ich hatte viele Probleme in der Schule, da ich die einzige war, die übergewichtig war. Ich wurde gehänselt und gemobbt. Ein weiteres Problem waren die Ärzte. Wenn man Übergewicht hat, heißt es grundsätzlich bei fast allem: "Nehmen Sie erst mal ab, dann schauen wir uns das an." Ich habe früher sehr viel Sport getrieben. Ich hatte Probleme mit den Schultern durch Cheerleading, auch das haben die Ärzte auf mein Übergewicht geschoben. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass es eine alte Sportverletzung war, die dringend operiert werden musste. Es ist sehr mühsam, wenn man ständig zu verschiedenen Ärzten rennen muss, damit einen jemand ernst nimmt.
Was wünschen Sie sich von der Gesellschaft im Umgang mit übergewichtigen Menschen?
Hollmann: Ich wünsche mir von der Gesellschaft, dass die Kritik aufhört. Jeder hat ein Gewicht und das resultiert immer aus verschiedensten Faktoren wie Genetik, psychischer und physischer Gesundheit. Niemand kann wissen, in welchen Schuhen der andere steckt. Man sollte darauf achten, dass man nicht Leute kritisiert, deren Geschichte man nicht kennt.
Was würden Sie Menschen raten, die vor der Frage stehen, ob eine Magen-OP etwas für sie ist?
Hollmann: Ich würde ihnen raten, sich selbst die Frage zu stellen: "Bin ich bereit dafür?". Und habe ich ein gutes Umfeld, das die Veränderung durch die OP auffängt? Mit der OP allein ist es noch nicht getan. Ich habe auch gemerkt, dass natürlich das Essen bei mir eine psychische Komponente hatte und ich es auch zur Verdrängung mancher Dinge genutzt habe. Aber das war ja vorher klar, dass der Kopf nicht operiert wird. Da muss man noch mehr machen. Ich bin in der Adipositas- Selbsthilfegruppe im St. Bernward Krankenhaus und habe eine Ernährungs-Therapeutin, die mich auch nach der Operation weiterhin begleitet.
Das Interview führte Larissa Mass, NDR.de.
