Konflikte, Kämpfe, Kontroversen: Der NWDR 1948-1955
Das Tempo von den ersten Fernseherlebnissen bis zum Siegeszug des neuen Mediums in den westdeutschen Wohnzimmern war rasant. Seinen Ausgangspunkt nahm der Weg in Hamburg, aus provisorischen Studios in einem Hochbunker auf dem Heiligengeistfeld. Ende 1947/Anfang 1948 war das Fernsehen in den Bereich des technisch Möglichen gerückt. Der NWDR begann mit Zustimmung der britischen Besatzungsbehörden mit ersten technischen Versuchen, ab 27. November 1950 strahlte der NWDR an drei Tagen ein regelmäßiges Versuchsprogramm aus.
Am 25. Dezember 1952 war es schließlich soweit. Um 20 Uhr eröffnete Werner Pleister, der Intendant des NWDR-Fernsehens, den regulären Fernsehprogramm-Betrieb. Nur knapp war Westdeutschland im politischen Wettlauf unterlegen, denn im Fernsehzentrum der DDR in Berlin-Adlershof war man vier Tage zuvor auf Sendung gegangen.
Berlin und Köln kommen hinzu
Die organisatorischen Voraussetzungen für den Fernsehstart in Hamburg waren von Anfang an günstig. Eine ganze Reihe von Fernsehmachern, die im "Dritten Reich" Erfahrungen mit dem neuen Medium sammeln konnten, verschlug es bei Kriegsende in die Hansestadt. Da sie überwiegend Angestellte der Reichspost-Fernseh-Gesellschaft waren, einigte man sich Mitte 1948 mit der Post, dass die Fernsehmacher vom NWDR übernommen werden. Damit war der Startschuss gefallen.
Die Fernsehversuche konzentrierten sich zunächst auf Hamburg. Seit März 1951 arbeitete aber auch eine kleine Mannschaft in einem Fernsehversuchsstudio des NWDR-Berlin und gegen Ende 1952 wurde der Kölner Standort fernsehtauglich gemacht. Auch wenn es an anderen westdeutschen Rundfunkanstalten erste Fernsehversuchsbetriebe gab, so übernahm der NWDR auf diesem Gebiet für die 1950 gegründete ARD eine führende Rolle.
Tiere, Tanzkurse und Tagesschau
Viele Programmangebote des frühen Fernsehens waren Experimente. Man zeigte Fotos von Vermissten, führte Tanzkurse durch und holte Tiere von Hagenbecks Tierpark vor die Kamera. Die Programmstunden am späten Nachmittag und am Abend wirkten mitunter wie ein Sammelsurium. Deshalb wurden die Fernsehmacher vielfach nicht ernst genommen; noch war der Hörfunk das eigentliche Medium. Manche Ideen jedoch erwiesen sich als fernsehtauglich und fanden schnell Anklang, etwa die Übertragungen aus dem Hamburger Ohnsorg-Theater oder "Sind Sie im Bilde?", satirische Kommentare, die der in Hamburg lebende Karikaturist Mirko Szewczuk vor laufender Kamera entwickelte. Zwei regelrechte Fernsehklassiker haben ihren Ursprung in jenen Jahren. Am 8. Mai 1954 startete das "Wort zum Sonntag", eine Sendereihe, die bis heute am Samstagabend im Programm des Ersten zu sehen ist.
Und auch das Flaggschiff der ARD, die "Tagesschau", hat ihre Ursprünge im Programmbetrieb des NWDR. Fernsehredakteur Martin Svoboda setzte seit 1951 die Idee um, mit einer aktuellen Nachrichtensendung im Fernsehen die weite Welt in die häusliche Wohnung zu bringen - täglich außer sonntags freilich erst ab Oktober 1956.
Ein Fernsehkoch und die Familie Schölermann
In ihrer Zeit überaus erfolgreich waren zwei unterhaltende Formate. Der bei seinen Zuschauerinnen bald sehr populäre Fernsehkoch Clemens Wilmenrod wusste in seiner Fernsehkochsendung "Bitte in zehn Minuten zu Tisch. Kochkunst für eilige Feinschmecker" vom 20. Februar 1953 an seine Rezepte mit einer Prise Humor zu würzen. Das Prinzip der seriellen Unterhaltung wurde mit den erfolgreichen Familiensendungen vom Hörfunk übernommen. "Unsere Nachbarn heute abend – die Familie Schölermann" machte seit 15. September 1954 aus dem Fenster zur Welt ein Fenster in die nachbarliche Wohnung.
Der Fernseher als Objekt der Begierde und Statussymbol
Beim Sendestart des Fernsehbetriebs waren nur wenige Fernsehgeräte angemeldet. Doch der "Zauberspiegel" entwickelte schon bald seine Faszination. Bei der Live-Übertragung der Krönungsfeierlichkeiten der jungen englischen Königin Elizabeth II. am 2. Juni 1953 musste der Straßenverkehr von der Polizei geregelt werden, als sich Menschentrauben vor den in den Rundfunkgeschäften ausgestellten Apparaten versammelten. Das "Wunder von Bern" am 4. Juli 1954, jenes Fußballereignis, aus dem das Nachkriegsdeutschland wieder Selbstbewusstsein schöpfte, verfolgten viele noch auf den Empfangsgeräten in den nahegelegenen Gaststätten. Diese frühen TV-Events verhalfen dem Medium zum Durchbruch. Innerhalb weniger Jahre stieg die Zahl der häuslichen Geräte um mehr als das Hundertfache. Der Fernsehapparat mit einem stolzen Anschaffungspreis von mehreren Monatslöhnen wurde zum Statussymbol.
- Teil 1: Schwierige Personalsuche
- Teil 2: Die Blütezeit des Radios
- Teil 3: Ein neues Medium meldet sich