"Stahlnetz: Dieser Fall ist wahr!"
"Der Polizeibericht meldet" startete am 5. Oktober 1953 im NWDR-Fernsehen. Die journalistisch konzipierte Reihe konfrontierte die Zuschauer mit der Realität von Verbrechen in der Bundesrepublik und sollte Aufklärung leisten. Jürgen Roland erklärte in einem zeitgenössischen Artikel, er wolle zeigen, "wie scharf die Waffe ‚Fernsehen‘ sein kann, wenn das Publikum zur Mitarbeit aufgefordert wird". Dementsprechend dokumentarisch präsentierte man die authentischen Fälle. Im Zentrum stand der bereits erwähnte Carl Breuer, der im Studiogespräch die Expertisen lieferte und die nachgestellten Szenen kommentierte. Dieses Konzept ging auf. "Der Polizeibericht meldet" wurde zu einem überragenden Erfolg und Kriminaldirektor "Kuddl" Breuer geradezu zu einem Fernsehstar.
Von "Dragnet" zu "Stahlnetz"
1956 reiste Roland im Auftrag des NDR in die USA. Die Zusammenarbeit von Rundfunk und Polizei sollte ausgebaut werden und der Blick über den Atlantik versprach neue Erkenntnisse. Roland fand sofort Inspiration - "Dragnet", eine Polizeiserie, die damals im US-Fernsehen lief, hatte ihn in ihren Bann geschlagen. Zwischen 1951 und 1958 ging der draufgängerische Sergeant Friday in Los Angeles auf Verbrecherjagd. Roland fand Gefallen an der Idee, einen Polizeikommissar als Fernsehhelden zu zeigen.
So begann er, nach dem amerikanischen Vorbild eine eigene, neue Krimi-Reihe zu entwickeln: "Stahlnetz". Doch "Stahlnetz" sollte "Dragnet" auf keinen Fall nur kopieren, auch wenn Roland die markante "Dragnet"-Titelmelodie von Ray Anthony bewusst übernahm. Vielmehr versuchte der Fernsehmacher das Genre für die deutschen Sehgewohnheiten zu adaptieren. Gezielt setzte er eigene inhaltliche Akzente.
"Die Polizei, dein Freund und Helfer!"
In den Mittelpunkt von "Stahlnetz" stellte Roland den Ermittler - nicht einen Actionhelden wie im amerikanischen Krimi, sondern einen deutschen Beamten, dem der Zuschauer bei der Verbrechensaufklärung folgen sollte. Für diesen Typus, der realistisch und sympathisch erscheinen sollte, war Carl Breuer ein wichtiges Vorbild, auch wenn er in "Stahlnetz" nicht mehr persönlich auftrat.
Während für den "Polizeibericht" lediglich erklärende Dialoge und Szenen entwickelt worden waren, entwarfen Menge und Roland für "Stahlnetz" ganze Spielhandlungen. Charakteristisch war dabei immer die Mischung aus Fakten und Fiktion.
Die erste "Stahlnetz"-Folge hieß "Mordfall Oberhausen". Sie wurde am 14. März 1958 ausgestrahlt - angekündigt allerdings noch unter dem Titel "Der Polizeibericht meldet". Die Übergänge der beiden Polizei-Reihen waren also fließend. 22 "Stahlnetz"-Folgen, zwei davon Doppelfolgen, wurden bis 14. März 1968 ausgestrahlt. Die einzelnen Filme waren unterschiedlich lang, sie reichten von 30 Minuten bis zu zwei Stunden. Jürgen Roland führte bei allen Sendungen Regie. Fast alle Drehbücher stammten aus der Feder von Wolfgang Menge, einzig die beiden letzten hatten mit Thomas Keck und Karl Heinz Zeitler Ko-Autoren. Populäre Schauspieler gaben sich in "Stahlnetz" ein Stelldichein, darunter Hannelore Elsner und Hellmut Lange.
Eine Serie mit Anspruch
Die "Stahlnetz"-Kommissare wechselten und waren allesamt frei erfunden. Im Ergebnis sollte der Zuschauer den Eindruck bekommen, dass sich jeder Verbrecher früher oder später im "Stahlnetz" des bundesrepublikanischen Polizeiapparats verfangen würde. Das Filmteam verband damit die pädagogische Hoffnung, dass das Publikum umso bereitwilliger Hinweise zur Verbrechensaufklärung liefert, je besser seine Meinung von den Gesetzeshütern ist.
"Ihre besondere Bedeutung aber erhält diese Sendung dadurch, dass im Mittelpunkt der Handlung nicht etwa das Verbrechen und der Verbrecher stehen, sondern die Kriminalpolizei und ihr Kampf gegen das Verbrechen. So ist denn stets das Fazit, unausgesprochen und doch deutlich genug, die alte und immer gültige Erkenntnis: Verbrechen lohnt sich nicht", schrieb Roland in der Zeitschrift "Fernsehen". Für dieses erklärte Ziel einer positiven Darstellung der deutschen Polizei erhielt Jürgen Roland 1986 das Bundesverdienstkreuz.
- Teil 1: "Echte Kriminalfälle" fürs Fernsehen
- Teil 2: "Die scharfe Waffe Fernsehen"
- Teil 3: Hoch-Zeit für Krimifans