Vom Experiment zur Institution
Bereits der erste "Abend für junge Hörer" war ein voller Erfolg. Am 7. Mai 1954 wartete das Hamburger UKW-Programm des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) mit einem für damalige Hörgewohnheiten unerhört bunten Freitagabendprogramm auf, mit "Quiz, Tanz und Hörspiel" speziell für jugendliche Hörer.
Der NWDR habe mit dieser neuen Sendereihe "einen Schuss ins Schwarze getan" und eine "frische Brise" ins Programm gebracht, lobte die sonst eher kritische Programmzeitschrift "Hör Zu". Im November 1954 meldete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" bereits eine durchschnittliche Hörerzahl von stattlichen 1,5 Millionen je "Abend". Und die für die Reihe verantwortliche Jugendfunk-Redaktion des NWDR konnte sich bald kaum noch vor begeisterten Hörerzuschriften und Anfragen nach Eintrittskarten für die monatlich ausgestrahlten Live-Sendungen retten: Der fulminante Auftakt einer bis ins Frühjahr 1990 andauernden Erfolgsgeschichte.
Der Jugendfunk - eine Baustelle
Initiator und hauptverantwortlicher Akteur der "Abende für junge Hörer" war der damals 34-jährige Wolfgang Jäger. Vier Jahre zuvor, im Frühjahr 1950 hatte der Absolvent der hauseigenen Rundfunkschule vom umtriebigen Albin Stuebs die Leitung des Jugendfunks und damit letztlich eine Baustelle übernommen. Die öffentliche Wertschätzung dieses Programmsegments war Anfang der 1950er-Jahre eher gering; allen Sonntagsreden über die Bedeutung solcher Sendungen für die Einbindung und Aktivierung der Jugend in der jungen bundesdeutschen Demokratie zum Trotz. In bemerkenswerter Missachtung der vom Jugendfunk angestrebten Zielgruppe, der sogenannten schulentlassenen Jugend zwischen dem 14. und 25. Lebensjahr, hielten nicht wenige Programmverantwortliche die Angebote des Schul- oder gar des Kinderfunks für ausreichend.
Gerade einmal 65 Minuten pro Woche wurden der Jugendfunk-Redaktion im Jahre 1952 in den Hörfunkprogrammen des NWDR für Sendungen an und über Jugendliche eingeräumt. Und das bei einer durchschnittlichen Wochenproduktion von immerhin rund 8.000 Sendeminuten, wie die Fachzeitschrift "Rufer und Hörer" kritisch vorrechnete. Bei den anderen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik fiel diese Bilanz sogar noch schlechter aus.
"Erwachsenenrundfunk für junge Leute"
"Der Jugendfunk muss auch Experimente wagen und stets ein Spiegel der geistigen, seelischen und sozialen Situation der Jugend sein", forderte "Rufer und Hörer" in diesem Zusammenhang und sprach damit Wolfgang Jäger aus dem Herzen. Ihm schwebte ein "Erwachsenenrundfunk für junge Leute" vor. Darin sollten alle Themen und Ausdrucksformen, die der Hörfunk zu bieten hatte, jugendgerecht aufbereitet werden, ohne dabei anbiedernd oder gar "berufsjugendlich" zu wirken. Auch sollten die Sendungen nicht nur eine jugendliche Selbstbeschau sein, sondern im besten Fall einen Dialog zwischen den Generationen in Gang bringen.
- Teil 1: Vom Experiment zur Institution
- Teil 2: Anspruchsvolle Zielgruppe
- Teil 3: Markenzeichen: Das Live-Hörspiel