Erinnerungen an die Anfänge
Unmittelbar nach dem Mauerfall
Das Spannende an den ausführlichen Zeitzeugen-Interviews ist, dass eine genaue Beurteilung der politischen Einflussnahme bei der Entstehung und Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den neuen Bundesländern erst in der Rückschau möglich ist.
Denn die faktische Wiedervereinigung des Rundfunks hatte unmittelbar nach dem Mauerfall begonnen, wie sich Gerd Schneider, Gründungsdirektor des NDR Funkhauses in Schwerin und Klaus-Peter Otto, Musikchef beim Hörfunk, erinnern.
Otto, zu DDR-Zeiten Redakteur bei der "Ferienwelle MV" in Rostock, baute Kontakte zum NDR auf. "Wir brauchen Hilfe! – Können wir bestimmte Kooperation anschieben?" So half der NDR mit technischem Gerät, und die Kollegen im Osten revanchierten sich. Nach der ersten freien Wahl im März 1990 strahlten sie auf den Frequenzen der "Ferienwelle MV" Programme von NDR 2 aus. Fragt man Klaus-Peter Otto nach Kooperationen, an die er sich besonders gern erinnert, nennt er sie ohne langes Nachdenken:
"Also da fällt mir der Tag der Deutschen Einheit selbst ein. Da haben wir gemeinsam mit den Kollegen von NDR 1 Welle Nord in Kiel ein Programm gestaltet, das in Schlutup an der ehemaligen Grenze stattfand. Und da haben wir die Vereinigung in dem Grenzort gefeiert als Radio Schlutup." Kollegen aus Kiel und Rostock haben Doppelmoderationen geliefert. Reporter waren jeweils im anderen, für sie noch fremden Gebiet unterwegs.
Am 1. Januar 1992 war der NDR in Mecklenburg-Vorpommern offiziell angekommen. Um null Uhr hatte das DDR-Fernsehen seinen Sendebetrieb eingestellt. Auf den Bildschirmen erschien das N3-Logo, dann wurden die "Schmidt-Show" von der Hamburger Reeperbahn und die in Rostock produzierte Sendung "Bi uns tu Hus" ausgestrahlt.
- Teil 1: Ein Drehbericht zu fünf Zeitzeugen-Gesprächen
- Teil 2: Nordostdeutscher oder Norddeutscher Rundfunk?
- Teil 3: Rundfunk nach Machtfragen organisieren
- Teil 4: Unmittelbar nach dem Mauerfall
- Teil 5: Der Alltag beginnt