Tischlerin kämpft für Mutterschutz bei Selbstständigen

Stand: 15.06.2023 15:05 Uhr

Die Tischlerin Johanna Röh aus Alfhausen hat mit einer Petition mehr als 100.000 Unterschriften gesammelt. Ziel: Selbstständige Schwangere und Mütter finanziell absichern. Im Bundestag ist das heute Thema.

von Susanne Schäfer

Neben den großen Maschinen in der Tischlerei steht die Spielzeug-Kiste von Tochter Mela. Die Einjährige ist oft mit ihrer Mutter in der Werkstatt. Auch den Gehörschutz kennt sie gut. Mehr Schutz wünscht sich auch Johanna Röh. Und zwar für Unternehmerinnen, wenn sie Mutter werden. Bei ihr persönlich hat die Schwangerschaft fast die Existenz des Unternehmens gefährdet. "Das ist ungerecht", sagt sie. Denn für ihre männlichen Kollegen sei es kein Problem, eine Familie und ein Unternehmen zu gründen.

Röh arbeitet trotz Schwangerschaft auf Baustellen

Ihre Tischlerei im ländlich gelegenen Alfhausen (Landkreis Osnabrück) hat Johanna Röh 2018 gegründet. Als sie 2021 schwanger wurde, hatte sie gerade hohe Investitionen getätigt. "Trotz Schwangerschaftssymptomen, unter denen ich eigentlich nicht mehr hätte arbeiten sollen, war ich weiter auf Baustellen." Denn anders als bei Angestellten, gelten viele Regeln für Selbstständige nicht. Es gibt zwar Praxisausfallversicherungen, die greifen aber nicht bei einer Schwangerschaft, kritisiert die Handwerkerin. Selbstständige können sich auch freiwillig über eine Zusatzversicherung einen Krankentagegeldanspruch sichern, aber das helfe auch nicht immer. Johanna Röh hat das beispielsweise nicht bekommen, weil die Berechnung noch in die Gründungsphase ihres Unternehmens fiel und das Krankengeld zu niedrig war.

"Mein Wunsch ist Chancengleichheit - dass wir die Firmengründung und die Familiengründung gleichzeitig machen können, ohne dadurch ein super großes Risiko einzugehen." Tischlerin Johanna Röh

Mutterschutzgeld und Betriebshilfe

Die Tischlermeisterin Johanna Röh arbeitet in einer Werkstatt. © NDR
Messen, sägen, Möbel bauen - auch in der Schwangerschaft musste Johanna Röh weiter arbeiten, um ihr Unternehmen nicht zu verlieren.

Als Mela geboren war, ging es mit den finanziellen Sorgen weiter. Denn auch beim Elterngeld seien Selbstständige benachteiligt. Um auf all diese Probleme aufmerksam zu machen, hat Johanna Röh vergangenes Jahr eine Petition gestartet. Die haben mehr als 111.000 Menschen unterzeichnet. Die 35-Jährige fordert ein solidarisches System für einen voll bezahlten gesetzlichen Mutterschutz. Alle Selbstständigen sollten dafür in den Topf einzahlen, aus dem Leistungen für Schwangere und Mütter finanziert werden. Außerdem wären Betriebshelfer eine gute Lösung. Die gibt es etwa auch in der Landwirtschaft. Eine Betriebshilfe kann beispielsweise praktische Arbeiten übernehmen, die Röh als Schwangere nicht mehr machen sollte.

Antrag der CDU/CSU im Bundestag

Heute steht ihr Anliegen im Bundestag auf der Tagesordnung. Nachdem der Petitionsausschuss einstimmig für eine Verbesserung ausgesprochen hat, beantragt die CDU/CSU nun, dass die Ampel-Regierung schnell einen Gesetzentwurf vorlegt. Der soll das Mutterschaftsgeld für Selbstständige verbessern. Bei den Ampel-Parteien dürfte die CDU offene Türen einrennen. Vergangenes Jahr hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bereits deutlich gemacht, dass sie den Mutterschutz für Selbstständige verbessern will.

Ministerium will besser über Absicherungsmöglichkeiten informieren

Am 23. Mai wurde der Aktionsplan "Mehr Unternehmerinnen für den Mittelstand" veröffentlicht. Wie eine Sprecherin mitteilte, ist ein Ziel des Aktionsplans, die Rahmenbedingungen für Gründerinnen und selbständige Frauen zu verbessern, unter anderem durch mehr Informationen über Absicherungsmöglichkeiten für die Zeit des Mutterschutzes und eine Ideensammlung zur möglichen Einführung eines Mutterschutzes für weibliche Selbständige. Wie genau werde derzeit vom Familienministerium in Austausch mit anderen Ressorts geprüft, so die Sprecherin.

Selbstständige Mütter wollen Gleichberechtigung

Auf einem Holzschild steht "Solange ich mich zwischen Schwangerschaft und Selbstständigkeit entscheiden muss, weil ich mir beides nicht leisten kann, bin ich Feministin." © NDR Foto: Susanne Schäfer
Auch politisches Engagement zählt inzwischen zum Handwerk von Johanna Röh. Das zeigt dieses Schild in ihrer Tischlerei.

Für Johanna Röh und ihre Mitstreiterinnen ist das ein großer Erfolg: "Es ist total schön, dass das endlich aufgegriffen wird in der Politik und es ist auch gut, dass es parteiübergreifend passiert. Uns ist wichtig, dass es um die Sache geht." Der Antrag der CDU sei ein erster guter Schritt und zeige, dass das Problem erkannt wurde.

Weitere Informationen
Die Tischlermeisterin Johanna Röh arbeitet in einer Werkstatt. © NDR

Debatte im Bundestag: Rechte im Mutterschutz für Selbständige

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Osnabrück | 15.06.2023 | 15:00 Uhr