Uschi Jonas, Leiterin Correctiv.Faktencheck © Correctiv Foto: Ivo Mayr
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AUDIO: Correctiv-Leiterin Jonas: "Faktencheck ist keine Zensur" (7 Min)

Correctiv-Leiterin: Zuckerberg hielt Faktenchecks einst für wichtig

Stand: 09.01.2025 07:29 Uhr

Meta-Chef Mark Zuckerberg hat angekündigt, künftig auf Faktenchecks auf seinen Social Media-Plattformen zu verzichten. Eine Aussage, die Uschi Jonas von der Correctiv-Faktencheck-Redaktion mehr als irritiert.

Mit den Worten "get rid of fact checking", also in etwa "lasst uns das Faktenchecken loswerden", hat Meta-Chef Mark Zuckerberg erklärt, künftig eben darauf zu verzichten. Für Uschi Jonas von der unabhängigen Faktencheck-Redaktion Correctiv kommt das nicht nur überraschend. Zuckerberg selbst verdreht dabei auch einige Fakten, wie sie im Interview auf NDR Kultur erklärt.

Frau Jonas, die Ankündigung klingt so, als wolle Zuckerberg eine lästige Plage loswerden. Wie haben Sie diese Formulierung empfunden?

Uschi Jonas: Sehr kritisch und natürlich ein bisschen wie ein Schlag ins Gesicht. Seine Ausführungen entsprechen aus unserer Sicht auch überhaupt nicht der Realität. Das fängt schon damit an, dass wir nicht Faktenchecker für Meta sind, sondern bis zum jetzigen Zeitpunkt als unabhängige Redaktionen eine Kooperation mit Meta besteht. Wir sind auch über die gewählten Worte sehr überrascht.

Dieses Faktchecking machen Sie unter anderem gemeinsam mit der dpa. Wie genau sieht denn die Beziehung zu Meta aus?

Jonas: Unsere Kooperation besteht tatsächlich schon seit 2017. Seitdem sind wir Teil des sogenannten Programms "Third-Party Fact-Checking". Das bedeutet, dass wir mit sehr vielen Faktencheck-Redaktionen auf der ganzen Welt, die sich höchsten journalistischen Standards verpflichtet haben, unsere Faktencheck-Arbeit betreiben. Diese Kooperation basiert darauf, dass wir unabhängig von Meta Themen auswählen, die wir als potenziell gefährlich erachten, die sehr viral sind und von denen wir glauben, dass es wichtig ist, Faktenchecks zu veröffentlichen.

Wie sieht das genau aus?

Jonas: Wenn wir die Themen identifiziert und die Fakten gecheckt haben, schreiben wir unabhängig diese Faktenchecks. Die gehen dann durch verschiedene Redigaturschleifen und legen sehr transparent Quellen offen. Diese Faktenchecks verlinken wir dann auf Meta mit dem entsprechenden Beitrag und einem Warnhinweis. Die User bekommen dann eine Art Warnhinweis, der sagt "Achtung, laut unabhängiger Faktenredaktion liegt hier eine Falschinformation vor." Dann kann man sich weiterklicken und den Faktencheck durchlesen. Oder man klickt dieses Label einfach weg und kann sich trotzdem den Beitrag ansehen. Diese Beiträge mit dem Label werden dann auch in der Reichweite eingeschränkt. Aber sie werden niemals auf Grundlage eines Faktencheckartikel gelöscht. Außerdem hat Meta in keiner Weise vorgeschrieben, zu welchen Themen wir recherchieren. Das entscheiden wir unabhängig und genau für diese Kooperation erhalten wir eine Vergütung.

Gehen wir mal ein Beispiel durch: Jemand behauptet, ein öffentlicher-rechtlicher Sender hätte sich eine Falschmeldung ausgedacht, um einen Podcast am Markt zu platzieren. Muss das erst jemand bei Ihnen melden? Oder finden Sie den selber, wenn das ein erfolgreicher Post ist? Was passiert dann?

Jonas: Solche Themen erreichen uns auf unterschiedlichen Wegen. Zum einen haben wir ein sehr groß ausgebautes Social Media-Monitoring, das unsere Faktencheckerinnen und Faktenchecker betreiben. Da haben wir Themen im Blick und schauen, ob da eine potenzielle Falschbehauptung dabei ist. Es ist aber auch so, dass uns jeder und jede potenzielle Themen schicken kann, die wir uns anschauen sollen. Dann entscheiden wir, ob wir glauben, dass es dazu einen Faktencheck braucht. So beziehen wir Einsendungen von Bürgerinnen und Bürgern mit ein in unserer Arbeit.

Nun hatte Mark Zuckerberg angekündigt, er wolle das in den USA abschaffen. In der EU gelten andere gesetzliche Richtlinien. Ist das überhaupt praktikabel, Ländergrenzen in digitalen Netzwerken hochzuziehen?

Jonas: Ich denke, dass das diejenigen final beurteilen müssen, die sich da am besten auskennen. Aber was man natürlich sagen kann, ist, dass das Programm erstmal in den USA auslaufen soll. Wir gehen natürlich sehr stark davon aus, dass das dann auch international fortgesetzt wird. Es gibt noch den "Digital Services Act", der vorsieht, dass die sehr großen Social Media-Plattformen etwas gegen Desinformation tun müssen. Es wird sich zeigen, ob das dazu führt, dass in der EU das Programm so nicht eingestellt werden kann. Aber die Formulierung ist da sehr vage, weil es da nur heißt, dass ausreichend etwas getan werden muss, um Desinformationen auf der eigenen Plattform vorzubeugen.

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Knickt Mark Zuckerberg gerade vor den Drohungen von Elon Musk und Donald Trump ein? Oder ist das seine immer schon geltende Vorstellung von freier Meinungsäußerung?

Jonas: Das ist natürlich sehr schwer zu beurteilen. Aber er war auch in charge, als damals das Programm gestartet wurde - und das war zu Zeiten der ersten Amtszeit von Donald Trump. Damals hielt er das Programm offensichtlich noch für wichtig, jetzt nicht mehr. Deshalb ist es natürlich durchaus verwunderlich. Auch dass Zuckerberg sagt, dass die Abschaffung von Faktenchecks etwas mit Meinungsfreiheit zu tun hat. Aus unserer Sicht hat Faktencheck-Arbeit überhaupt nichts mit der Einschränkung von Meinungsfreiheit zu tun. Ganz im Gegenteil: Das Verbreiten von Desinformation und Unwahrheiten ist keine Meinung. Wir wollen mit unseren Checks lediglich Fakten liefern, auf deren Grundlage sich dann jede und jeder seine eigene Meinung bilden kann. Auch betreibt Faktencheck-Arbeit keine Zensur. Wie schon erklärt, werden Beiträge, die vom Faktencheck gelabelt werden, nicht gelöscht und damit auch nicht zensiert.

Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.

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NDR Kultur | Der Nachmittag | 08.01.2025 | 16:45 Uhr

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