Breaking in Hamburg: 15-Jährige begeistert alle - und träumt von Olympia
Hip-Hop-Beats, coole Köpfe und herausragende Tänzer – das ist Breaking. Ab nächstem Jahr olympisch. In Hamburg stieg am Sonnabend das letzte von sechs "Ranking-Battles" des Deutschen Tanzsportverbandes. Es ebnet den Weg zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris.
Jetzt wird es ernst, Melina Fernandez pustet sich in die Hände. Die 15-Jährige steht im Finale, gegen ihr großes Idol Sanja Jilwan Rasul (31), genannt "Jilou", die amtierende deutsche Meisterin. Die Düsseldorferin Melina und die Berlinerin Jilou haben sich auf dem Heiligengeistfeld gegen ihre Konkurrentinnen durchgesetzt, nun entscheidet das Duell über den Turniersieg. Die beiden umarmen sich vor dem ersten Beat, denn das gehört zur Szene: Coolness, Fairness, ein guter Ton. Jilou startet mit ihrer Performance, Melina folgt.
Beide B-Girls zeigen spektakuläre Moves, springen, drehen sich, auch auf dem Kopf. B-Girls und B-Boys, so nennen sich die professionellen Breakerinnen und Breaker. Das was die Sportlerinnen durch die Musik fühlen, bringt ihr Körper zum Ausdruck. "Das Breaking gibt einem als Frau enorm viel Selbstbewusstsein und Kraft, auch auf der Straße", erzählt Jilou. Vier bis fünf Minuten dauert ein Duell und umfasst drei Runden. Der DJ legt denselben Beat für die Konkurrentinnen auf, die selbst nicht wissen, was sie erwartet.
Über Hamburg in den Bundeskader
Es geht beim Breaking beileibe nicht nur um die sportlich anspruchsvollen Bewegungen des Körpers, sondern auch um Ausstrahlung. Klassische Sportkleidung gibt es nicht, jeder tritt individuell im Stile des Hip Hop auf: Weite Hosen und Shirts, Mützen und angesagte Turnschuhe gehören zur Ausstattung von Breakerinnen.
Bei dem Event in Hamburg gab es neben jeweils 1000 Euro Preisgeld für die beiden Sieger auch Punkte für die Rangliste, aus der sich bei den B-Girls und B-Boys der deutsche Olympia-Breaking-Kader ergibt. Nach den deutschen Meisterschaften in Duisburg (8./9. Juli) steht fest, welche insgesamt 16 Tänzerinnen und Tänzer dazugehören.
Aufgrund der Gewitter über Hamburg musste das Event dreimal unterbrochen werden. Kurz vor Mitternacht heißt es: Zittern. "Drei, zwei, eins", zählt der Moderator zusammen mit den Fans runter. Auf einem Bildschirm erscheinen die Wertungen der beiden Tänzerinnen: Melina hat gewonnen.
"Jilou ist mein Idol, sie ist wie meine große Schwester." Melina Fernandez, B-Girl
Jilou fällt ihr in die Arme, gratuliert fair. In der deutschen Rangliste ist die Berlinerin Erste, Melina Zweite, beide haben genug Punkte für den Bundeskader gesammelt. Melina reckt ihre Faust in den Abendhimmel von Hamburg und ist ein wenig überwältigt.
"Jilou ist mein Idol, sie ist wie meine große Schwester, ich hätte niemals gedacht, dass heute schon der Tag ist, an dem ich gegen sie gewinne." Damit will sie ihre Leistung aber keineswegs schmälern: "Ich meine schon, dass ich sehr stark war, aber sie hätte definitiv auch die Chance gehabt gegen mich zu gewinnen."
Das Breaking in Deutschland befindet sich im Aufwind. Die Kultur und eine sportlich ernstzunehmende Szene haben sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Bundestrainer Marco Baaden ist stolz: "Wir haben bei drei Weltmeisterschaften zwei Mal Bronze geholt, wir sind bei den European Games qualifiziert, da treten nur die besten 16 Europäer an. Ich denke unsere Chancen bei Olympia sind auf jeden Fall ganz gut."
"Unsere Chancen bei Olympia sind auf jeden Fall ganz gut." Marco Baaden, Bundestrainer
Der 38-Jährige war unter dem Namen "Mallekid" selbst viele Jahre aktiver Breaker. Als Bundestrainer ist er seit der Aufnahme des Sports ins Olympiaprogramm vor zweieinhalb Jahren damit betraut, die besten Athletinnen und Athleten zu finden. Beim Wettkampf der Männer setzt sich in Hamburg Serhat Perhat aus Unterhaching, genannt "Said", im Finale gegen den Augsburger Vladimir "Cicov" Nevelski durch.
Teilnehmer und Zuschauer in Hamburg sind sich einig: Dass Breaking olympisch wird, ist der richtige Schritt. "Der künstlerische Aspekt wird die Olympischen Spiele bereichern", findet ein Teilnehmer. Ein anderer spricht von Breaking als "hochathletische Geschichte", die es verdient hat.
Der Traum von Olympia – ein steiniger Weg
Doch nur 32 B-Girls und B-Boys aus aller Welt dürfen im nächsten Sommer in Paris um Medaillen kämpfen, je 16 Frauen und Männer. Maximal zwei dürfen aus derselben Nation kommen. Der Auswahlprozess ist extrem hart. Trotz der aufsteigenden Begeisterung sind Nationen wie dem Herkunftsland des Breaking, die USA, aber auch Gastgeber Frankreich sowie Japan und Korea den Deutschen Breakern um einiges voraus.
Steinig wird er noch, der Weg nach Paris. Überraschend wäre, wenn das deutsche Team sich in der kommenden Woche bei den European Games in Polen oder im September bei der WM in Belgien durch einen Sieg einen Startplatz für Olympia sichert. Eine ausreichende Platzierung in der Weltrangliste ist wahrscheinlicher. Auch über ein internationales Ranking-Battle im kommenden Jahr können sich die Breakerinnen und Breaker noch qualifizieren.
Vielleicht sind auch Melina und Jilou dabei. Sie sind zumindest die deutschen Hoffnungsträgerinnen. Für die 15-jährige Siegerin ist mit dem Triumph auf dem Heiligengeistfeld bereits ein Traum in Erfüllung gegangen: "Ich stehe im Bundeskader!", strahlt Melina Fernandez.