Tennis-Pokerface Noma Noha Akugue: Ein Versprechen für die Zukunft
Noma Noha Akugue ist 19 Jahre jung, kommt aus Reinbek bei Hamburg - und hat beim Turnier am Rothenbaum als Finalistin für Furore gesorgt. Eine neue deutsche Tennis-Hoffnung? Auf jeden Fall will sie am Rothenbaum erste Siegerin seit Steffi Graf werden.
Für einen Moment wenigstens wollte sie ihre Ruhe haben. Als das Match nach ordentlicher Gegenwehr verloren war, hängte sich Noma Noha Akugue ein Handtuch über den Kopf und trottete schnurstracks zu ihrem Platz am Rande des roten Sandes am Rothenbaum. Doch diesmal waren es keine Tränen, welche die 19-Jährige verbergen wollte.
Anders als beim Durchmarsch ins Finale ihres ersten Turniers auf der WTA-Tour. "Dass ich verloren habe, ist natürlich schade", sagte sie. "Aber ich habe die Atmosphäre auf dem Platz mega genossen."
"Pokerface" kann auch lachen
Den Triumph vor Augen, flatterten die Nerven - zumindest im zu null verlorenen ersten Satz. Die weitaus größere Erfahrung der Niederländerin Arantxa Rus obsiegte letztlich, obwohl die 32-Jährige danach in ihrem gleichfalls ersten WTA-Finale einigermaßen schuften musste, ehe sie im 126. Versuch ihren ersten WTA-Titel mit 6:0, 7:6 (7:3) unter Dach und Fach gebracht hatte.
Die Herzen aber flogen der Lokalmatadorin zu, die ihr Pokerface gegen ein strahlendes Lächeln eingetauscht hatte und als Lohn der beeindruckenden Turnierwoche 17.590 Euro und einen Sprung in der Weltrangliste von Platz 207 auf 142 verbuchen konnte. "Die Aufmerksamkeit zu bekommen ist schön. Ich genieße das mega", sagte sie.
Japanerin Osaka ist ihr Vorbild
"Mega" war das Wort des Tages - und ein Lächeln gehörte wie selbstverständlich dazu. Obwohl doch ein eher emotionsloser Gesichtsausdruck ihr Markenzeichen sein soll, wie bei ihrem Vorbild, Naomi Osaka. "Sie hat das gleiche Pokerface wie ich beim Tennisspielen", hat die am 2. Dezember 2003 geborene Reinbekerin stets zu Protokoll gegeben.
Die derzeit pausierende Japanerin hat vier Grand Slams gewonnen - und das will Noha Akugu auch irgendwann. Vorerst aber wäre sie schon zufrieden, ihre "mega" Leistung zu bestätigen und möglichst bald am Rothenbaum den Titel zu holen. Als erste Spielerin seit Steffi Graf vor 31 Jahren. "Das wäre ein Traum", erzählte sie und fügte grinsend hinzu: "Und wenn ich mit meinem Sport Geld verdienen könnte."
Erst Wildcard, dann Finale
Märchen? Wunder? So wurden ihre Siege in der Woche am Rothenbaum beschrieben. Doch wird das den teils grandiosen Auftritten der ersten Hamburg-Finalistin seit Andrea Petkovic 2021 gerecht? Eine Riesenüberraschung würde es bestimmt trefflicher beschreiben. Vielleicht sollte man gar den mitunter überstrapazierten Superlativ Sensation bemühen.
Auf jeden Fall wisse sie jetzt, dass sie zu den Besten gehöre. "Das hat sie auch verdient", sagte Turnierbotschafterin Petkovic: "Noma hat sich in den letzten Wochen enorm verbessert."
"Sie arbeitet wahnsinnig an sich." Bundestrainerin Barbara Rittner
Dabei war sie schon froh darüber, als WTA-Turnierneuling (wenn auch nur dank Wildcard) im Hauptfeld dabei zu sein. Ein besonderer Glücksfall für sie, aber auch für das Turnier, das auf tatsächlich wundersame Weise eine durchstartende Lokalmatadorin bekam.
Nervenstark zu reüssieren und prompt auf direktem Weg ins Finale zu stürmen, war eine Topleistung, die Fans und Experten von einer großen deutschen Tennis-Hoffnung schwärmen lassen. "Es freut mich besonders", so Bundestrainerin Barbara Rittner, "weil Noma eine von den jungen Spielerinnen ist, die wahnsinnig an sich arbeiten."
"Ich weiß, dass ich Talent habe"
Sie ist schnell, außerordentlich beweglich, nervenstark und bereit, viel für den Erfolg zu investieren. "Ich weiß, dass ich Talent habe", sagte sie, "aber es gehört sehr viel Arbeit dazu." Schon als Dreijährige hatte ihr Vater Roland Obazelu, der ein glühender Steffi-Graf-Fan war, sie zum Kindergarten-Tennis geschickt. Auch für das ausgeprägte Bewegungs- und Koordinationstalent der 1,70 großen Spielerin mag der frühere Leichtgewichts-Profiboxer, der mit Partnerin Miriam einst aus Nigeria nach Deutschland gekommen war, die Grundlagen gelegt haben.
Ein neues Niveau erreicht
Ihr Faible fürs Tanzen hilft ihr zudem, leichtfüßig auf dem Court zu agieren, was die Zuschauer mitunter frenetisch feierten. In den vergangenen Monaten hat sie zudem fleißig an der Physis gearbeitet, nachdem ihre quälenden Schulterprobleme endlich ausgeheilt waren. Auch die Arbeit mit dem deutsch-iranischen Coach Benjamin Ebrahimzadeh, der schon Angelique Kerber trainiert hat, habe die Linkshänderin auf ein neues Niveau gehoben, sagt Rittner im "Hamburger Abendblatt". "Leider steht Benny nun nicht mehr zur Verfügung, weil er sich zu 100 Prozent auf den Österreicher Dominic Thiem konzentriert."
Am Rothenbaum haben Rittner und Mentorin Petkovic ("Noma sieht, dass sich die harte Arbeit lohnt") die Aufgaben übernommen. Beide kennt sie und hat Vertrauen zu ihnen, was meist einige Zeit bei ihr braucht um zu wachsen. "Ich weiß nicht, warum ich gerade so gut spiele", sagte Noha Akugue, "es ist mir aber auch egal." Vielleicht ist es dieses Laissez-faire, das ihre Nervenstärke begründet und sie gleich mehrere Matches drehen ließ.
Noha Akugue vor dem Sprung in die Weltspitze?
Erfahrungen, die sie noch stabiler und selbstbewusster machen werden, glaubt Rittner. "Sie ist unheimlich fleißig. Wir wussten, dass sie das Potenzial hat, auf der Tour erfolgreich zu spielen, aber dass es jetzt so schnell ging, überrascht mich." Ihre mächtigen Grundschläge sind ein Pfund, das die Gegnerinnen vor unlösbare Aufgaben stellen kann.
Auf der anderen Seite gilt es aber, die Achterbahnfahrt ihrer Leistungen abzustellen. Sportliche Ausrufezeichen, die den Sprung in die Weltspitze verheißen, wechselten mitunter viel zu oft mit schlechten Vorstellungen.
Noch einiges rauszuholen
Konstanz ist gefragt, was Rittner im "Abendblatt" als Zielvorgaben umschreibt: "Noma kann definitiv ihren Aufschlag verbessern, da ist einiges rauszuholen. Außerdem muss sie lernen, ihr offensives Spiel nicht nur von der Grundlinie aufzuziehen, sondern sich auch zuzutrauen, ans Netz zu gehen, um dominanter aufzutreten", so die Bundestrainerin.
Anschauungsunterricht gab es im Endspiel von Hamburg. "Am Rothenbaum will ich auch noch gewinnen", sagte Noma Noha Akugue - und die Zuschauer skandierten wieder lautstark ihren Namen.