Reiterinnen von Regeln ausgebremst: "Die Babys kriegen nun mal die Frauen"
Die Initiative "EqualEquest" von Janne Friederike Meyer-Zimmermann kämpft gegen die Benachteiligung von Frauen im Reitsport. Bislang sehen die Regeln vor, dass Reiterinnen alle Weltranglistenpunkte verlieren, wenn sie ihre Babypause nicht einhalten.
Janne Friederike Meyer-Zimmermann ist sauer. Weil sie ihre Schwangerschaftspause von sechs Monaten nicht eingehalten hat, wurden der Springreiterin aus Hamburg vom internationalen Reitsportverband FEI sämtliche Weltranglistenpunkte gestrichen. "Bis zu dieser Regel habe ich immer gedacht, im Reitsport gibt es Diversität", so die 41-Jährige. Stattdessen wird die Karriere von Frauen ausgebremst, wenn sie Kinder kriegen. Meyer-Zimmermann will ihren Fall nicht auf sich beruhen lassen. Sie hat die Initiative "EqualEquest" gegründet - und hofft mit ihren namhaften Mitstreiterinnen auf ein Umdenken der Regelhüter.
Auch Michaels-Beerbaum und von Bredow-Werndl protestieren
Bislang habe es allerdings noch keine Reaktion des Verbandes gegeben, sagt Meyer-Zimmermann im Gespräch mit dem NDR. "Leider. Aber ich denke, mit der Unterstützung von außen, wird es sicherlich so sein, dass die FEI über die Regeln noch mal nachdenkt und sie anpasst. Das würde uns allen helfen."
Zu ihren Unterstützerinnen zählen neben Para-Dressurreiterin Gianna Regenbrecht unter anderen die Doppel-Olympiasiegerin in der Dressur, Jessica von Bredow-Werndl, die in wenigen Wochen ihr zweites Kind bekommt und dann womöglich selbst betroffen sein könnte, sowie die dreifache Spring-Weltcupsiegerin Meredith Michaels-Beerbaum. "Für sie wurde diese Regel einst erfunden", so Meyer-Zimmermann. "Aber es war eben nicht zu Ende gedacht."
Diversitätsforscherin Rulofs: "Hut ab" vor diesem Engagement
Je bekannter "EqualEquest" in der Öffentlichkeit wird, desto mehr wächst das Unverständnis über das fragwürdige Regelwerk. "Es kann ja nicht sein, dass man Frauen dafür bestraft, dass sie eine Babypause hatten und früher wieder zurückgekehrt sind als angekündigt", sagt die Diversitätsforscherin Bettina Rulofs dem NDR. Vielmehr gebühre ihnen Anerkennung, dass sie die Doppelbelastung schultern, Kinder großzuziehen und noch sportlich aktiv zu sein.
Eigentlich nicht hinnehmbar sei, dass Meyer-Zimmermann die Möglichkeit genommen werde, ihren Sport auf der Ebene weiterzuführen, auf der sie ihn vor der Babypause betrieben hat. "Dass sie sich auch noch mit einer Kampagne reinhängen muss, damit sich die Situation verändert - Hut ab", so die Professorin von der Kölner Sporthochschule.
Gleichberechtigung mit dickem Fragezeichen
Im Reitsport treten Frauen und Männer gegeneinander an - auch bei Olympia, was der Sportart eine gewisse Sonderstellung gibt. Die Gleichbehandlung hört aber auf, wenn eine Reiterin schwanger ist und deshalb eine Pause einlegt. Dann nämlich verliert sie 50 Prozent ihrer Weltranglistenpunkte, die immerhin Grundlage sind für die Starterlaubnis bei internationalen Turnieren. Den Regeln gemäß wird sie wie kranke oder verletzte Reiterinnen und Reiter behandelt, die zu den gleichen Bedingungen zwischen sechs und zwölf Monate vom Turniersport abwesend sein können. Allein das sei schon ein Nachteil für Frauen, die ja weder krank noch verletzt seien, wie es auf der Website von "EqualEquest" heißt.
Babypause zu kurz: Absturz in der Rangliste
Gravierend aber wird es, wenn die vorher angekündigte Pause (wahlweise sechs oder zwölf Monate) nicht eingehalten wird, was Meyer-Zimmermann mit ihrem Start im März in Oliva (Spanien) - knapp zwei Monate nach der Geburt ihres Sohnes Friedrich - getan hat. Die Folge: Weil sie zu früh wieder im Sattel saß, wurden ihr von der FEI auch die übrigen 50 Prozent ihrer Weltranglistenpunkte gestrichen.
"Nach dem irrsinnigen Punkteverlust bin ich von Weltranglistenplatz 107 auf Rang 270 abgerutscht und muss mich jetzt langsam wieder hochkämpfen", so die mehrfache deutsche Meisterin sowie Europa- und Weltmeisterin mit der deutschen Equipe. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Christoph betreibt sie zudem den Reiterhof Waterkant in Pinneberg.
Reiterinnen wollen Flexibilität und Selbstbestimmtheit
"Wir wünschen uns mehr Flexibilität ohne den Verlust von Ranglistenpunkten", sagt Meyer-Zimmermann. Aber, so heißt es im Grundsatzpapier der Initiative "EqualEquest": "Das Recht auf eine flexible Pause von vier bis zwölf Monaten soll nur im Falle einer Schwangerschaft bestehen und damit lediglich den geschlechtsspezifischen Nachteil von Frauen ausgleichen."
Kurzum: Die geschlechtsbezogenen Nachteile von Frauen im Spitzensport gehörten abgeschafft. "Die Babys kriegen nun mal die Frauen", sagt Meyer-Zimmermann, "und dementsprechend brauchen wir da auch eine kleine Unterstützung, wenn wir schwangerschaftsbedingt eine Auszeit nehmen."