Leon Schäfer jubelt mit Deutschlandfahne über sein WM-Gold. © IMAGO / Mika Volkmann

Para-Weitspringer Schäfer: Weltrekord und Star-Potenzial

Stand: 11.07.2023 11:46 Uhr

Er wollte Fußballer werden, springt mit einem Kopftuch wie ein Rapper und hat Werbeverträge: Weitspringer Léon Schäfer besitzt Star-Potenzial. Bei der Para-Leichtathletik-WM in Paris gewann der gebürtige Hannoveraner Gold mit Weltrekord.

Vor nicht allzu langer Zeit saß Schäfer bei Fußballspielen noch etwas schwermütig vor dem Fernseher. Vor allem, wenn Julian Brandt spielte. Der ist ein Jahr älter und kickte wie er einst in der Bremen-Auswahl. Heute ist Brandt ein Star bei Borussia Dortmund und Nationalspieler. Schäfers Traum hingegen endete mit 13. Nach einer Knochenkrebserkrankung musste ihm der rechte Unterschenkel mitsamt Knie amputiert werden.

Wenn er Brandt zusehe, sage er sich oft, "dass das auch mal mein Traum war", erzählte Schäfer einmal. Heute ist die geplatzte Karriere als Fußball-Profi ganz weit weg. Und der 26-Jährige trauert ihr auch nicht mehr nach. "Das Thema ist durch und nicht mehr in meinem Kopf", sagte er nach seinem Gold-Sprung bei den Para-Weltmeisterschaften der Leichtathleten in Paris. "Die Liebe zum Fußball ist verloren gegangen. So, wie er sich in den letzten Jahren entwickelt hat, juckt es mich nicht mehr, dass es so gelaufen ist."

"Gemalter sexiest man alive"

Die Abnabelung fiel ihm auch deshalb so leicht, weil er längst seine zweite sportliche Liebe gefunden hat: die Leichtathletik. Und hier vor allem den Weitsprung. Am Montag holte er mit dem Weltrekord-Sprung von 7,25 Metern im letzten Versuch zum zweiten Mal WM-Gold. Und für den deutschen Behindertensport ist Schäfer längst viel mehr als ein Medaillenlieferant. Er ist ein Aushängeschild mit absolutem Star-Potenzial.

"Ich hätte safe noch mehr drin gehabt. Ist egal - das holen wir im nächsten Jahr raus." Leon Schäfer nach seinem WM-Gold

Für seinen Mentor, den 2012er-Paralympicssieger Heinrich Popow, ist er "ein gemalter sexiest man alive", DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher nennt ihn schmunzelnd "eine wunderbare Granate". Der Athlet sei "ein Charming Boy mit unwahrscheinlichem Leistungspotenzial. Wenn er durch die Luft läuft, ist das für jedes Sportfoto des Jahres gut".

Der gebürtige Hannoveraner und in Bremen aufgewachsene Schäfer müsse nie ausdrücklich über Inklusion reden, betonte Popow: "Er kommt über seine Ausstrahlung und Leistungsfähigkeit. Er verkörpert einfach Leistungssport und trägt das auch in die jüngere Generation."

Werbe-Ikone mit Tattoo und Kopftuch

Gerade da kommt der Sportler gut an. An der Seite der Fußball-Stars Mario Götze und Leroy Sané ist er ein Werbe-Gesicht für Nike. Am Montag sprang er mit einem Durag, einem Kopftuch, wie es Rapper wie 50 Cent oder LL Cool J tragen. "Die Haare sind zu lang und ich bin zu faul, sie zu stylen", sagte er lachend und erklärte seine Tattoos: "Eine Kriegerin auf dem Oberarm mit zwei Engeln links und rechts. Die Kriegerin ist meine Mum, die Engel sind meine Schwestern. Oberhalb des Brustbeins unter dem Kehlkopf habe ich eine Sonne, die bedeutet: Immer auf die sonnige Seite des Lebens schauen. Und auf dem Unterarm trage ich Phönix aus der Asche. Das habe ich mir erst kürzlich machen lassen."

Lektion aus Tokio gelernt

Die Paralympics 2021 in Tokio haben sich für ihn nämlich angefühlt wie eine Niederlage. Silber hatte er gewonnen, mit fünf Zentimetern Rückstand. Aber er hatte als sicherer Gold-Kandidat gegolten. "Das hat mir gezeigt, dass ich nicht zu überheblich sein darf", gab er offen zu: "Und es hat mich noch hungriger gemacht. Ich wollte den aufkommenden Selbstzweifeln das Maul stopfen. Ich muss weiter mit Selbstsicherheit rangehen. Es darf nur nicht ins Überhebliche abdriften. Ich muss immer meinen Fokus behalten. Diese Lektion habe ich gelernt."

Montag auch WM-Gold im 100-m-Sprint?

In Paris zeigte er Nervenstärke. Nach zwei ungültigen Versuchen zum Start stand er vor dem Aus, der Siegsprung gelang im sechsten Versuch. "Schon beim Anlauf habe ich gespürt: Jetzt ist Showtime!", verriet er hinterher erleichtert. Zum Abschluss am kommenden Montag geht er im letzten Wettkampf der WM noch über 100 Meter an den Start.

Das Ziel auch dort: Gold. "Ich habe hier die erste Goldmedaille für Deutschland geholt, ich hole auch die letzte. Das wäre ein schönes Märchen", so Schäfer. "Und wenn ich das dann nächstes Jahr bei den Paralympics holen könnte, wäre das eine dicke Nummer. Das wäre echt filmreif." Wie sein ganzes Leben und seine zwei Lieben zum Sport.

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Leon Schäfer springt bei der Para-WM in Paris zu Gold. © IMAGO / Mika Volkmann

Para-WM: Weitspringer Schäfer holt Gold mit Weltrekord

Der gebürtige Niedersachse verteidigte bei den Titelkämpfen der Para-Leichtathleten in Paris seinen Titel erfolgreich. Mehr bei sportschau.de. extern

Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 11.07.2023 | 04:17 Uhr

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