Hamburg-Marathon: Haftom Welday will Olympia-Ticket lösen
Haftom Welday hat seit ein paar Monaten den deutschen Pass und könnte bei Olympia 2024 in Paris im Marathon starten. In Hamburg will der einst aus Äthiopien geflüchtete Läufer die Norm schaffen, damit aus seinem Traum Realität wird.
Er spricht von Meilensteinen - dabei waren es wohl eher Felsbrocken, die sich auf dem Weg zum Traumziel Olympia vor Haftom Welday aufgetürmt haben. Und doch scheint das Ticket für die Olympischen Spiele in Paris 2024 nun nur noch einen Stolperstein entfernt zu sein. Der gebürtige Äthiopier will es beim Hamburg-Marathon an diesem Wochenende endgültig lösen.
"Ich werde alles dafür geben, dass der Traum Realität wird." Haftom Welday
Ein filmreifes Szenario, das mit einer gefährlichen Flucht vor Krieg und Gewalt in seiner Heimat Tigray im Nordosten Afrikas im Jahr 2014 begann. Das von einer Odyssee durch die Sahara und im Boot übers Mittelmeer erzählt, von allerlei glücklichen Zufällen und einem leidenschaftlichen Fußballer, der schließlich seine Passion im stundenlangen Laufen findet. Ein Stoff mit der Chance auf ein Happy End in der französischen Hauptstadt - zehn Jahre später.
Laufen - das Gefühl von Freiheit
"Ich danke Gott, dass ich diese Reise überlebt habe", sagt der 33-Jährige, der nach ersten Jahren im niedersächsischen Pattensen mit Ehefrau Brtokan, Sohn Mateus und den Zwillingsmädchen Hana und Hyab inzwischen in Hamburg heimisch geworden ist und sein neues (sportliches) Leben bisweilen kaum fassen kann. "Wenn ich laufen gehe, fühle ich mich frei", sagte er dem NDR und verhehlte dabei nicht, wie dankbar und glücklich ihn das mache: "Das ist unbezahlbar für mich."
Mit 15-Euro-Turnschuhen fing alles an
Dabei habe er sich als Junge auf dem Bolzplatz kaum vorstellen können, etwas anderes zu spielen als Fußball. Schon gar nicht vermochte er sich auszumalen, ohne Ball scheinbar ziellos irgendwohin zu laufen. Dass er mal als Leichtathlet Furore machen würde, als Marathonläufer zumal, schien damals so weit von seiner Lebenswirklichkeit entfernt zu sein wie Deutschland.
Und heute? Seit September 2022 ist Welday deutscher Staatsbürger und könnte als solcher bei Olympia für Deutschland starten. Ein Wunder - oder besser gesagt, das Resultat glücklicher Umstände, die in 15-Euro-Turnschuhen vom Discounter ihren Ursprung nahmen.
Der Startschuss: Sportabzeichen in Pattensen
"Dass ich schnell laufen kann, merkte ich, als ich drei Kilometer rennen musste, um einen Bus zu kriegen", schreibt der am 13. März 1990 geborene Welday auf seiner Website. Angekommen in der neuen Heimat, nutzte er dieses Talent, um dem Zufall auf die Sprünge zu helfen.
"Wenn ich laufen gehe, fühle ich mich frei. Das ist unbezahlbar für mich." Marathon-Läufer Haftom Welday
Als er beim TSV Pattensen das Sportabzeichen ablegte, lernte er auf der Aschenbahn Friedrich Weber kennen, der ihn fortan förderte. Der Auftakt für sportliche Erfolge, wie sich Welday im NDR lächelnd erinnert: "Ich war 25 Jahre alt und ganz am Anfang meiner Läuferkarriere."
Ideales Umfeld in Hamburg
Welday fand Gefallen am Laufen. Er forcierte sein Pensum, absolvierte nicht selten 60 Kilometer am Tag. Das Training wurde systematischer und professioneller. Erste Erfolge bei Volksläufen und regionalen Wettkämpfen stachelten seinen Ehrgeiz an, was ihn im Zuge des Umzugs nach Hamburg zum Laufladen e.V. führte. Ein Glücksfall - schon wieder. "Ein ideales Umfeld, um mich auf den professionellen Laufsport zu konzentrieren", so Welday. Sein Marathon-Debüt in Berlin feierte er 2021 ohne sonderliche Vorbereitung und belegte in 2:13:47 Stunden auf Anhieb Rang 13.
Olympia-Norm auf Hamburgs Straßen?
Seine persönliche Bestzeit über die 42,195 Kilometer sollte ein Jahr später ebenfalls in der Hauptstadt fallen. Nur wenige Tage, nachdem er im September offiziell und per Urkunde dokumentiert die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen hatte, lief er in 2:09:06 Stunden so schnell wie nie, kam als Elfter ins Ziel.
Und doch weiß er, dass diese sechstschnellste Zeit eines deutschen Athleten beim Hamburg-Marathon nicht reichen würde, um die Olympia-Norm (2:08:10 Stunden) zu knacken. Aber Welday will es allen beweisen, strotzt nur so vor Ehrgeiz und hat sich fest vorgenommen, "in meiner neuen Heimat eine starke Leistung hinzulegen". Auf die Frage, ob die angepeilte Halbmarathon-Pace von 62:45 Stunden nicht vielleicht zu schnell sei, antwortete er selbstbewusst: "Ich mache das einfach."
"Ich laufe ganz vorne in der internationalen Gruppe. Ich weiß selber nicht genau, was ich laufen kann, ich bin selber gespannt." Haftom Welday
Höhentrainingslager in Äthiopien
Er wolle damit auch "etwas an die Menschen zurückgeben, die mich hier in der Hansestadt unterstützen", so der 1,76 Meter große Athlet. Grund genug für ihn, sich wochenlang in der alten Heimat Äthiopien im Höhentrainingslager zu quälen und akribisch auf das Event in der neuen Heimat vorzubereiten. Seit dem 1. November 2022 gehört der Dauerläufer bereits zum Nationalkader des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV).
Olympia - vom Traum zur Realität?
Eine Nominierung für die Leichtathletik-WM im August (19. bis 27.) in Budapest wäre ein wichtiger Zwischenschritt, sein Debüt im Nationalteam und eine weitere Sprosse auf der sportlichen Karriereleiter. "Ich möchte Erfahrungen in einem internationalen Wettbewerb sammeln", sagt Welday. Und damit gleichsam seinem großen Ziel Olympia ein Stück näher an kommen, das ihn offenbar bis in den Schlaf verfolgt: "Ich werde alles dafür geben, dass der Traum Realität wird."