HSV-Sprinter Ansah rassistisch beleidigt - DLV prüft Strafanzeigen
HSV-Sprinter Owen Ansah ist nach seinem historischen Rekordlauf in den Sozialen Medien rassistisch beleidigt worden. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) prüft deshalb, Strafanzeigen zu stellen.
"Wir als DLV haben seit jeher eine klare Haltung. Der DLV steht für Vielfalt. Die Nationalmannschaft ist ein ganz klares Abbild unserer Gesellschaft. Und wir haben dort auch eine ganz klare Null-Toleranz-Politik", sagte DLV-Sportvorstand Jörg Bügner am Sonntag zum Abschluss der deutschen Meisterschaften in Braunschweig.
Für "Rassismus, Hetze, Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit" gebe es in der Leichtathletik als auch in der gesamten Gesellschaft keinen Platz. "Es sollte uns allen sehr stark zu denken geben, wenn wir so in dieser massiven Häufung Kommentare finden im Netz", sagte Bügner, der sich auch "persönlich angegriffen" fühlt und "überhaupt kein Verständnis dafür" hat, "dass das in unserer Zeit noch auftritt".
"Der DLV wird auch in Zukunft alles tun, um immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Leichtathletik ein Abbild der Gesellschaft ist und für Vielfalt steht. Und wir werden auch alles tun, um unsere Athleten zu schützen." DLV-Sportvorstand Jörg Bügner
Begeisterungsstürme in Braunschweig
Ansah hatte am Sonnabend als erster deutscher Sprinter in 9,99 Sekunden die Zehn-Sekunden-Marke über die 100 m geknackt und das Olympia-Ticket gelöst. Mit seiner Leistung für die Ewigkeit riss Ansah die Zuschauenden von den Sitzen und die Experten zu Lobeshymnen hin. Frank Busemann etwa sah beim Laufstil Ähnlichkeiten mit einem legendären US-Sprinter, einem der erfolgreichsten Athleten der Sportgeschichte. "Der sieht aus wie Carl Lewis, ist so grazil. Das war eine Frage der Zeit, bis der mal einen raushaut", schwärmte der ARD-Leichtathletik-Experte.
Sebastian Bayer: Beleidigungen "sehr bedenklich"
Doch nicht alle Reaktionen waren positiv, in den sozialen Netzwerken gab es auch beleidigende und hämische Kommentare für den gebürtigen Hamburger, dessen Eltern aus Ghana stammen. "Es ist sehr bedenklich, was sich manche Menschen rausnehmen über Social Media. Dass man auf die Hautfarbe oder die Herkunft reduziert wird, ist ein Riesenproblem. Wir sind Multi-Kulti, wir sind bunt in Deutschland. Das sollte sich die Gesellschaft hinter die Ohren schreiben und nicht zu sehr in diese rechte Schiene reinrutschen", betonte Ansahs Trainer Sebastian Bayer im ARD Gespräch.
Coach Bayer: "9,99 noch nicht das Ende"
Ansahs Fokus richtet sich nun auf die Olympischen Spiele, wo die Leichtathletik-Wettkämpfe am 3. August im Stade de France die Vorläufe über 100 m anstehen. Seine Leistung ist umso höher einzuschätzen, als ihn eine Verletzung zuletzt lange ausgebremst hatte. Wegen einer Schambeinentzündung hatte er nahezu die komplette Vorsaison verpasst. Er musste sich in Geduld üben, in der Reha zurückkämpfen, wieder langsam an die Belastungen herantasten.
Hinzu kam der Umzug nach Mannheim zu seinem Coach Bayer. "Ich hatte noch bei meinen Eltern gewohnt, bin aus meinem Elternhaus ausgezogen", sagte Ansah, der am Sonntag noch die HSV-Sprintstaffel zum Titel führte: "Man muss aus seiner Komfortzone raus."
Im Duell mit Superstar Noah Lyles und Co. bei den Sommerspielen will der schnelle Hamburger nun "das alles einfach aufsaugen. Ich konnte zeigen, dass ich gut drauf bin - und das möchte in Paris dann auch." Sein Trainer ist realistisch: "Mit 9,99 reißt man international nichts", sagte der ehemalige Weitspringer, der die HSV-Sprinter Ansah und Lucas Ansah-Peprah seit 2019 trainiert. "Aber ich glaube auch, dass 9,99 noch nicht das Ende ist."
"Den deutschen Rekord kann mir zwar wieder jemand wegnehmen. Aber dass ich der erste Deutsche bin, der unter zehn Sekunden gerannt ist, das kann mir niemand mehr nehmen." Owen Ansah
Tag für Tag harte Arbeit
Mit dem Quartett über 4x100 m sind an der Seine die Aussichten besser als beim Einzelstart. Ansah ist jedenfalls nach seinen Wahnsinnstagen von Braunschweig heiß auf mehr: "Mein Ziel ist es, bei ganz großen Meisterschaften wie EM, WM und Olympischen Spielen im Finale zu stehen und abzurufen, was ich diesmal abgerufen habe", sagte der EM-Fünfte, dem die Zukunft gehört: "Man muss Tag für Tag hart trainieren. Man muss das, was man machen möchte, vor Augen haben."