Bremerhaven-Trainer Popiesch: DEL-Finale gegen die eigene Vergangenheit
In der Finalserie um die deutsche Eishockey-Meisterschaft treffen die Fischtown Pinguins ab heute auf die Eisbären Berlin. Für Trainer Thomas Popiesch ist es ein Treffen mit der Vergangenheit - und die große Abschiedsvorstellung?
Wie sein Club steht auch der 58 Jahre alte Coach zum ersten Mal im Play-off-Finale der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Durch Gegner Berlin werden die Spiele für Popiesch zu einem außergewöhnlichen Duell mit der eigenen Vergangenheit: Er trifft auf seinen Jugend-Club aus Ost-Berlin, wo er das Eishockeyspielen lernte - und nach einem Fluchtversuch aus der DDR als 17-Jähriger zu vier Jahren Stasi-Haft verurteilt wurde.
"Niemand hätte den Meistertitel so sehr verdient wie Thomas Popiesch." Bremerhavens Manager Alfred Prey
Doch Popiesch, der Sonntag ab 22.50 Uhr zu Gast im NDR Sportclub ist, will sich rein auf die sportliche Komponente konzentrieren: "Es ist etwas Besonderes, weil Berlin ein Topclub ist, aber nicht, weil ich da mit dem Eishockey angefangen habe", betonte der Chefcoach. Zu seinem Heimatclub habe er keine "emotionale Bindung mehr".
Allerdings leben in Berlin nach wie vor seine Eltern und die Schwester. Und bei Eisbären-Vorgängerverein SC Dynamo, dem 15-maligen DDR-Meister und Club der Staatssicherheit, die ihn wegen Republikflucht in Bautzen einsperrte, spielte er einst zusammen mit Dirk Perschau, jetzt Eisbären-Betreuer, und Mannschaftsarzt Jens Ziesche.
Manager Prey lobt Popiesch in höchsten Tönen
Für Bremerhavens Manager Alfred Prey wäre der Finalsieg in der DEL gegen die Eisbären, mittlerweile Rekordmeister und von einem US-Milliardär geführt, die "Krönung einer Karriere" für Trainer Popiesch. "Es wäre ein Déjà-vu, wie man es nur in einem Roman zu lesen bekommt", sagte Prey. Am Mittwoch (19.30 Uhr) beginnt in Bremerhaven die Final-Serie im Modus "best of seven".
Für den Macher in Fischtown ist klar: "Niemand hätte den Meistertitel so sehr verdient wie er. Es war eine überragende Trainer-Leistung. Die Mannschaft war gegen jeden Gegner bestens eingestellt."
Sensationell hatten die Norddeutschen die Hauptrunde als Erster abgeschlossen. Fünf Punkte vor Berlin. Die Pinguins haben deshalb den Vorteil, das ein möglicherweise entscheidendes siebtes Final-Spiel in ihrer Halle ausgetragen würde.
Popiesch: "Kein Kommentar" zur eigenen Zukunft
Manager Prey wird nach dem Play-off-Finale bei den Pinguins sportlich in den Hintergrund treten. Sein Nachfolger ist mit Sebastian Furchner bereits im Amt. Wie es mit (Meistermacher?) Popiesch weitergeht, ist - jedenfalls öffentlich - noch nicht klar. Beharrlich antwortet der 58-Jährige mit "Kein Kommentar" auf Fragen nach seiner eigenen Zukunft. Sein Wechsel zu den Krefeld Pinguinen gilt allerdings längst als beschlossene Sache.
Beim deutschen Meister von 2003 spielte Popiesch einst selbst. Nachdem sich das ehemalige DDR-Talent, das nach der Haft nicht ausreisen durfte, noch mit Autoreparaturen und Schmuckverkauf durchgeschlagen hatte, war ihm 1989 über Ungarn doch noch die Flucht in den Westen gelungen.
Nach der Wiedervereinigung war er unter anderem noch in Duisburg, Frankfurt und Nürnberg aktiv. Seit Januar 2016 ist Popiesch nun Trainer in Bremerhaven, wo maßgeblich er die Pinguins zu dem gemacht hat, was sie heute sind.
Tritt Popiesch in die Fußspuren von Hans Zach?
Ein Erfolg von Fischtown in der Finalserie würde die Dominanz der großen Drei aus Berlin, München und Mannheim durchbrechen, die seit 2015 alle Titel unter sich ausgemacht haben. 2014 siegte mit Ingolstadt letztmals ein anderer Club. Mehr im Fokus steht allerdings der Triumph der Hannover Scorpions aus dem Jahr 2010.
Dass der ehemalige Bundestrainer Hans Zach bis heute der einzige Deutsche ist, der als Coach eine Mannschaft zum DEL-Titel führte, ist Popiesch bewusst: "In 30 Jahren hat nur der Hans gewonnen." Es ihm gleichzutun, "wäre eine Ehre".
Und spätestens nach den starken Halbfinal-Vorstellungen, als der Underdog erstaunlich abgezockt Titelverteidiger München ausschaltete, erscheint im Endspiel alles möglich. "Wir können nicht mehr mit dem absoluten Underdog-Image kommen", weiß auch der Coach, der vor außergewöhnlichen Duellen steht. Und das nicht nur, weil es gegen einen Topclub geht.