Basketball: Dennis Schröder - der gereifte Kapitän
Seit einigen Jahren ist Dennis Schröder der Anführer der deutschen Nationalmannschaft. Doch war der Braunschweiger früher einfach nur der beste deutsche Basketballer, zeigte er beim Supercup in Hamburg vor der Weltmeisterschaft mehr Führungsqualitäten. Dabei hilft dem NBA-Profi auch, dass nicht mehr alle Verantwortung auf seinen Schultern lastet.
Dennis Schröder pendelte in seiner Karriere schon oft zwischen Liebling und Buhmann. Doch die Negativ-Schlagzeilen sollen endgültig der Vergangenheit angehören. Dabei ist es erst einen Monat her, dass der NBA-Profi, der in der kommenden Saison für die Toronto Raptors spielt, für Aufsehen sorgte. Und das nicht im positiven Sinne. Er kritisierte seinen Nationalmannschaftskollegen Maxi Kleber öffentlich scharf. Der wiederum sagte daraufhin seine Teilnahme an der WM (25. August bis 10. September in Japan, Indonesien und Philippinen) ab.
Schröder also mal wieder als Unruhestifter? Die WM-Vorbereitung geriet durch Debatten und Scharmützel abseits des Parketts in Gefahr. Schröder entschuldigte sich, doch Kleber blieb bei seinem Verzicht. Die Vermittlungsversuche des Deutschen Basketball Bundes wirkten halbherzig. Die Strategie des Verbandes schien zu sein, sich auf Schröders Seite zu stellen und die Sache so schnell wie möglich abzuhaken. Wohl auch in dem Wissen, dass die Nationalmannschaft einen Schröder in Top-Form mehr braucht als einen Maxi Kleber.
Verband und Bundestrainer stehen hinter dem Kapitän
Der Verband, Bundestrainer Gordon Herbert und auch frühere Mitspieler stehen hinter Schröder. So zum Beispiel der langjährige Nationalmannschaftskapitän Robin Benzing. Er stärkte dem 29-Jährigen explizit zu Beginn der Vorbereitung den Rücken: "Er ist noch erwachsener geworden. Ich habe mit ihm in der Nationalmannschaft gespielt, als er noch ein Rookie war. Jeder Spieler muss viel lernen und Erfahrungen machen. Er ist gereift, er führt die Mannschaft unglaublich an."
Aber die öffentliche Kritik an einem Nationalmannschaftskollegen, einem der besten deutschen Spieler aktuell? "Das ist natürlich ein bisschen unglücklich gelaufen. So wie Dennis halt ist: Er sagt immer direkt, was los ist", so Benzing. Schröder selbst äußert sich zum Zwist erst einmal gar nicht mehr, genauso wie der Bundestrainer. Fragen dazu werden nicht beantwortet.
Schröder gibt sich volksnah - und wird gefeiert
Die Fans lässt das Theater scheinbar kalt. Nach dem klaren 87:68-Sieg im ersten WM-Vorbereitungsspiel in Bonn gegen Schweden wurde Schröder gefeiert wie ein Popstar, musste hunderte Autogramme schreiben. Und tat das auch. Der Jubel in den Hallen ist am größten, wenn er trifft. Die Schlange der Autogrammjäger ist bei ihm am längsten. Der sonst teilweise unnahbar wirkende Schröder gibt sich aktuell volksnah, auch beim Supercup in Hamburg. Selbst nach der 112:113-Final-Niederlage nach Verlängerung gegen Kanada am Sonntag nahm sich der deutsche Spielmacher viel Zeit für die Fans.
Die rechnen ihm hoch an, dass er sich Sommer für Sommer in den Dienst der Nationalmannschaft stellt. Während andere hochbezahlte Profis, die wie er in der nordamerikanischen NBA ihr Geld verdienen, die Sommermonate für Regeneration nutzen oder ihr eigenes Spiel verbessern wollen, ist es dem gebürtigen Braunschweiger wichtig, für sein Land zu spielen. Immer wieder betont er das.
"Es ist eine Ehre für mich, die Fans hier in den Hallen mal zu sehen. Deswegen bin ich jeden Sommer am Start." Dennis Schröder
Und er will sich den Anhängern in seiner Heimat präsentieren. Die Begeisterung um seine Person genießt er spürbar: "Wenn ich in Amerika spiele, können mich die Fans in Deutschland nicht sehen, weil es dann 3 oder 4 Uhr morgens ist. Wenn man hier in den Hallen ist, die Fans in Hamburg sieht oder auch davor in Berlin oder Bonn, dann ist das eine große Ehre für mich. Deswegen bin ich jeden Sommer am Start", sagte Schröder dem NDR in Hamburg.
Der NBA-Profi geht mit gutem Beispiel voran, zeigt bei der Nationalmannschaft vollen Einsatz. Und erwartet das auch von anderen; unter anderem deswegen die Kritik an Kleber, der im vergangenen Jahr vor der Europameisterschaft im eigenen Land abgesagt hatte.
Franz Wagner tut Schröders Spiel gut
Aber der deutsche Kapitän hat inzwischen auch gelernt, Verantwortung abzugeben. Und kann damit leben, dass es auch andere Stars neben ihm gibt. Das sah vor einigen Jahren noch anders aus. Bei der Weltmeisterschaft 2019 beispielsweise wollte er oftmals zu viel. Glaubte, vieles allein regeln zu müssen - und zu können. Er harmonierte nicht mit seinen Mitspielern, das auch damals schon hochveranlagte Team schied in der Vorrunde aus.
Diese Phasen blitzen auch jetzt noch auf, gerade wenn es im Spiel nicht so läuft. Aber inzwischen hat er mit dem jungen Franz Wagner einen Mitspieler auf Augenhöhe. Der tut nicht nur der Nationalmannschaft gut, sondern auch Schröders Spiel. Denn der Kapitän scheut sich auch nicht, das 21-jährige Supertalent von den Orlando Magic in den Fokus zu stellen – und auf dem Parkett zu bedienen.
"Ohne ihn hätten wir die Bronze-Medaille bei der Heim-EM nicht holen können", so Schröder über den jüngeren der beiden Wagner-Brüder. "Er bringt dem Team etwas, was wir noch nie hatten. Er hat alles. Er wird ein sehr Großer, sowohl hier bei der Nationalmannschaft als auch in der NBA. Und ich freue mich, dass wir ihn hier haben."
Schröder und Wagner als "zweiköpfiges Monster"
Große Worte, die man Schröder auch abnimmt. Weil er auf dem Parkett Taten folgen lässt. Als Spielmacher setzt er seine Teamkollegen immer wieder in Szene und wirkt im Gegensatz zu früheren Jahren uneigennütziger. Ein Spiel wie das beim Supercup gegen China, als die Deutschen den Gegner mit 107:58 demütigten, wäre früher sicher eine Schröder-Show gewesen. Diesmal nicht. Gemeinsam mit Wagner führte er die Mannschaft. Bundestrainer Herbert bezeichnete beide zuletzt als "zweiköpfiges Monster".
Schröder ist nicht zu ersetzen
Im Supercup-Finale gegen Kanada wurde dann noch einmal deutlich, wie abhängig die Mannschaft von Schröder nach wie vor ist. Als er kurz vor Schluss nach seinem fünften persönlichen Foul auf die Bank verbannt wurde und das Team ohne ihn auskommen musste, verspielte die Mannschaft die Führung und verlor. Zuvor aber hatte er in der Partie erneut mit seinen Mitspielern harmoniert - auch mit Wagner. Dieses Teamspiel, diese Aufgabenteilung tut Schröder gut - und er lässt sie zu. Das zeigt, dass er gereift ist. Doch ob er auch die Negativschlagzeilen in Zukunft dauerhaft hinter sich lässt, muss er erst noch beweisen.