Paul Schockemöhle - Unruhestand im Rentenalter
Sein Wort hat Gewicht, sein Rat wird geschätzt, sein Einfluss ist enorm: Paul Schockemöhle zählt mehr als 30 Jahre nach Ende seiner Karriere als Springreiter noch immer zu den wichtigsten Persönlichkeiten des deutschen Reitsports.
Paul Schockemöhle hat am Sonntag seinen 75. Geburtstag gefeiert. Als Sportlicher Leiter der japanischen Springreiter muss sich der Niedersachse in Zeiten der Corona-Krise aber mit ganz anderen Sachen beschäftigen: "Das ist im Moment noch nicht zu übersehen. Das dauert noch ewig. In diesem Jahr ist das nicht fertig", sagt der am 22. März 1945 im niedersächsischen Steinfeld geborene Multi-Unternehmer. Die Equipe des Gastgeberlandes auf die Olympischen Spiele in Tokio vorzubereiten, ist wegen der vielen Unwägbarkeiten keine leichte Aufgabe.
Gestüte in Mühlen und Lewitz
Er hat sich einen Namen gemacht als Züchter, Pferdekenner, Veranstalter und Vermarkter, Schockemöhle gilt längst als Multi-Millionär. Auf seinen Gestüten in Mühlen (Niedersachsen) und Lewitz (Mecklenburg-Vorpommern) hat der Landwirtsohn mehrere Tausend Vierbeiner unter seinen Fittichen. Doch der "Rentner im Unruhestand", wie ihn sein Freund und Reitsport-Veranstalter Ullrich Kasselmann einmal nannte, lässt es mittlerweile etwas ruhiger angehen. So zog er sich aus vielen Beteiligungen zurück, ist beratend tätig und baut einen Nachfolger für den Pferdebereich auf. Er wisse auch, "dass man nicht gegen die Biologie arbeiten kann".
Dreimal in Folge Europameister
Den Grundstein für seine Karriere legte Schockemöhle als Springreiter. Dreimal in Folge wurde er von 1981 bis 1985 Europameister - immer mit dem Hannoveraner Wallach Deister. Eine bis heute unerreichte Serie. Dreimal gewann er den Großen Preis von Aachen, sechsmal wurde er deutscher Meister, bei Olympia 1976 und 1984 holte er Teambronze. Olympisches Gold im Einzel, das sein acht Jahre älterer Bruder Alwin 1976 in Montreal einheimste, blieb ihm verwehrt. Im Rückblick sind ihm einige Momente besonders wichtig. "Als ich mit Deister in München erstmals Europameister wurde. Großartig." Oder 1988, als eine junge deutsche Equipe um Franke Sloothaak und Ludger Beerbaum in Seoul olympisches Gold gewann. "Das waren meine Jungs. Die haben wochenlang bei mir in Mühlen trainiert", sagt Schockemöhle. Etliche Top-Reiter wie Eddie Macken, Otto Becker oder Meredith Michaels-Beerbaum gingen bei ihm in die Lehre.
Als Diplomat nie getaugt
Seine sportliche Karriere musste Schockemöhle 1989 nach einem Sturz beenden. Schon zu jener Zeit war er ein wohlhabender Mann, hatte mit Eiern seine ersten Millionen verdient. Die sprudelnden Einnahmen führten allerdings auch zu Problemen mit dem Finanzamt. Schockemöhle war Ende der 1990er-Jahre einer der prominentesten Steuersünder, setzte sich zwischenzeitlich sogar ab, um der Strafverfolgung zu entgehen. Nicht das einzige dunkle Kapitel. Zu den Negativerlebnissen zählt auch die Europameisterschaft 1987. "Die Deutsche Reiterliche Vereinigung zwang mich, Deister zu reiten. Der Boden war schlecht, Deister lahmte. Das war der Anfang vom Ende seiner Karriere", sagt Schockemöhle heute. Mit dem Verband in Warendorf hatte er oft Zoff. "Ich ecke an", weiß Schockemöhle. Als Diplomat hat er nie getaugt, ist deshalb wohl auch nie Funktionär geworden.
Ein weiterer Tiefpunkt war die so genannte Barr-Affäre, die ihm um 1990 herum große Probleme bereitete. Auf Schockemöhles Anlage in Mühlen bei Steinfeld waren junge Pferde mit Stangen geschlagen worden, damit sie höher springen. Nach entsprechenden Medienenthüllungen trat Schockemöhle als Anwalt des "Barrens" auf, stieß damit aber auf wenig Verständnis. Nur sein Bruder sowie Dressur-Legende Reiner Klimke und Hans Günter Winkler hielten zu ihm.
Millionen für Dressurpferd Totilas
Trotz der Negativschlagzeilen blieb Schockemöhle einer der wichtigsten Männer im deutschen Reitsport. Als Chef der Riders Tour und als Veranstalter bei vielen Turnieren. Ende 2010 kaufte er für eine Rekordsumme (zwischen zehn und 15 Millionen Euro) Dressurpferd Totilas. Unter Reiter Edward Gal (Niederlande) hatte der Hengst im Sommer desselben Jahres drei WM-Titel gewonnen und galt als "Wunderpferd". Unter seinem neuen Reiter Matthias Alexander Rath blieben die Erfolge jedoch aus. Eine Krankheit Raths verhinderte einen Start bei den Olympischen Spielen in London 2012. "Mit Totilas ist alles schiefgelaufen, was schieflaufen konnte", bilanzierte Schockemöhle zwei Jahre nach dem Kauf von Totilas. Im August 2015 endete die sportliche Karriere des Hengstes nach einer erneuten Verletzung, in der Zucht wurden seine kostbaren Gene jedoch vergoldet.
Ein Glas Sekt zum Geburtstag
Auch wegen der Corona-Krise wird Schockemöhles Geburtstag bescheiden ausfallen: "Jetzt wäre das der falsche Weg", so der Jubilar. Er werde ein Glas Sekt mit seiner Frau Bettina trinken, ohnehin sind ihm Geburtstage nicht sonderlich wichtig: "Das ist ja grundsätzlich keine Errungenschaft. Ich habe Glück gehabt, so alt zu werden."