Helmut Kronsbein - Alleinherrscher von Hannover 96
Helmut Kronsbein trug den putzigen Spitznamen "Fiffi". Doch der Coach von Hannover 96 war durch und durch eine autoritäre Persönlichkeit. Er führte die "Roten" 1954 zur deutschen Meisterschaft.
Langjährige Trainererfahrung, geschweige denn Erfolge, hatte Helmut Kronsbein nicht vorzuweisen, als er 1952 im Alter von 37 Jahren vom SSV Ulm zu Hannover 96 wechselte. Seine Bewerbungsmappe bestand nur aus einem Stück Papier, das jedoch die Unterschrift des wichtigsten Mannes im deutschen Fußball trug. Bundestrainer Sepp Herberger, der Kronsbein als Coach ausgebildet hatte, empfahl 96 seinen ehemaligen Lehrling.
Die Hannoveraner Clubführung folgte dem Urteil Herbergers und übergab Kronsbein, der von allen nur "Fiffi" genannt wurde, die Leitung der Oberliga-Mannschaft. Sein putziger Spitzname täuschte darüber hinweg, dass Kronsbein eine bis auf die Knochen autoritäre Persönlichkeit war.
Der ehemalige Hauptfeldwebel, der mit einer gelähmten Hand aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt war, überwachte seine Spieler auf Schritt und Tritt. Widerspruch duldete er nicht. Bei Auswärtsspielen durchforstete der Coach die Zimmer seiner Spieler nach alkoholischen Getränken. Das Mannschaftsessen begann erst, nachdem Kronsbein ein lautes "Guten Appetit" in den Raum geschmettert hatte.
5.000 Mark Prämie für die Nordmeisterschaft
Im Nachkriegsdeutschland - zumal im strukturkonservativen Fußball - galten Kronsbeins Charakterzüge allerdings nicht als Makel, sondern als Tugend. "Er war ein Komisskopp durch und durch. Aber wir brauchten damals so einen. Wir waren ja selbst alle aufgewachsen mit HJ, Wehrmacht und so", erinnerte sich Verteidiger Hannes Kirk.
Dank Kronsbein war 96 anderen Mannschaften organisatorisch einen Schritt voraus. Auswärtsfahrten, Unterkünfte, Training: Der Coach kümmerte sich persönlich um perfekte Rahmenbedingungen. Darüber hinaus war Kronsbein ein geschickter Verhandlungsführer - nicht nur bei Neuverpflichtungen. In seinen Vertrag ließ er sich schon 1952 eine Prämie von 5.000 Mark für den Gewinn der Nordmeisterschaft festschreiben. Die Spieler erhielten für die deutsche Meisterschaft zwei Jahre später gerade einmal 1.000 Mark.
Meisterhafte Taktik gegen Kaiserslautern
Der Endspielsieg 1954 war Kronsbeins Meisterstück. Wie sollte der technisch überlegene 1. FC Kaiserslautern besiegt werden? Kronsbein entschied sich für eine Taktik, die heute als "kontrollierte Offensive" bezeichnet werden würde.
Hannover zog sich zurück, konterte und spielte in der zweiten Hälfte seine physische Überlegenheit aus. Auch die Maßnahme, Fritz Walter gemeinsam vom jungen Rolf Gehrcke und Werner Müller bewachen zu lassen, zahlte sich aus. Obwohl Kronsbein laut Selbsteinschätzung mit "Hochleistungsmotor" und "Düsengeschwindigkeit" weiteren Erfolgen hinterherjagte, blieb die Meisterschaft mit 96 sein einziger großer Titel.
1956 erreichten die Niedersachsen noch einmal die Endrunde, konnten sich aber gegen Kaiserslautern, Schalke und Karlsruhe nicht durchsetzen. Ein Jahr später verließ Kronsbein den Club.
Entlassung wegen eines folgenschweren Geschenks
Nachdem Hannover 1963 die Bundesliga-Qualifikation verpasst hatte, erinnerte man sich an der Leine seines Erfolgstrainers. Kronsbein wechselte vom VfR Mannheim nach Niedersachsen und stieg 1964 mit Hannover in die Bundesliga auf. Doch 1966 wurde der Trainer entlassen, nachdem er ein Geschenk eines Spielervermittlers angenommen haben soll. Trotzdem kehrte er in den folgenden Jahren noch zwei weitere Male zu 96 zurück. Nachdem er Hertha BSC 1968 in die Bundesliga und dort zweimal auf Rang drei geführt hatte, gelang ihm 1975 mit den "Roten" noch einmal der Bundesliga-Aufstieg. Insgesamt war Kronsbein viermal Hannover-Coach.
Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Seinem autoritären Führungsstil blieb Kronsbein Zeit seiner Karriere treu. Ein Blick in seine 1971 veröffentlichte Biografie gibt Aufschluss darüber, in welchen Kategorien der Trainer dachte. Kronsbein spricht in Erinnerung an die Meisterschaft 1954 von einem "blutvollen Leben, das wir Fußball nennen", bezeichnet die Fans als "unsere Streitmacht" und "Wand des Mutes".
Ablegen konnte er die Rolle des Alleinherrschers auch in der Ehe mit seiner Frau Gerda nicht. Demütigungen und Schläge waren keine Seltenheit. Im Juli 1979 wurde Gerda von Helmut Kronsbein tot in der Badewanne gefunden, neben ihr lag ein unter Strom stehender Fön. Nachdem Zweifel an Gerdas Suizid aufgekommen waren, wurde Helmut Kronsbein vier Jahre später in Hannover wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt.
Der große "Spiegel"-Gerichtsreporter Gerhard Mauz sah einen "kleinen, verbrauchten und verschlissenen" Mann auf der Anklagebank sitzen. Nach den ersten zwei Monaten des Verfahrens rechneten die meisten Prozess-Beobachter mit einer Verurteilung. Ein Sachverständigen-Gutachten entlastete schließlich den Fußball-Lehrer, der freigesprochen wurde. Am 27. März 1991 starb Helmut Kronsbein in Berlin.