Champions League: THW Kiel braucht gegen Montpellier "magische Nacht"
Nach der heftigen Hinspiel-Niederlage bei Montpellier HB hilft dem THW Kiel im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League heute nur ein kleines Handball-Wunder, um das Final Four in Köln noch zu erreichen.
Vier Mal gewann der THW Kiel die Champions League, neun Mal stand der deutsche Rekordmeister im Final Four, das seit 2010 in Köln ausgetragen wird. Aber die zehnte Teilnahme und womöglich sogar der fünfte Titel sind ganz weit weg. Mit der 30:39-Pleite in Montpellier hat der Bundesliga-Vierte eine unerwartet hohe Hypothek aus Südfrankreich mitgenommen für das heutige Rückspiel (18.45 Uhr) in eigener Halle.
Die "Zebras" brauchen einen Sieg mit zehn Toren Differenz, um sich direkt für das Halbfinale zu qualifizieren. Bei einem Erfolg mit neun Treffern entscheidet, ohne vorherige Verlängerung, ein Siebenmeterwerfen über das Weiterkommen. Die Auswärtstore-Regelung hat die EHF 2022 abgeschafft.
Jicha: "Nichts mehr zu verlieren"
"Wir haben mit dieser Hypothek aus dem Hinspiel nichts mehr zu verlieren", sagte THW-Trainer Filip Jicha: "Von einhundert Spielen in dieser Konstellation schafft man es in fünf, das zu drehen. Aber jeder bei uns muss daran glauben, dass wir am Donnerstag eines dieser fünf Spiele in unserer Arena haben werden."
"In unserer Halle und mit unseren Fans in der weißen Wand können wir Montpellier auch mit zehn Toren Unterschied schlagen." THW-Profi Harald Reinkind
Montpelliers Torwart Remi hatte von einer "verrückten Nacht" gesprochen nach dem ersten Duell. Jicha beschwor für das Rückspiel schon einmal eine "magische Nacht". Nur: Wirklich spektakuläre Aufholjagden haben die Schleswig-Holsteiner in der europäischen Königsklasse bislang nicht aufs Parkett gezaubert. Eine ausgebügelte Vier-Tore-Niederlage gegen Szeged im Achtelfinale der Serie 2015/16 ist das extremste Ergebnis, das sich in den Annalen finden lässt.
Hinspiel dient THW nicht als Blaupause
Interessant: In der Saison 2021/22 gewann der THW gegen Montpellier HB in der Gruppenphase mit 35:26. Um aber überhaupt in die Nähe einer Wende zu kommen, müsste Kiel aber einiges besser machen als im Hinspiel. Vor allem die Abwehr fand da überhaupt keine Stabilität. Dahinter hatten der französische Keeper Samir Bellahcene, der aus Montpellier stammt und dort das Handball-ABC erlernte, sowie sein Kollege Tomas Mrkva einen schweren Stand. Bereits nach 18 Minuten hatte sich der THW 14 Tore eingefangen, am Ende schrammte der Gegner haarscharf an der 40er-Schallmauer vorbei.
Bilyk: "Neun Tore aufholen, das ist verdammt viel"
"Neun Tore aufholen, das ist verdammt viel", sagte meint THW-Rückraum-Ass Nikola Bilyk. "Aber im Sport ist nichts unmöglich. Wir werden alles versuchen und wollen uns vor allem in der Defensive steigern."
Der THW hatte in der Liga zuletzt spielfrei und konnte sich komplett auf die internationale Aufgabe fokussieren. Gegner Montpellier HB, bei dem in der ersten Partie anscheinend alles funktionierte, schob am Sonnabend noch einen Spieltag in der französischen Liga ein und erfüllte gegen Cesson-Rennes mit 37:29 souverän die Pflicht.
MHB-Trainer Patrice Canayer, der seit 1994 im Amt ist und zum Ende der Saison aufhören wird, mahnt dennoch: "Wir wissen, dass in der Champions League Wunder passieren können. Deswegen werden wir in Kiel vor einer großen Herausforderung stehen."
Die "weiße Wand" soll die Wende bringen
Personell fehlten dem THW zuletzt Linksaußen Magnus Landin (Handbruch) und Rückraumass Elias Ellefsen á Skipagötu (Knie-Beschwerden). Ob einer oder gar beide Akteure ins Team zurückkehren, ist offen. In jedem Fall bauen die Kieler auf ihr Publikum. Nach Vereinsangaben sind bislang gut 8.000 Tickets verkauft worden.
"Wir brauchen jede Stimme, jeden Fan - dann ist alles möglich", betonte Kapitän Domagoj Duvnjak. Der Kroate baut auf eine "Riesen-Atmosphäre für dieses große Spiel. Wir müssen einen perfekten Tag haben. Abwehr, Angriff, Rückzug, Tempospiel."
Auch THW-Linkshänder Harald Reinkind gibt sich zuversichtlich: "In unserer Halle und mit unseren Fans in der weißen Wand können wir Montpellier auch mit zehn Toren Unterschied schlagen." Für ihn und seine Teamkollegen ist es die letzte Chance, eine titellose Saison zu vermeiden.