Littmann: Streitbar, umstritten, erfolgreich
Corny Littmann übernahm den FC St. Pauli 2002 am Rande der Insolvenz. Der Theatermacher sanierte den Club und brachte den Stadionumbau auf den Weg. Unumstritten war Littmann jedoch nicht.
Als Corny Littmann im Mai 2010 seinen Rücktritt als Präsident des FC St. Pauli bekannt gibt, geht eine Ära zu Ende, da sind sich Kritiker und Unterstützer des Theatermachers einig. Doch die Bewertung seiner Amtszeit am Millerntor ist durchaus facettenreich. Auf der einen Seite stehen sportlicher Erfolg (der Bundesliga-Aufstieg zum 100-jährigen Vereinsjubiläum), der endlich begonnene Umbau des Stadions und solide Finanzen. Andererseits sehen nicht wenige aktive Fans in Littmann einen Alleinherrscher, der die vereinsinterne Kommunikation fast vollständig zum Erliegen gebracht und dem Club viel von seiner Identität genommen hat.
Hohe Schulden und Abstieg in die Dritte Liga
Littmann, "Hamburgs Unternehmer des Jahres 1999", wird im Dezember 2002 zunächst kommissarisch zum Präsidenten des FC St. Pauli ernannt. Im Februar des kommenden Jahres wird er mit 78 Prozent der abgegebenen Stimmen offiziell ins Amt gewählt. Drei Monate später ist St. Pauli nur noch drittklassig und selbst der Verbleib in der Regionalliga ist angesichts einer Liquiditätslücke von zwei Millionen Euro äußerst fraglich.
"Retter-Kampagne" sichert die Lizenz
Um den Verein am Leben zu erhalten, ruft der Club die "Retter-Kampagne" ins Leben. Im Zentrum der Aktion steht der Verkauf von "Retter-T-Shirts". Unzählige Freiwillige beteiligen sich, am Ende wird der FC St. Pauli rund 120.000 Hemden veräußert haben. "Vieles ist einfach passiert, ohne dass du viel Zeit hattest zu planen, zu reflektieren", erinnert sich Littmann in "FC St. Pauli. Das Buch.". So sehr den Fans ihr Club am Herzen liegt: Dass plötzlich Retter-Shirts bei McDonald’s verkauft werden und CDU-Bürgermeister Ole von Beust St.-Pauli-Dauerkarten verkauft, ist für manchen nur schwer zu ertragen. Doch die Kampagne, die mit einem Freundschaftsspiel gegen den ehemaligen "Klassenfeind" Bayern München endet, ist ein Erfolg. St. Pauli wendet die Insolvenz ab.
Legendäre Mitgliederversammlung im März 2007
Die Finanzlage entspannt sich vor allem aufgrund des sensationellen Einzugs ins Halbfinale des DFB-Pokals 2006. Ende des Jahres sitzt Littmann, der die große Inszenierung liebt, persönlich in einem Bagger, um die Südtribüne einzureißen. Nachdem jahrzehntelang Pläne vorgestellt und wieder verworfen wurden, beginnt der Umbau des Millerntor-Stadions. Im Verein brodelt es allerdings wieder einmal. Der Aufsichtsrat fühlt sich von Littmann nicht ausreichend informiert, wirft ihm Satzungsverstöße vor und sieht das Projekt in Gefahr. Nach öffentlichen Scharmützeln erklärt das Littmann-Präsidium im Februar seinen Rücktritt zum 26. März 2007. Der Aufsichtsrat will den Clubchef am liebsten sofort loswerden, dies scheitert jedoch an Satzungsvorgaben. Schließlich kommt es am 25. März zu einer legendären Mitgliederversammlung, die Littmann als strahlender Sieger verlässt. Seine internen Kritiker haben Kreide gefressen, der eigentlich als Gegenkandidat auserkorene Stephan Orth rückt als Vize ins Präsidium auf.
Rücktritt nach dem Bundesliga-Aufstieg 2010
Im Sommer 2007 sind die Querelen des Frühjahres fast vergessen. Ein 2:2 gegen Dynamo Dresden sichert St. Pauli die Rückkehr in die Zweite Liga. Auch der Neubau der Südtribüne wird schließlich begonnen. Sportlicher und wirtschaftlicher Aufschwung gehen nun Hand in Hand, Höhepunkt sind die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen des FC St. Pauli. Das Team steigt nach einer begeisternden Saison in die Bundesliga auf, die Arbeiten zur neuen Haupttribüne haben begonnen. "Mehr auf einmal geht nicht", sagt Littmann und tritt am 20. Mai 2010 als Präsident zurück: ohne grelle Inszenierung, sondern ganz schmucklos auf einer Pressekonferenz.