TuS Büppel: Ein Dorfverein aus Friesland mischt den Frauenfußball auf
Die Frauen des TuS Büppel mischen seit Jahren in der Regionalliga Nord kräftig mit und behaupten sich gegen namhafte Clubs. Dafür werden sie in Friesland immer wieder kreativ. Ein Besuch in Büppel, das noch höher hinaus will.
Was haben der FC St. Pauli, Holstein Kiel und Eintracht Braunschweig gemein? Sie alle haben in dieser Saison schon gegen Büppel verloren. Ununterbrochen seit fünf Spielzeiten geht das so, dass der kleine Turn- und Sportverein (TuS) gegen die ganz großen Clubs der norddeutschen Fußball-Hemisphäre spielt - und diese immer wieder auch ärgert. In der Regionalliga Nord der Frauen, der dritthöchsten Spielklasse.
Büppel? Das ist ein Stadtteil von Varel im niedersächsischen Kreis Friesland. Bis Dangast am Jadebusen sind es etwa 15 Minuten mit dem Auto, bis Wilhelmshaven eine halbe Stunde. Einfamilienhäuser, ein paar Ferienwohnungen, ein kleiner Autohändler, die Gaststätte heißt "Büppeler Krug". Etwa 2.400 Menschen leben hier, die nächsten Veranstaltungen sind laut Homepage der Dorfgemeinschaft das "Osterfeuer(chen)" an diesem Sonnabend und ein Kickerturnier im Juni.
300 bis 400 Zuschauer in Büppel
Dabei hat Büppel bei jedem TuS-Heimspiel ein durchaus stattliches Fußball-Event zu bieten. Zwischen 300 und 400 Zuschauer pilgern dann in den Sportpark Varel. Und es ist eben jene Anlage - im Herbst 2023 nach zwei Jahren Bauzeit eingeweiht -, die einem eine Idee davon gibt, dass in der Stadt Varel und in deren Stadtteil Büppel sportlich gesehen durchaus ambitionierter und weitsichtiger gedacht wird.
Rasenplatz, Kunstrasenplatz, Beachvolleyballfelder und vor dem Vereinsgebäude eine überdachte Tribüne mit rund 180 Sitzplätzen: Mehr als acht Millionen Euro wurden nach Angaben der Stadt Varel in die Sportanlagen investiert.
"Das hat so viel emotionale Rendite gebracht, dass ich gesagt habe: 'Ich muss das Ding hier unterstützen!'" TuS-Abteilungsleiter Stefan Janßen
Einer, der maßgeblich an der Entwicklung und Etablierung des TuS Büppel mitgewirkt hat, ist Stefan Janßen, Fußball-Abteilungsleiter der Mädchen und Frauen. Seit 2007 ist er dabei, seit rund acht Jahren in seiner jetzigen Funktion: "Ich bin über meine Tochter reingerutscht. Es wollte keiner die Abteilungsleitung übernehmen, da bin ich als Vater eingesprungen." Geplant kommissarisch zunächst für ein halbes Jahr ist er es bis heute geblieben.
2007 war der Club zum ersten Mal in die Regionalliga aufgestiegen. Damals ging es noch gegen "kleinere Vereine". Das habe Janßen "so viel emotionale Rendite gebracht, dass ich gesagt habe: 'Ich muss das Ding hier unterstützen!'" Nach einigen Jahren gab es einen Umbruch in der Mannschaft, der TuS stieg ab.
Vorbild aus der Nachbarschaft: die Handballer aus Varel
Nun ist der Verein in der fünften Saison in Folge wieder in der Regionalliga, misst sich mit den "Großen" und schlägt sich achtbar, auch wenn der Klassenerhalt in dieser Spielzeit noch keineswegs gesichert ist. Viele Stammspielerinnen fehlen verletzt und der Abstand zu den Abstiegsplätzen schmilzt.
Um die Klasse Jahr für Jahr zu halten, muss der Verein andere Wege beschreiten, als es viele größere Clubs tun (können). Denn Geld verdiene in Büppel keine Spielerin, sagt Janßen. Zum Vorbild habe man sich dabei einen Verein in der Nachbarschaft genommen: die Handballer der HSG Varel, die "uns gezeigt haben, wie professionell man hier auf dem Dorf auch sein kann".
Büppel setzt auf die Jugend
Und so ist die Basis des Büppeler Erfolgs die Jugendarbeit. Ein Ausdruck davon: In den vergangenen neun Jahren sind aus ehemals drei mittlerweile zehn Teams geworden. 180 Fußballerinnen. So kämen immer wieder Spielerinnen hoch, "die schon fünf, sechs Jahre dabei sind, die das kennen und die das mit anschieben", wie Janßen sagt.
Auf dem Rasen leitet Daniel Prause die Geschicke der ersten Mannschaft. Auch der Coach sagt, dass es "von der Grundvoraussetzung ein kleiner Club ist". Ein Club aber mit Menschen, die sich bewusst seien, dass man, "wenn man mit viel Engagement und Herzblut bereit ist mehr als andere zu geben, Dinge auf die Beine stellen kann, die man nicht erwartet, wenn man den Namen TuS Büppel hört."
Coach Prause war schon bei Werder und Holstein
Diese Haltung ist einer der Gründe, warum der 33-Jährige, der schon in Nachwuchsleistungszentren bei Werder Bremen und Holstein Kiel angestellt war, von Bremen nach Büppel pendelt. Und seine Kapitänin im Regionalliga-Team, Mara Sommer, ergänzt: "Das Besondere ist das Familiäre, dass wir als Frauenabteilung hier sehr unterstützt werden." Das sei "nicht selbstverständlich. In vielen Vereinen wird das nicht gemacht." Zu diesem familiären Gefühl, diesem "Etwas mehr als andere tun", diesem "Sich einbringen" gehört auch Andreas Franz. An Spieltagen betreibt er gemeinsam mit seiner Frau das Spieltagscafé. Er konnte "es erst gar nicht glauben" und kommt richtig ins Schwärmen, "wenn man von den ganzen großen Vereinen hört: HSV, St. Pauli." Sonst habe er "das alles nur immer im richtigen Stadion" gesehen, die "Fans und so. Aber die kommen inzwischen auch hierher."
"Da kann man im Freundeskreis oder in der Familie erzählen: Man hat gegen Pauli gespielt, man hat gegen den HSV gespielt. Das ist halt schon cool!" TuS-Spielerin Geske Kaemena
Es sei "einfach diese Atmosphäre", sagt auch die 20-jährige Sommer: "Die ganzen Zuschauer, die einfach wegen uns kommen und uns Frauen sehen wollen." Und natürlich hat man über die klangvollen Namen der gegnerischen Clubs, diesen Hauch des großen nationalen Fußballs, auch selbst etwas zu berichten, wie Teamkollegin Geske Kaemena ergänzt: "Da kann man im Freundeskreis oder in der Familie echt mal erzählen: Man hat gegen Pauli und den HSV gespielt. Das ist halt schon ganz cool!"
Sommer und Kaemena, die Jugend, sie alleine aber kann es auch in Büppel nicht dauerhaft richten. Und so musste der TuS kreativ werden, mussten Janßen, Prause und viele andere "viel infrastrukturell aufbauen", wie der Coach sagt. Eines dieser Projekte heißt: "Kicken, wohnen, arbeiten." Denn um attraktiv für Spielerinnen zu sein, hat der Club ein eigenes Jobportal an den Start gebracht. Das Versprechen: Der Verein sucht einen Arbeitplatz und eine Wohnung für die Spielerinnen. Gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft - mittlerweile auch überregional, wie Janßen sagt - könne man so "ein Rundum-Paket" bieten.
Anfrage einer haitianischen Nationalspielerin
Und wer so kreativ ist, bei dem klopft im kleinen Büppel ganz unverhofft auch mal die große weite Welt an, wie Coach Prause erzählt: "Im Winter hatten wir plötzlich die Anfrage von einer Spielerin aus Haiti." Eine Nationalspielerin, "die auch davor die WM gespielt hat", wie der 33-Jährige sagt. Das habe sich "am Ende aus bürokratischen Gründen" zerschlagen. Es war nicht zu stemmen.
Dafür ziehen sie in Büppel in Serie andere große Projekte auf: Für die Spielerinnen gibt es einen Busshuttle aus Bremen und Oldenburg. Ein neues Trainingszentrum wurde gebaut. Und ab Sommer will der Verein als einer der ersten ein vom DFB-zertifiziertes Nachwuchsleistungszentrum für Mädchen betreiben. Dass das in die Region kommt, wäre ein Traum für ihn, sagt Abteilungschef Janßen - dass "viele Spielerinnen aus dem eigenen Nachwuchs uns in der Regionalliga vertreten und das dann vor deutlich größerem Publikum".
"Cool, wenn Kiel und Braunschweig auf Abstiegsplätzen stehen und wir ein Stück weit drüber." Abteilungschef Janßen
Die größte Herausforderung auf diesem Weg sei, "wie im Herrenfußball auch irgendwann das Geld", sagt er. Blickt er aber darauf, dass man in der bisherigen Saison bereits St. Pauli, Braunschweig und Kiel geschlagen habe, sei das "schon verrückt". Auch im fünften Jahr. Das alles sei "ein Riesenaufwand für die, die hinter dem Team stehen", sagt er. Aber es sei "cool, wenn man auf die Tabelle schaut und Holstein Kiel und Eintracht Braunschweig stehen auf den Abstiegsplätzen und wir ein Stück weit drüber".
"Einwohnerzahl gering, Leidenschaft umso größer"
Auf der Homepage zu "Kicken, wohnen, arbeiten" haben sie ihren Weg, den Büppeler Weg, auf folgende Formel gebracht: Die Bedingungen seien zum Teil schwieriger, doch genau das sei es, was antreibe, "da wir damit anders als andere Vereine sind". Und so könne man sagen, "dass die Einwohnerzahl gering ist, die Leidenschaft, der Wille und der Kampfgeist aber umso größer". Und die "emotionale Rendite", die Janßen einst zum TuS brachte, gibt es ja ohnehin on top.