Stand: 18.06.2020 13:09 Uhr

St. Pauli und Luhukay: Gibt es noch eine Zukunft?

von Sebastian Ragoß, NDR.de

Der FC St. Pauli quält sich Richtung Saisonende in der zweiten Fußball-Bundesliga. Zum Klassenerhalt dürfte es reichen. Doch gibt es noch eine Zukunft für Trainer Jos Luhukay, der regelmäßig die eigenen Spieler und die Leistungskultur im Verein kritisiert?

Wie weit darf ein Trainer mit Kritik gehen? Wann ist die Grenze zwischen Anstacheln zu besseren Leistungen und Verunsicherung des eigenen Teams überschritten? Präsidium des FC St. Pauli und Sportchef Andreas Bornemann müssen diese Fragen beantworten, falls sie es für sich nicht längst schon getan haben. Zum wiederholten Male äußerte sich Trainer Jos Luhukay nach dem 0:4 bei Hannover 96 kritisch über seine Profis und tadelte gleichzeitig die Hamburger Journalisten für ihre Berichterstattung.

Luhukay: "Immer wird die Mannschaft geschützt"

Es sieht derzeit nicht so aus, als hätte der Niederländer auch in der kommenden Saison noch eine Zukunft beim FC St. Pauli. Eine große Liebe war das Verhältnis zwischen Luhukay und dem Club nie, doch selbst als Zweckehe dürfte es nicht mehr funktionieren. "Ich erlebe hier, dass immer die Mannschaft geschützt wird. Das habt ihr schon fünf, sechs Jahre so hinbekommen", polterte Luhukay nach der Pleite in Hannover Richtung Presse: "Immer liegt der Druck auf dem Trainer - und die Mannschaft kommt gut weg. Da wird mit zweierlei Maß gemessen."

Offene Kritik an Stürmer Veerman

Luhukay schloss damit eine Woche ab, die zumindest verbal spektakulär war. Schon während und nach der Partie gegen Aue (2:1) am vergangenen Sonntag hatte Luhukay seinen Stürmer Henk Veerman öffentlich gemaßregelt.

Sportchef Bornemann griff anschließend schlichtend ein. Zur Räson brachte er den Coach damit aber nicht. "Ich bin geradeaus und ehrlich", betonte Luhukay, der schon zu Saisonbeginn mangelnde Ambitionen und Leistungswillen beim FC St. Pauli moniert hatte. Von einer "Komfortzone" und "Bequemlichkeit" sprach der Niederländer. Inhaltlich hatte er damit sicherlich nicht unrecht. Doch Art und Weise der Kritik stießen bereits damals vielen sauer auf.

Nur 1,13 Punkte pro Spiel

Auch spricht die sportliche Entwicklung gegen den Trainer. Nach einem Hoch während der Hinrunde spielt St. Pauli seit dem Jahreswechsel einen zumeist grausamen Fußball. Luhukay wechselt wild das Personal und die Taktik. Spieler kommen direkt von der Tribüne in die Startelf - oder umgekehrt. Nach 38 Liga-Partien in der Verantwortung (Punkteschnitt: 1,13) führt Luhukay das Team, als ob er sich gerade als Neuling einen Überblick verschaffen muss, mit wem er zukünftig planen kann. 36 eingesetzte Spieler sprechen eine deutliche Sprache.

St. Pauli fehlt eine sportliche Vision

Trotzdem wäre es falsch, Club und Profis aus der Verantwortung zu nehmen. St. Pauli tritt seit zehn Jahren auf der Stelle, Trainer- und Sportchefwechsel sind an der Tagesordnung. Es fehlt eine sportliche Vision. Luhukay wird wohl nicht derjenige sein, der an einer Neuausrichtung mitwirken darf, trotz eines Vertrags bis 2021. Zunächst geht es aber darum, die letzten Restzweifel am Klassenerhalt zu beseitigen. Ein Sieg gegen Jahn Regensburg am Sonntag (15.30 Uhr) würde reichen. "Wir haben es in der eigenen Hand. Wir müssen mit aller Kraft versuchen, es gegen Regensburg hinzubekommen", sagte Luhukay.

Es wäre eine sehr kleine Genugtuung für den FC St. Pauli, der eigentlich möglichst schnell wieder Richtung Bundesliga schauen wollte. Das Experiment mit Luhukay dürfte Ende der Saison als gescheitert eingestuft werden.

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Eine Fußballtabelle vor eine Fußballmotiv © Colourbox Foto: Pressmaster

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 18.06.2020 | 19:30 Uhr

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