Relegation: Holstein Kiel vor dem vorletzten Kraftakt in Köln
Nach dem verpassten direkten Aufstieg in die Fußball-Bundesliga muss Zweitligist Holstein Kiel in der Relegation ran. Heute steht das erste Spiel beim 1. FC Köln an.
Die Kieler müssen für den großen Traum die letzten Kraftreserven mobilisieren, um heute Abend in Köln (18.30 Uhr, im NDR Livecenter) eine gute Ausgangsposition für den erstmaligen Aufstieg eines schleswig-holsteinischen Teams in die Bundesliga zu erreichen. "Das ist eine schwere Aufgabe, aber wir gehen sie an. Wir sind nicht zum ersten Mal in dieser Saison in der Rolle des Außenseiters und werden unsere Haut wieder so teuer wie möglich verkaufen", sagt KSV-Trainer Ole Werner.
Reese: "Wollen das Ding reißen"
Die Entscheidung über den Aufstieg fällt dann am Sonnabend (18 Uhr), wenn der Bundesliga-Drittletzte aus der Domstadt bei den "Störchen" gastiert. "Wir sind extrem konzentriert. Wir wollen das Ding reißen", sagt Offensivspieler Fabian Reese.
Für die Kieler ging es in den vergangenen Tagen vor allem darum, die verpassten Chancen zum direkten Aufstieg in der regulären Saison zu verarbeiten. Hauke Wahl hatte damit sofort nach dem bitteren 2:3 gegen Darmstadt 98 angefangen. Der Schlusspfiff war noch nicht ganz verhallt, da sammelte der KSV-Kapitän seine frustriert auf dem Rasen hockenden Mitspieler ein. Im Mannschaftskreis redete der 27-Jährige dann auf das Team ein.
Die Ansage war klar: Ja, auch den zweiten Matchball haben die Kieler vergeben, aber es gibt noch Matchball Nummer drei. Noch immer ist der Traum vom ersten Bundesliga-Aufstieg der Vereinsgeschichte realisierbar. "Wir haben jetzt zwei Bonusspiele - und die wollen wir nutzen, um trotzdem hochzugehen", sagte Wahl im NDR Interview trotzig.
KSV-Kapitän Wahl: "Sie müssen sich an mir hochziehen"
Der Innenverteidiger weiß vor der ersten Partie heute Abend (18.30 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) in Köln um seine Vorbild-Funktion. Es sei sein Job, voranzugehen: "In guten Zeiten ist Kapitän-Sein sehr einfach. Jetzt reden wir über schlechte Zeiten, aber wir stehen auf dem Relegationsplatz. Klar ist das gerade enttäuschend. Aber es ist auch klar, dass ich dann jetzt ein bisschen mehr gefragt bin - da müssen sich die Jungs an mir hochziehen."
"Wir waren in dieser Saison immer am stärksten, wenn niemand einen Pfifferling auf uns gesetzt hat." KSV-Trainer Ole Werner
Werner machte seiner Mannschaft keinen Vorwurf: "Natürlich sind wir jetzt enttäuscht, was Wahnsinn ist, wenn man als Holstein Kiel Dritter wird. Heute ist es wichtig, der Enttäuschung Raum zu geben."
Mitgefühl gab es sogar vom gegnerischen Trainer Markus Anfang, der einst selbst Coach der Kieler gewesen war und sich vor der Partie einen Darmstädter Sieg, aber eben auch den Holstein-Aufstieg gewünscht hatte: "Ich kann mitfühlen, das ist nicht leicht in dieser Situation. Am liebsten würde ich weglaufen."
Relegation: Neunmal setzte sich der Bundesligist durch
Anfang scheiterte mit den Kielern 2018 in der Relegation gegen den VfL Wolfsburg (0:1 und 1:3). Und überhaupt spricht die Statistik eher gegen die Schleswig-Holsteiner. In der 2009 wieder eingeführten Relegation hat sich in bisher zwölf Duellen neunmal der Bundesligist durchgesetzt. Nur der 1. FC Nürnberg, der 2009 Energie Cottbus ausschaltete, Fortuna Düsseldorf (2012 gegen Hertha BSC) sowie Union Berlin (2019 gegen VfB Stuttgart) haben als Zweitligisten den Aufstieg realisiert. In den insgesamt 24 Relegationsspielen gab es gerade einmal drei Siege der Zweitligisten.
Stöver: "In die Köpfe der Spieler kommen"
In der Partie gegen Darmstadt wurde der Kräfteverschleiß der Kieler deutlich. Die Duelle gegen Köln sind bereits die Pflichtspiele Nummer acht und neun im Monat Mai. Gelangen nach dem Pokal-Aus in Dortmund (0:5) zwar vier Siege hintereinander, folgten zuletzt zwei Niederlagen. Flattern bei den "Störchen" nun auch die Nerven?
"Es wird brutal wichtig sein, jetzt in die Köpfe der Spieler zu kommen", sagte KSV-Geschäftsführer Uwe Stöver. Er klammert sich zudem daran, dass es beim Gegner ähnlich aussieht: "Köln hat immer noch mehr zu verlieren. Auch dort wird der Kopf mitspielen." Allerdings dürfte der mentale Vorteil eher bei den Rheinländern liegen, die sich am letzten Spieltag noch an Werder Bremen vorbeischoben und sich so überhaupt noch die Chance auf den Klassenerhalt erspielten.
Keine Zuschauer in Köln
Die Kölner Verantwortlichen hatten gehofft, 1.000 getestete Zuschauer zur Unterstützung der Mannschaft begrüßen zu dürfen. Eine Ausnahmegenehmigung wurde allerdings nicht erteilt. Holstein Kiel hatte am Sonntag - trotz des Angebots der Stadt - freiwillig auf Fans verzichtet. Diese Meinung habe sich auch für das entscheidende Rückspiel an der Förde nicht geändert, so ein Holstein-Sprecher.
Ohne Mühling und Meffert nach Köln
KSV-Coach Werner ist in der Vorbereitung nicht nur physisch und psychisch gefragt. Personell muss der 33-Jährige ebenfalls Lösungen finden: Alexander Mühling und Jonas Meffert fehlen in Köln gelbgesperrt. Auch das wollen die Kieler wegstecken, um "das unmöglich Scheinende möglich zu machen", wie es Werner ausdrückte. Ganz im Geist der Aufschrift des Banners, das die Kieler in ihrem Quarantäne-Hotel aufgehängt haben: "Scheißegal, wir packen das!"
Mögliche Aufstellungen:
1. FC Köln: Horn - Schmitz, Bornauw, Czichos, Katterbach - Skhiri, Özcan - Wolf, Hector, Jakobs - Duda
Holstein Kiel: Gelios - Neumann, Wahl, Komenda, van den Bergh - Ignjovski, Hauptmann - Bartels, Lee - Serra, Porath