Pokal absurd: St. Pauli unterliegt St. Pauli - und zieht vor Gericht
Am 26. Juli 1969 schrieb der FC St. Pauli Geschichte: Die Regionalliga-Elf der Kiezkicker scheiterte in der DFB-Pokal-Quali an den eigenen Amateuren. Und damit nicht genug - der Verein legte gegen die Wertung der Partie Protest ein.
Die Auslosung: unglaublich, das Ergebnis: eine Sensation, das Nachspiel: peinlich. Im Hochsommer 1969 findet am Hamburger Millerntor eines der merkwürdigsten Spiele in der Geschichte des NFV-Pokals statt, der als Qualifikation zum DFB-Pokal dient. Der FC St. Pauli trifft auf den FC St. Pauli, genauer: die Lizenzspieler-Mannschaft - damals in der zweitklassigen Regionalliga Nord - auf die eigenen Amateure aus der Landesliga.
"Wir waren ein bisschen erschüttert, dass dies überhaupt möglich war. Aber so wurde eben ausgelost", erinnert sich Stürmer Kurt Hehl bei NDR 90,3.
Ein besseres Trainingsspiel? Von wegen!
Obwohl alle ein besseres Trainingsspiel erwarten, kommen knapp 2.000 Zuschauer ins Stadion. Doch ein lockerer Freizeitkick ist die Partie keineswegs. Die Amateure halten dagegen und gehen in der 64. Minute sogar in Führung. Der gerade eingewechselte Peter Darsow markiert das entscheidende 1:0 für den Außenseiter.
"Die Amateure haben ihrem Brötchengeber praktisch die Gurgel durchgeschnitten." Regionalliga-Coach Erwin Türk
"Darsow war eigentlich Vorstopper und hat nie ein Tor geschossen. Aber da hat er getroffen", erklärt Hehl. Die Blamage für das Regionalliga-Team ist perfekt und hat nicht nur sportliche Konsequenzen. Zuschauer-Einnahmen im DFB-Pokal sind wichtig für den Verein. Dass die Amateur-Elf weitere Qualifikationsrunden überstehen und die erste Hauptrunde erreichen wird, glaubt niemand. "Die Amateure haben ihrem Brötchengeber praktisch die Gurgel durchgeschnitten", tobte Regionalliga-Coach Erwin Türk.
St. Pauli protestiert gegen sich selbst - erfolglos
Was tut also der FC St. Pauli? Er legt tatsächlich Protest gegen die Wertung des Spiels und damit gegen sich selbst ein. Begründung: Hehl und Sturmlegende Horst Haecks, der nach einer schweren Knieverletzung sein Comeback gibt, seien für die zweite Mannschaft nicht spielberechtigt gewesen. Das Duo hatte sich "reamateurisieren" lassen, wie es im schönsten Verwaltungsdeutsch der 1960er-Jahre heißt. Laut FC St. Pauli sei der Vorgang aber noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.
Der Deutsche Fußball-Bund folgt dieser abenteuerlichen Begründung nicht und lehnt den Einspruch ab. Die Amateure dürfen in der zweiten Qualifikationsrunde antreten, verpassen aber gegen Göttingen 05 die nächste Sensation. Doch dies ist nur eine Randnotiz in einer der abenteuerlichsten Episoden in der Geschichte des DFB-Pokals.