Stand: 15.08.2017 17:02 Uhr

Pokal-Krawalle: Was wusste Hansa?

Nach den Ausschreitungen während des DFB-Pokalspiels zwischen Hansa Rostock und Hertha BSC (0:2) hat der Chef der Rostocker Polizeiinspektion Michael Ebert Vereinsoffiziellen von Hansa Rostock Mitwisserschaft vorgeworfen. Hansa-Anhänger hatten im Ostseestadion ein Hertha-Transparent verbrannt - es handelte sich um das legendäre 30 Meter lange Banner "Ostkurve Hertha BSC", das 2014 bei einem Einbruch aus einem Lagerraum im Berliner Olympiastadion gestohlen worden war. Das Banner habe sich in einem Raum befunden, dessen Schlüssel nur über den Verein zu bekommen sei, sagte Ebert dem NDR. Während eines "Ablenkungsmanövers" in der Halbzeitpause, bei dem die Aufmerksamkeit der Polizei auf Außenbereiche des Stadions gelenkt wurde, sei es dann auf die Tribüne gebracht worden.

Durchsuchung im Stadion ergebnislos

Hansa-Offizielle hätten die Beamten vor dem Spiel informiert, dass sich das Banner bereits im Stadion befinde und ausgerollt werden solle, erklärte der Polizeichef. Bei einer daraufhin durchgeführten Suchaktion sei jedoch nichts gefunden worden. Da für die Aktion auswärtige Ordner eingesetzt wurden, könne nahezu ausgeschlossen werden, dass diese das Banner selbst ins Stadion gebracht hätten oder es bei den Kontrollen unentdeckt geblieben sei, hieß es.

Hertha-Fans hatten bereits unmittelbar nach Beginn der zweiten Halbzeit Böller gezündet sowie Feuerwerkskörper und andere Gegenstände in den Hansa-Block geworfen. In der 75. Minute drangen dann Hansa-Anhänger in die extra eingerichtete leere Pufferzone ein, präsentierten und verbrannten das gestohlene Banner. Ordner und Polizei griffen minutenlang nicht ein. Die Pokalpartie wurde für 18 Minuten unterbrochen, es drohte gar ein Spielabbruch.

Ausgesperrte Hansa-Fans haben 1.000 Magdeburg-Tickets

Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat bereits ein Ermittlungsverfahren gegen beide Clubs eröffnet. Die Rostocker waren erst vor kurzem vom DFB-Sportgericht wegen diverser Vorfälle zu zwei Auswärtsspielen ohne Fans verurteilt worden, spielen zudem auf Bewährung. Allerdings wurde jetzt bekannt, dass die eigentlich für die Partie am 9. September beim 1. FC Magdeburg ausgeschlossenen Hansa-Fans an fast 1.000 Eintrittskarten gekommen sind. In Abstimmung mit dem DFB und Hansa Rostock prüft der FCM, "inwieweit wir da noch etwas ändern können", erklärte Clubsprecher Norman Seidler.

Hansa-Chef Marien geschockt und ratlos

Hansas Vorstandschef Robert Marien zeigte sich im NDR Interview von den Vorfällen im Pokalspiel geschockt und ratlos: "Wenn man sieht, dass hier 1.700 Polizisten und über 300 Ordner unterwegs waren, dass Spürhunde und HD-Kameras im Einsatz sind. Da wird im Bereich der Kontrolle alles getan, was getan werden kann. So etwas kann man sicher nur gesamtgesellschaftlich lösen, nicht allein als Drittligist." Auch Berlins Manager Micheal Preetz machte deutlich, dass der Einfluss der Clubs auf die Randalierer und gewaltbereite Fans eingeschränkt ist: "Den müssen sie mir zeigen, der da auf die Fans einwirken kann."

Hansa distanziert sich und verurteilt die Gewalt

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier bezeichnete die Vorfälle als "Schande des Fußballs". Der CDU-Politiker forderte die Hansa-Vereinsführung auf, sich klar und unmissverständlich von Gewalt zu distanzieren und dabei auch gewaltbereiten Fans die Rote Karte zu zeigen. Zumindest befremdlich mutet es in diesem Zusammenhang allerdings an, dass es auf der Webseite Hansa Rostocks lange nichts zu den Ausschreitungen zu lesen war: Die Krawalle erschienen lediglich als Randnotiz im Spielbericht ("kurze Spielunterbrechung", "...erneut wegen Ausschreitungen unterbrechen..."). Am Nachmittag erschien dann bei Facebook eine Stellungnahme mit einer klaren Distanzierung und Verurteilung der Gewalt. Zum Vorwurf der Mitwisserschaft sagte Marien: "Schuldzuweisungen und pauschale Verurteilungen von Vereinsmitarbeitern und Vereinsoffiziellen unmittelbar in der Nacht der Ereignisse, sind sicherlich in keiner Weise hilfreich und dienlich."

Immerhin: Es gab am Montagabend im Stadion auch einen kleinen Hoffnungsschimmer. Als auf der Tribüne offene Feuer entflammten, stimmte der Großteil der 22.400 Zuschauer einen lautstarken Protestgesang an: "Und ihr wollt Hansa Rostock sein?", schallte es durch die Arena.

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Nordmagazin | 15.08.2017 | 19:30 Uhr

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