Nach Sieg gegen den HSV: 96-Coach Leitl mit versteckter Kritik am Umfeld
Die Fußballer von Hannover 96 haben mit dem 1:0-Sieg gegen den HSV die richtige Antwort auf die harsche Kritik von Sportdirektor Marcus Mann nach dem Pokal-Aus bei Arminia Bielefeld gegeben. Coach Stefan Leitl hatte an den richtigen Stellschrauben gedreht - und konnte sich eine Spitze in Richtung Vereinsverantwortliche nicht verkneifen.
Ziemlich zum Ende der Pressekonferenz zum Nordduell mit den Hamburgern wurde der 46-Jährige gefragt, ob er denn nun Genugtuung verspüre. Leitl wich aus. Statt die Frage zu bejahen oder zu verneinen, erklärte er mit ernster Miene: "Die Tatsache, dass ich vor dem Spiel über so etwas sprechen musste, das sagt alles aus." Nach einer kurzen Atempause ergänzte der Trainer noch: "Mit vier Punkten."
Seine Aussage war als klare Kritik an seinen Kritikern zu verstehen, die da in der vergangenen Woche Marcus Mann und Martin Kind hießen. Sportdirektor Mann hatte sich dem Pokal-Aus in Bielefeld (0:2) nicht nur über den aus seiner Sicht "Schlafwagen-Fußball" des Teams geärgert, sondern auch öffentlich mit Konsequenzen gedroht: "Das schaue ich mir nicht mehr lange an." Und bald darauf meldete sich der entmachtete frühere Geschäftsführer Kind zu Wort und beklagte: "Im Moment ist überhaupt keine Enwicklung zu sehen."
Damit war Leitl trotz des ordentlichen Zweitliga-Starts mit vier Zählern aus zwei Partien ohne Gegentor vor der Begegnung gegen den HSV angezählt. Er hatte versucht, sich zu rechtfertigen. Doch natürlich war auch ihm bewusst, dass seine Position im Falle einer Pleite weiter und vermutlich noch stärker von den Cluboberen hinterfragt werden würde. Nun dürfte der gebürtige Münchner erst einmal in Ruhe weiterarbeiten können. Wobei die Betonung wohl auf "erst einmal" liegen muss.
Leitl verweist auf Aufbauarbeit
Mit seiner Aussage nach dem Erfolg gegen den HSV ließ Leitl, wenn auch verklausuliert, keine Zweifel daran, dass ihm das chronisch aufgeregte 96-Umfeld Kraft und Nerven kostet. Immer wieder betont der Trainer, dass er vor rund zwei Jahren eine Mannschaft übernommen hat, die zuvor gegen den Abstieg in die Dritte Liga gekämpft hatte.
Der 46-Jährige sieht seine Aufbauarbeit am Maschsee offenbar nicht genug gewürdigt. Was aber vermutlich viel schlimmer für ihn ist: die mangelnde Rückendeckung der Verantwortlichen.
Personelle Veränderungen greifen
Dabei ist Leitl mit dem nach seinen Vorstellungen in den vergangenen zwei Jahren umgebauten Team auf einem guten Weg. Gegen Hamburg zeigte 96 die reifere Spielanlage, trat insgesamt etwas kompakter auf als der Nordrivale und hinterließ den Eindruck einer gewachsenen Mannschaft. Zudem machten sich die insgesamt sechs personellen Umstellungen im Vergleich zum Pokalspiel in Bielefeld (0:2) positiv bemerkbar.
Insbesondere die Hereinnahme von Jessic Ngankam war eine goldrichtige Entscheidung von Leitl. Der Stürmer war nicht nur ein ständiger Unruheherd für die allerdings auch sehr unruhigen Hamburger. Die Leihgabe von Eintracht Frankfurt traf auch per Strafstoß zum Sieg. Dass der 24-Jährige den Elfmeter selbst herausgeholt hatte, war zudem ein Indiz für das Riesenpensum, das er abspulte.
Matchwinner Ngankam gibt 96 "Wucht und Tiefe"
"Er gibt uns Wucht und Tiefe", lobte Leitl den Matchwinner, den er bereits aus gemeinsamen Zeiten bei der SpVgg Greuther Fürth kennt. Am Anfang der vergangenen Woche führte der Trainer ein Vier-Augen-Gespräch mit Ngankam, der in den ersten drei Pflichtspielen der Saison nicht über "Joker"-Einsätze hinausgekommen war. "Er und ich hatten das Gefühl, dass er jetzt an der Reihe ist. Und er hat das gebracht, was wir sehen wollen", lobte der Coach den Angreifer.
In der gegen den HSV gezeigten Verfassung ist Ngankam in Liga zwei fraglos ein Unterschiedsspieler. Oder um es mit anderen Worten zu sagen: Er ist in dieser Form für das Bundesliga-Unterhaus überqualifiziert. Aber, und dieses Aber war Leitl wichtig zu betonen: "Es war keine einfache Zeit für ihn. Wenn er in der Vergangenheit funktioniert hätte, wäre er nicht bei Hannover 96."
Der Coach sprach damit auf die vorigen Stationen des gebürtigen Berliners an. Weder bei der Eintracht aus Frankfurt noch beim FSV Mainz 05, wohin er in der vergangenen Rückrunde verliehen worden war, gelang ihm auch verletzungsbedingt der Erstliga-Durchbruch. Daher gab ihn Frankfurt nun bis zum Saisonende nach Hannover ab. Sein Kontrakt bei den Hessen ist noch bis 2028 datiert, was davon zeugt, dass die Eintracht nicht an seinen Qualitäten zweifelt.
Nächste Reifeprüfung Freitag in Düsseldorf
Apropos Qualitäten: Die werden von 96 und Ngankam auch am kommenden Freitag (18.30 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) gefragt sein, wenn die Partie bei Beinahe-Aufsteiger Fortuna Düsseldorf auf dem Programm steht. Im Rheinland gilt es für die Niedersachsen, ihren insgesamt überzeugenden Auftritt gegen den HSV zu bestätigten. Gelingt dies nicht, könnte es wieder unruhig werden im Umfeld.
Dessen ist sich natürlich auch Leitl bewusst. Daher betonte der Coach auch noch einmal, dass Rückschläge in der "sehr engen Liga" einkalkuliert werden müssen: "Wir werden Spiele verlieren, wir werden auch mal ein Gegentor bekommen und dann geht’s die Woche drauf weiter." Allerdings weiß der 46-Jährige natürlich nur zu genau, dass es in Hannover nach Niederlagen eben nicht einfach so weiter geht. Der beste Beweis dafür war die Woche nach der Pleite in Bielefeld.