Frauen-Bundestrainer Horst Hrubesch © Witters Foto: Frank Peters

Horst Hrubesch - Ungeheuer erfolgreich

Stand: 17.05.2024 22:40 Uhr

Als Spieler ist das einstige "Kopfballungeheuer" Horst Hrubesch eine Legende, als Trainer hat er ein Händchen für Talente. Nun steht er vor den letzten Monaten seiner Tätigkeit für den DFB. Dann soll Schluss sein mit der Trainerkarriere. Endgültig?

von Inka Blumensaat

Der Frauen-Bundestrainer möchte mit seinem Team ab Ende Mai die EM-Qualifikation perfekt machen und anschließend bei den Olympischen Spielen eine Medaille gewinnen. Das soll es als Trainer dann gewesen sein - endgültig. Weggefährten des 73-Jährigen bezweifeln allerdings, dass es bei dieser Ansage bleibt.

Ein ganzer Strauß an Weisheiten

"Du musst das machen, was Du kannst. Und was Du nicht kannst, lässt Du weg", ist eine der Weisheiten aus der langen Trainerkarriere von Horst Hrubesch. Eine andere lautet: "Mit dieser Qualität im Team macht es keinen Sinn, Spiele zu verlieren."

Auf die Frage in der neuen ARD-Dokumentation über Horst Hrubesch, ob solche Sätze nicht etwas banal seien, antwortet Mats Hummels, der 2009 unter Hrubesch U21-Europameister wurde, mit einem strahlenden Lächeln und verweist auf die Glaubwürdigkeit des Trainers: "Er hat keine wechselnden Gesichter und nie eine Maske auf. Er war immer Hotte. Ein nahbarer Trainer mit einer natürlichen Autorität und das ist Gold wert als Coach."

BVB-Profi Hummels ist nur einer von vielen Stars, die beim DFB im Nachwuchsbereich einst auf Hrubesch trafen. Auch Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira und Manuel Neuer hat er ein Stück weit begleitet. Alle sprechen mit der höchsten Wertschätzung über Hrubesch, dessen Trainerkarriere durchaus holprig startete.

Tränen und Frust bei der Euro 2000

Nach einigen Stationen als Vereinstrainer landete der gebürtige Westfale Ende der 1990er-Jahre beim DFB und wurde später Co-Trainer von Erich Ribbeck beim Nationalteam. Sein Name ist damit zunächst verbunden mit einer finsteren Epoche des deutschen Fußballs - mit der Euro 2000.

Das Team um den zurückgekehrten Weltmeister Lothar Matthäus scheitert blamabel im letzten Gruppenspiel gegen Portugal mit 0:3. Der Inbegriff des "Rumpelfußballs", Vorrundenaus bei einer Europameisterschaft - das gab es bis dahin noch nie. Die größtmögliche Erschütterung - für den DFB und für Horst Hrubesch, dem nach dem Spiel auf der Bank die Tränen kommen.

"Mir ging so nahe, dass eine Mannschaft einfach aufgegeben hat. Das kann doch nicht sein, dass ich nicht an mich selbst glaube und mich nicht wehre. Das war einer der Punkte, wo ich gesagt habe: Du musst Dir überlegen, ob Du was anderes machst." Die Zweifel hielten nicht lange an. "Aber da habe ich mir dann geschworen: Nee, mache ich nicht."

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Horst Hrubesch köpft 1978 den Ball, links Kevin Keegan. © Imago Images

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Erfolge als Nachwuchstrainer

Das Debakel war gleichzeitig ein Wachmacher für den deutschen Fußball. Der DFB initiierte ein neues Talentförderprogramm, Nachwuchsleistungszentren wurden gegründet. Aus der Jugend von 1860 München schafften die Zwillinge Lars und Sven Bender den Sprung in die U19-Nationalmannschaft, die damals von Horst Hrubesch trainiert wurde.

"Er war sehr direkt, damit musste man erstmal umgehen lernen", erinnert sich Sven Bender (264 Bundesligaspiele für Dortmund und Leverkusen). "Er hat auch mal Spieler am Kragen gepackt und dorthin gezogen, wo er sie haben wollte. Ich glaube, heute wäre das nicht mehr so normal, aber er meint es immer gut."

Hummels: "Er ist nie ungerecht gewesen"

2008 holten die U19-Junioren bei der EM den ersten Titel für ein deutsches Nachwuchsteam seit 16 Jahren. Auch, weil Hrubesch es geschafft hatte, die ebenso talentierten wie bisweilen undisziplinierten Kreativspieler Timo Gebhart und Deniz Naki zu integrieren.

"Horst Hrubesch hatte ein Händchen dafür ein Team zu formen, das auch diese Chaoten vertragen hat. Er hat zum Beispiel zu meinem Bruder und mir immer gesagt, dass nicht die zwei verantwortlich seien, wenn sie Mist bauen, sondern wir, weil wir die nicht im Griff hätten",  erzählt Sven Bender.

VIDEO: Stimmen zu Horst Hrubesch. Herzlich, gerecht, ein Weltklasse-Trainer (2 Min)

Immer wieder springt Hrubesch ein beim DFB, so auch als Trainer der U21, mit der er 2009 den EM-Titel holt. Die HSV-Ikone kann schnell die Tonart wechseln und auch laut werden, erinnert sich sein damaliger Spieler Hummels: "Aber er ist nie ungerecht gewesen. Wenn er Dich mal angeschnauzt hast, hattest Du es Dir verdient. Und trotzdem hattest Du immer das Gefühl, ein wichtiger Teil der Gruppe zu sein und auch, dass er Dich irgendwie mag. Bezüglich der Menschen- und Gruppenführung bei einem Turnier ist er ein absoluter Weltklasse-Trainer."

Hrubesch selbst spricht stets bescheiden von seinen eigenen Leistungen und betont, dass am Ende immer die Profis dafür verantwortlich seien, das Beste aus sich herauszuholen.

Hrubesch und das Image des Feuerwehrmannes

2018 war er gerade DFB-Sportdirektor und die Frauen-Nationalmannschaft in Not, Bundestrainerin Steffi Jones musste gehen. Wieder springt Hrubesch ein, wenn es brennt - und nährt so das Image eines Feuerwehrmannes. "Ein Feuerwehrmann hat einen sehr, sehr hohen Stellenwert in der Gesellschaft", gibt die ehemalige Nationaltorhüterin Almuth Schult zu bedenken. "Und wenn man ihn dann in der Not anruft, ist das ja eine Auszeichnung. Und er ist nun mal ein Verbesserer. Er mag keinen Stillstand."

Problemlos gelang Hrubeschs Team damals die WM-Qualifikation. Als er im Herbst 2023 erneut bei der Nationalelf der Frauen einsprang - diesmal für die erkrankte Martina Voss-Tecklenburg -, war die Lage schwieriger: Nach dem historischen WM-Aus und dem Fehlstart in die Nations League war die Olympia-Qualifikation in Gefahr. Hrubesch schaffte es, dass Selbstbewusstsein und Selbstverständnis zurückkehren. Nationalspielerin Lena Oberdorf lobt die Ehrlichkeit des Trainers: "Er sagt Dir auch ins Gesicht, wenn Du schlecht gespielt hast, er schmiert Dir keinen Honig um den Mund. Genau das brauchen wir."

Hrubesch fiebert Olympia entgegen

Die Qualifikation für Paris ist perfekt, Hrubesch fiebert Olympia entgegen. Weil er die Spiele von Rio 2016 als Trainer der Männerauswahl mehr als jedes andere Turnier genossen hat. "Wenn Du so viele unterschiedliche Nationen auf einem Haufen hast und so viele Sportarten, so viele Menschen und siehst, wie sie miteinander leben, das kannte ich auch nicht. Das hat mich fasziniert."

Damals an seiner Seite: die Benders. Hrubesch und die Zwillinge haben sich seit der U19 nie aus den Augen verloren, und so berief er die beiden als Routiniers in seine Olympiaauswahl - drei Spieler im Kader dürfen die U23-Altersgrenze überschreiten.

Wer die Spiele von damals schaut, sieht jubelnde Torschützen zu ihrem Trainer laufen, hat das Gefühl, dass sich die auf dem Platz für den an der Linie fast zerreißen. "Es hieß damals, dass es das letzte Turnier von Horst Hrubesch ist, dass er seine aktive Trainerkarriere dann beendet. Da wollte natürlich jeder Spieler auch nochmal alles für ihn geben. Wir wollten die Spiele erfolgreich abschließen, auch für ihn." Erst im Finale unterlag Deutschland Brasilien im Elfmeterschießen.

"Bei Hrubesch weiß man nie…"

Im August übergibt Hrubesch sein Amt als Bundestrainer an Christian Wück. Damit, so zumindest der Plan, endet seine Trainerkarriere. "Ich würde bei ihm nichts ausschließen. Wenn er jetzt sagt, dass es das gewesen sein soll, würd ich sagen: Bei Horst Hrubesch weiß man nie", sagt BVB-Co-Trainer Sven Bender der ARD lachend. Beim DFB jedenfalls werden sie den "ewigen" Hrubesch mit all seiner Wärme, seinem Engagement und seiner Weisheit vermissen.

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Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 19.05.2024 | 22:45 Uhr

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