Holstein Kiel: Norddeutsch unaufgeregt - in die Bundesliga?
Für Holstein Kiel geht es nach der Sensation im DFB-Pokal gegen Bayern München im Liga-Alltag gegen den Karlsruher SC weiter. Die "Störche" wollen sich - wie ihr Vorbild Freiburg - nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Wolfgang Schwenke weiß noch genau, wie alles begann - das Datum hat der Kieler Geschäftsführer sofort parat. Am 7. Februar 2012 empfing die KSV, damals noch Regionalligist, im DFB-Pokal-Viertelfinale den Doublegewinner Borussia Dortmund. Und auch wenn die "Störche" am Ende mit 0:4 verloren, war es "der Weckruf in Sachen Fußball" in einer Stadt, in der es lange nur Handball und den großen THW gab.
Das weiß natürlich kaum einer besser als der 52 Jahre alte ehemalige Handball-Profi Schwenke. Als er 2009 bei Holstein antrat, um den Verein zu professionalisieren, "hatten wir 200 Dauerkarten, bei den Spielen waren knapp 1.000 Leute im Stadion".
Für das Duell mit Dortmund krempelten die Mitarbeiter des Vereins die Ärmel hoch: "Wir haben alles dafür gegeben, damit wir dieses Spiel in Kiel austragen konnten", erinnert sich Schwenke im NDR Interview. Die deutlich einfachere Variante, die Partie im Stadion des FC St. Pauli auszutragen, wurde schnell beiseitegeschoben. "Wir hatten keine Rasenheizung hier. Wir mussten ein Zelt aus England holen, um den Platz von oben zu beheizen. Und es war dann ein Riesen-Event, von dem wir Jahre lang gezehrt haben."
"Wollen ein Freiburg im Norden werden"
In der folgenden Saison schafften die Schleswig-Holsteiner den Aufstieg in die Dritte Liga, im Jahr 2017 folgte der nächste Aufstieg - und jetzt haben die Kieler Bayern München aus dem Pokal geworfen und klopfen an das Tor zur Bundesliga. Größenwahn dürfte bei den Kielern trotzdem nicht Einzug halten. "Wir wissen, wo wir hingehören. Wenn wir ein Freiburg im Norden werden können, dann wäre das ein ganz toller Weg", betonte Schwenke.
Schwenke lobt Zusammenarbeit mit Schneekloth und Stöver
Überhaupt nimmt sich auch der "Vater des Erfolgs" nicht so wichtig. Der kaufmännische Geschäftsführer lobt das gute Miteinander mit Uwe Stöver, seit Oktober 2019 Geschäftsführer Sport in Kiel, und Präsident Steffen Schneekloth. "Wir kommen alle aus dem Sport und haben einen großen Erfahrungsschatz. Wir haben schon schwierige Situationen gemeistert - auch in unserem Sportlerdasein", erklärte Schwenke. "Dass wir diese Erfahrung einbringen, strahlt für Mitarbeiter und Spieler die Ruhe aus, auch in schwierigen Situationen selbst die Ruhe zu bewahren."
Und auch der Aufsichtsrat vertraue dem Führungstrio, so Schwenke: "Wenn es mal kippelig ist, wird nicht gleich ins Lenkrad gegriffen. Sonst kommt man nämlich ins Schlingern. Der Aufsichtsrat gibt uns die Freiheit, die wir brauchen. Wir lassen uns nicht beirren."
Nur kein böses Erwachen nach der großen Party
Im DFB-Pokal geht es am 2. Februar (18.30 Uhr) gegen Liga-Konkurrent Darmstadt 98 weiter. Die volle Konzentration gilt aber erst einmal dem Zweitliga-Heimspiel gegen den Karlsruher SC heute (13.30 Uhr/im NDR Livecenter). Das böse Erwachen im Alltag soll nach der Cup-Party unbedingt vermieden werden.
"Es ist schön, dass wir den Leuten eine Freude machen konnten in Zeiten, die uns allen viel abverlangen. Es ist ein Erlebnis, an das wir alle, die dem Verein und der Stadt Kiel verbunden sind, noch lange denken werden", sagte Erfolgstrainer Ole Werner, fügte aber umgehend hinzu: "Wir wollen in der Liga was erreichen, ganz klar. Das wird eine Herausforderung für Kopf und Körper. Aber der Bayern-Sieg kann die Brust auch breiter werden lassen."
"Ole zahlt das Vertrauen großartig zurück"
Schwenke ist sich jedenfalls sicher, dass 2019 mit Werner genau der richtige Mann auf dem Cheftrainer-Posten Platz genommen hat. Die Installation des 32-Jährigen sei von langer Hand geplant gewesen. Der Coach aus dem eigenen Nachwuchs, der in seiner KSV-Zeit von der B-Lizenz bis zum Fußball-Lehrer-Schein die komplette Ausbildung zum Profitrainer durchlaufen hat, konnte an der Förde in Ruhe reifen. Wenn man das bei einem Mann in seinem Alter überhaupt sagen kann.
Schwenke ist voll des Lobes: "Wir haben immer an Ole geglaubt, und er zahlt das Vertrauen jetzt einfach großartig zurück." Wohin die Reise noch geht? 2018 verpasste die KSV in den Aufstiegsspielen gegen den VfL Wolfsburg bereits knapp den erstmaligen Sprung in die Bundesliga. Aktuell belegt die Mannschaft unter Werner wieder den dritten Platz. "Wir haben noch eine ganze Menge in diesem Club zu tun. Wir machen das norddeutsch unaufgeregt, und so soll es auch weitergehen", betonte Schwenke.