Hannover 96: Wie moderiert man das Ziel Aufstieg?
Hannover 96 ist erfolgreich in die Zweitliga-Saison gestartet. Das schürt die ohnehin hohen Erwartungen. Kann der Verein sich bei der Bundesliga-Rückkehr nur selbst stoppen?
Am Donnerstagabend fühlte es sich schon einmal kurz wie Bundesliga an, als Hannover 96 bei Union Berlin testete. Der Fußball-Zweitligist kämpfte erst mit dem Stau auf den Straßen und anschließend gegen die Köpenicker "An der Alten Försterei". Die "Roten" trugen in Berlin ihren zweiten Anzug auf, verloren gegen den Bundesligisten am Ende mit 1:4. Das Ergebnis war jedoch zweitrangig, Trainer Kenan Kocak gab Youngstern und Spielern aus der zweiten Reihe Einsatzzeit: "Die Jungs haben das gut gemacht. Ich wollte sie auch für ihre Arbeit im Training belohnen", sagte er dem NDR. Das Zeichen war deutlich: Jeder ist wichtig und jeder bekommt seine Chance.
Ein Kader mit Qualität und Tiefe
Seit knapp elf Monaten ist Kocak Cheftrainer in der niedersächsischen Landeshauptstadt und hat einen damals taumelnden Zweitligisten zu einem Aufstiegsaspiranten geformt. Der 39-Jährige zeichnet sich dabei dadurch aus, dass er auf und neben dem Platz geschickt moderiert. Als 96 im Sommer den Kader umkrempelte, wurden altgediente Profis wie Marvin Bakalorz, Edgar Prib oder Ron-Robert Zieler aussortiert. Gestandene Neuzugänge wie Michael Esser, Baris Basdas, Mike Frantz, Niklas Hult oder Sei Muroya wurden von Kocak schnell integriert und zu Säulen in einem Kader, der von der Erfahrung dieser Spieler profitiert. Wie im prestigeträchtigen Niedersachsenderby gegen Braunschweig, in dem die "Roten" nach dem 0:1-Rückstand die Ruhe behielten und danach erst richtig loslegten. Die Offensive um die Stürmer Hendrik Weydandt und Marvin Ducksch profitiert davon, dass ein Ausnahmespieler wie Linton Maina gehalten werden konnte und Genki Haraguchi in dieser noch jungen Saison aufblüht.
Kocak bieten sich in Kingsley Schindler, Patrick Twumasi und dem jüngst verpflichteten Simon Falette zudem noch personelle Alternativen, was für die Breite des Kaders spricht. Die wird 96 auch brauchen in einer intensiven Saison mit wenigen Pausen. Und nach sechs Punkten aus den ersten drei Spielen stellt sich an der Leine schon die Frage, ob Hannover in den kommenden Wochen und Monaten weiter erfolgreich Fußball spielen wird. Und ob am Ende nach dann zweijähriger Abstinenz die Rückkehr in die Bundesliga steht.
Kocak setzt auf die leisen Töne, Kind auf die lauten
Die Antwort auf diese Fragen hängt in Hannover davon ab, wen man fragt. Wenn Trainer Kocak mit dem Thema Aufstieg konfrontiert wird, will er lieber über etwas anderes reden. Über Fehler, die seine Spieler nach wie vor machen und die man abstellen muss, über Prozesse und Entwicklungsschritte. Mit seiner Zurückhaltung dämpft er keineswegs Erwartungen, sondern nimmt Druck von seinen Spielern. Denn bei noch 31 zu spielenden Partien geht es auch darum, verfrühte Höhenflüge seiner Kicker zu vermeiden und Störfeuer von außen zu verhindern.
Einen anderen Zugang zu dem Thema wählt Martin Kind. "Für diese Mannschaft kann es kein anderes Ziel geben als den Aufstieg", sagte der 96-Chef dem "Sportbuzzer". Kind begründete dies auch mit den finanziellen Verpflichtungen, die 96 eingegangen sei: "Wir haben nach oder sogar vor dem HSV die teuerste Mannschaft der Zweiten Liga", so der 76-Jährige. Umso mehr freut sich der Geschäftsführer aktuell darüber, dass die Investitionen anscheinend Früchte tragen. Explizit lobte er dabei Kocak und Sportchef Gerhard Zuber: "All die Jahre ist noch nie so professionell argumentiert und strukturiert gearbeitet worden." Kind muss es wissen, schließlich gaben sich unter seiner Ägide über Jahre Funktionsträger die Klinke in die Hand.
Kocak wird weiter daran arbeiten, allem gerecht zu werden: sich selbst und seinen Erwartungen an die Mannschaft, dem Gefüge und den Ansprüchen der Spieler sowie den Forderungen des 96-Chefs. Eigentlich nicht so schwer, wenn alle auf das gleiche Ziel hinarbeiten. Und doch nicht so einfach, wie man denkt.