HSV kämpft heute in Braunschweig um seine wohl letzte Chance
Fußball-Zweitligist HSV will heute mit einem Sieg bei Eintracht Braunschweig seine Minimalchance auf den Relegationsplatz am Leben halten - und den Kater der Niederlage gegen Holstein Kiel überwinden. Gegen den defensiv starken BTSV zähle nur das "nackte Ergebnis", sagte Trainer Steffen Baumgart.
Die schwarze Kappe mit der HSV-Raute saß wie angegossen und der neue Coach lieferte direkt: "Ich bin hier, weil wir aufsteigen wollen", rief Baumgart energisch. Und er hatte durchaus Anlass dazu: Auf Rang drei mit den direkten Aufstiegsplätzen in Reichweite bekam der Traum der Hamburger von der heiß ersehnten Bundesliga-Rückkehr mit der Ankunft des 52-Jährigen neue Nahrung. Das war am 20. Februar. Es war die HSV-Zukunft, die dort strahlte.
Nur zwei Monate später ist die Kappe zwar dieselbe, die Stimmung aber eine gänzlich andere: Jegliche Euphorie, die mit Baumgarts Verpflichtung verbunden war, ist verflogen. Der Zauber, den der gebürtige Rostocker bei seiner Vorstellung versprühte, ist spätestens nach dem 0:1 gegen Spitzenreiter Holstein Kiel am vergangenen Wochenende tiefer Ernüchterung gewichen. Aus Relegationsplatz drei mit Tuchfühlung zu den direkten Aufstiegsrängen ist ein kaum einholbarer Rückstand geworden.
Kinder fragen Baumgart am "Zukunftstag" aus
Wie in vielen anderen Unternehmen im ganzen Land auch hatten Kinder am Donnerstag im Rahmen des "Zukunftstags" die Chance, beim HSV reinzuschnuppern - und dem Trainer vor der heutigen Partie bei Eintracht Braunschweig (13 Uhr, im NDR Livecenter) auf den Zahn zu fühlen: Ob der HSV noch aufsteigen werde, wollten die Kinder wissen. Ob er auch in der neuen Saison noch Trainer in Hamburg sei? Ob er vor seinem Amtsantritt gewusst habe, dass der Kader der "Rothosen" nicht zu seinem Spielstil passen würde? Und wie lange es brauchen werde, seine Ideen in die Köpfe der Spieler zu bekommen?
"Ich komme hier ja richtig ins Schwitzen", sagte Baumgart, bemühte sich wiederholt um ein Lächeln und gab diplomatisch Antworten. Man sei in einer "nicht so guten Situation", in der vieles "nicht mehr von uns abhängt". Dass er "sehr gerne in Hamburg bleiben" wolle. Und dass der "Kader gut" sei, die Spieler es "immer besser, wenn auch noch nicht gut genug" machen würden. Und dass er glaube, "dass es gar nicht so lange dauern" werde, seine Ideen umzusetzen, man aber mit Blick auf den vor der Saison avisierten Aufstieg "nur keine Zeit mehr" habe.
"Wir glauben noch dran, bis zum letzten Tag"
Und in der Tat, vier Spieltage vor Schluss gehen ihm und seinem Team angesichts der tristen Tabellensituation mit sechs Zählern Rückstand auf Fortuna Düsseldorf auf Relegationsrang drei tatsächlich langsam aber sicher die Begegnungen aus, um doch noch über die Relegation aufsteigen zu können. "Wir glauben noch dran, bis zum letzten Tag. Aber wir wissen natürlich, dass es eine schwere Aufgabe ist und wir in der ganzen Saison schon das eine oder andere liegengelassen haben."
Mit Blick auf das vergangene Wochenende sagte Baumgart: "Alle haben mit dem Ergebnis gegen Kiel zu tun gehabt." Und so sieht die unmittelbare Zukunft die Partie gegen die "Löwen" vor, der noch drei Zweitliga-Begegnungen in dieser Saison folgen. Auf die aller Voraussicht nach eine weitere Spielzeit in der 2. Liga folgt. Die dann siebte.
Das hat die Niederlage gegen Holstein so gut wie zementiert. Entsprechend schwer sei unter der Woche auch die Stimmung gewesen, berichtete der Coach. Die "Leichtigkeit und Freude" sei in dieser Woche angesichts der Situation "nicht so da" gewesen im Training.
Drei Punkte für die Minimalchance auf die Relegation
Die Ansagen sind Durchhalteparolen gewichen. Sebastian Schonlau hatte am Mittwoch den Anfang gemacht: Der Kapitän forderte weiterhin einen klaren Fokus aller Spieler auf das Saisonfinale. "Das ist unsere Aufgabe, unser Job", sagte der Abwehrspieler. Die Professionalität eines jeden einzelnen Spielers müsse über allem stehen: "Am Ende ist es kein Hobby mehr, sondern wir sind gefordert."
Es gehe darum, alles zu geben und im Idealfall Punkte zu sammeln, meinte der Innenverteidiger. "Das haben unsere Fans verdient. Dass sie sehen, wir kämpfen weiter und hören nicht mit irgendwas auf." Das unterstrich auch sein Coach mit Blick auf das Spiel gegen den BTSV: "Es geht ums nackte Ergebnis." Man brauche in Braunschweig "drei Punkte für die Minimalchance".
Dafür stehen ihm bis auf Topscorer Laszlo Benes ("Wir hoffen, dass er überhaupt noch spielt") alle Spieler zur Verfügung. Wie er aufstellen werde - etwa ob Ignace van der Brempt oder Ludovit Reis als Rechtsverteidiger auflaufen wird -, ließ Baumgart sich nicht entlocken.
Baumgart fordert von seinem Team Intensität
Gegen die Eintracht, "deren Stärke im Verteidigen liegt", werde es aber darum gehen, den Ballbesitz gut zu nutzen, Lösungen zu finden und mit viel Intensität zu spielen. Die Ergebnisse des Teams von Daniel Scherning, mit dem Baumgart einst in Paderborn zusammen erfolgreich wirkte, überraschen den 52-Jährigen nicht.
Baumgart als Chef und der zwölf Jahre jüngere Scherning als Co-Trainer arbeiteten von 2016 bis 2021 in Paderborn zusammen. Sie führten den SCP 2018 in die 2. Liga und ein Jahr später in die Bundesliga. "Wir haben uns sehr gut ergänzt", sagte Baumgart. Jetzt geht es gegeneinander und in der Rückrunde haben die "Löwen" unter Scherning sogar mehr Zähler geholt als der HSV.
Sollte das auch nach Sonnabend der Fall sein, ist für Baumgart nach seiner Entlassung in Köln Ende des vergangenen Jahres der nächste sportliche Tiefschlag binnen weniger Monate nicht mehr zu verhindern.
Mögliche Aufstellungen:
Eintracht Braunschweig: Hoffmann - Kurucay, Bicakcic, Decarli - Rittmüller, Krauße, Donkor - Kaufmann, Helgason - Gomez, Philippe
Hamburger SV: Raab - van der Brempt, Hadzikadunic, Schonlau, Muheim - Meffert - Reis, Pherai - Königsdörffer, Glatzel, Dompé