Verteidiger Nestor Djengoue im Trikot des Fußball-Regionalligisten Phönix Lübeck © IMAGO / Lobeca

Gestern Profi, heute arbeitslos: Fußballer im "Camp der Hoffnung"

Stand: 09.07.2023 12:53 Uhr

Ruhm und Reichtum - davon träumen wohl alle Fußballer, wenn sie ihr Hobby zum Beruf machen können. Doch das Leben als Profi hat für viele Kicker auch seine Schattenseiten. In den unteren Ligen werden nur kleine Gehälter bezahlt. Und einige Akteure finden nicht einmal dort eine Anstellung. Ihre letzte Hoffnung ist das Camp der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV).

Es liegt eine nervenaufreibende Saison hinter Nestor Hervé Djengoue. Mit der Regionalligisten Phönix Lübeck musste der 32-jährige Kameruner buchstäblich bis zur letzten Sekunde um den Klassenerhalt bangen. Erst in der Nachspielzeit des Duells mit der U23 von Werder Bremen trafen die Schleswig-Holsteiner zum 3:2-Erfolg, der ihnen den Ligaverbleib sicherte. Anschließend wurde am Flugplatz kräftig gefeiert, die Nacht zum Tag gemacht. Für Djengoue war es gleichzeitig eine Abschiedsparty. Denn einen neuen Vertrag erhielt der Verteidiger, der in seiner bewegten Laufbahn bereits in Italien, Kroatien und Tschechien spielte, bei den "Adlern" nicht.

VDV bietet umfassende Beratung und Betreuung an

Der Routinier steht derzeit im übertragenen Sinne auf der Straße, ist auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber. Helfen soll ihm dabei die VDV. Bereits zum 21. Mal richtet die Spielergewerkschaft in der Sportschule Wedau in Duisburg das Camp für vereinslose Profis aus. Dort können sie sich vier Wochen lang unter professionellen Trainingsbedingungen auf die erhoffte neue Aufgabe vorbereiten. Auch Testspiele stehen auf dem Programm. Außerhalb des Platzes werden die Spieler zudem medizinisch und sportwissenschaftlich betreut und erhalten Beratung durch Experten zu Themen wie Arbeitsrecht, Transferrecht, Laufbahncoaching und Psychologie.

Neururer trainiert arbeitslose Fußballer

Trainiert werden die Vereinssuchenden erneut von Peter Neururer. Bereits zum sechsten Mal leitet der 68-Jährige das Camp. Derzeit hat er elf erwerbslose Kicker unter seinen Fittichen. Der langjährige Bundesliga-Coach nimmt seine Aufgabe sehr ernst. Oder besser: Er macht seinen Job mit derselben Professionalität wie bei einem Erstliga-Club. Im vergangenen Jahr bekamen das drei Camp-Mitglieder zu spüren. Nach einem verlorenem Testspiel gegen das Amateurteam Eintracht Rheine wütete Neururer: "Bei uns waren die Leistungsunterschiede zu groß. Bei drei Spielern reicht es einfach nicht. Das werden wir ihnen morgen auch mitteilen. Sie werden ab morgen nicht mehr dabei sein."

80 Prozent der Spieler finden neuen Club

Es herrschen also strenge Regeln und hohe Leistungsanprüche im "Camp der Arbeitslosen", wie der Boulevard das VDV-Trainingslager getauft hat. Rauswürfe sind allerdings die Ausnahme. Das Gros der Akteure ist äußerst diszipliniert und fleißig - und spätestens nach einem Monat wieder in Lohn und Brot. Nach Angaben der Spielergewerkschaft können 80 Prozent der Teilnehmer an Clubs vermittelt werden. Auch frühere Nationalspieler wie Christian Rahn oder langjährige Bundesliga-Spieler wie Markus Anfang haben ihre vereinslose Zeit bereits im VDV-Camp überbrückt.

Ex-Zwickau-Profi Möker prominentester Spieler im Camp

In diesem Jahr fehlen die ganz prominenten Namen allerdings. Der Wolfenbütteler Yannik Möker ist mit der Erfahrung aus 63 Drittliga-Partien für den FSV Zwickau noch der bekannteste Name. Der 23-Jährige dürfte gute Chancen auf ein neues Arbeitsverhältnis auf gehobenem Niveau haben. Andere Akteure wie der 19-jährige Malik Mamadou Dieudonne, der zuletzt für den TSV Havelse spielte, oder der ein Jahr ältere Marian Rutkowski - erhielt bei Hannover 96 II keinen neuen Kontrakt - stehen noch ganz am Anfang ihrer Karrieren.

Selbiges trifft auch auf Ninte Nater zu, der dem Traum vom großen Profifußball aber schon ganz nah war. Der Angreifer wurde bei Atletico Madrid ausgebildet und lief bis vor wenigen Wochen für die U19 von Rayo Vallecano auf. Nun hofft der 18-Jährige, im Trikot der VDV andere Clubs auf sich aufmerksam machen zu können.

Test gegen Gütersloh als Bühne

Am Mittwoch bietet sich ihm und den anderen arbeitslosen Profis dazu Gelegenheit, wenn ein Testspiel gegen den Regionalligisten FC Gütersloh auf dem Programm steht. Es ist davon auszugehen, dass unter den Zuschauern etliche Scouts sein werden. Die Hoffnung, sie von sich zu überzeugen, wird bei jedem Ballkontakt mitschwingen. Und anders als bei seinen früheren Stationen als Vereinscoach wäre Neururer heilfroh, wenn einige seiner jetzigen Spieler am kommenden Tag nicht zum Training erscheinen würden. Das würde schließlich bedeuten, dass sie einen neuen Club gefunden haben.

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Dieses Thema im Programm:

Sportreport | 08.07.2023 | 18:05 Uhr

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