Fußballerinnen des VfL Wolfsburg nach Umbruch in Außenseiterrolle
Frauenfußball-Bundesligist VfL Wolfsburg hat in den vergangenen Jahren sukzessive wichtige Stammspielerinnen verloren. Auch in diesem Sommer gab es bei den "Wölfinnen" großen personellen Aderlass, sodass der Werksclub nicht als Titel-Topfavorit in die neue Serie geht.
Tessa Wullaert, Nilla Fischer, Caroline Graham-Hansen, Babett Peter, Sara Björk Gunnarsdóttir, Noelle Maritz und Pernille Harder hießen die prominentesten VfL-Abgänge seit 2018, bevor nach dem Ende der vergangenen Serie in Ingrid Syrstad Engen und Fridolina Rolfö (beide zum FC Barcelona) zwei weitere Nationalspielerinnen den Niedersächsinnen den Rücken kehrten. Zudem beendeten die langjährigen und verdienten Wolfsburg-Akteurinnen Lena Goeßling, Zsanett Jakabfi sowie Lara Dickenmann ihre Karrieren und Coach Stephan Lerch wechselte zur TSG Hoffenheim, bei der er die U17-Junioren übernommen hat.
Kellermann: "Werden keinen Druck aufbauen"
Genau betrachtet befindet sich der sechsmalige deutsche Meister also seit Jahren in einem personellen Umbruch. So groß wie aktuell waren die Veränderungen beim Rekord-Pokalsieger allerdings noch nie, wie der Sportliche Leiter Ralf Kellermann zu verstehen gab. "Als Stephan Lerch 2017 das Traineramt übernommen hat, konnte er auf eine eingespielte Mannschaft zurückgreifen. Dieses Mal ist die Mannschaft und das komplette Trainer-Team neu", erklärte der 52-Jährige.
Bewusst haben die VfL-Verantwortlichen darauf verzichtet, eine offizielle Zielsetzung zu formulieren. "Wir werden keinen Druck aufbauen. Dafür ist der Umbruch zu groß", sagte Kellermann.
VfL kann wirtschaftlich nicht mit Bayern mithalten
Der frühere VfL-Coach (von 2008 bis 2017) hat seit Jahren darauf hingewiesen, dass die Bundesliga den Anschluss an andere europäischen Ligen zu verlieren droht, in denen inzwischen weitaus mehr Geld im Umlauf ist. Die Wechsel von Rolfö und Engen nach Barcelona waren ein erneuter Beweis dafür, dass Wolfsburg und die meisten anderen deutschen Erstligisten im Werben um die Topstars mit der Konkurrenz insbesondere aus Spanien und England finanziell kaum noch mithalten können. Einzig Meister FC Bayern München, der unter anderem die Nationalspielerinnen Saki Kumagai und Sofia Jakobsson verpflichtet hat, scheint weiter große Anziehungskraft auch auf ausländische Weltklasse-Spielerinnen zu haben.
"Bayern hat sich prominent verstärkt. Und das auch in einer Wirtschftlichkeit, die hier in Wolfsburg nicht möglich ist - das muss man ganz klar sagen", erklärte Kellermann. "Von daher gehe ich die Saison ganz entspannt an, weil ich weiß, dass Bayern der Favorit ist."
Wolfsburgs Mannschaft hat Perspektive
Was aber nun ist vom VfL zu erwarten, bei dem in Tommy Stroot ein bis dato in der Bundesliga unbekanntes Gesicht auf der Bank Platz nehmen wird? "Wir werden nicht tiefstapeln, sondern Vollgas geben. Die Spielerinnen sind ja auch nach Wolfsburg gekommen, um Titel zu gewinnen", sagte Kellermann. Perspektivisch sieht der frühere Torwart die Mannschaft "sehr, sehr gut aufgestellt".
In dieselbe Kerbe schlägt auch Stroot, der nach fünf Jahren beim niederländischen Eredivisie-Verein FC Twente Enschede seine Zelte nun am Mittellandkanal aufgeschlagen hat. "Wir wissen, dass wir es mit einem personellen Umbruch zu tun haben, den wir bewusst eingeschlagen haben. Und wir wissen, dass es Zeit kostet, das Potenzial maximal auszuschöpfen. Im selben Moment wollen wir keine Zeit verlieren und wissen auch, dass wir genug Qualität im Haus haben, um schnellstmöglich dieses Potenzial ausschöpfen zu können", erklärte der gebürtige Nordhorner.
Gute Mischung aus Talenten und routinierten Spielerinnen
Mit "genügend Qualität im Haus" sprach der 33-Jährige auf ein fußballerisch fraglos sehr begabtes Aufgebot um das Ausnahmetalent Lena Oberdorf sowie viele weitere noch entwicklungsfähige Spielerinnen an. Die aus Hoffenheim geholte Lena Lattwein gilt ebenso wie die jungen Niederländerinnen Joëlle Smits und Lynn Wilms als Versprechen für die Zukunft. Bereits über Bundesliga-Erfahrung verfügt deren Landsfrau Jill Roord aus ihren Zeiten beim FC Bayern. Mit ihren gerade einmal 24 Jahren ist die Neuverpflichtung vom FC Arsenal aber auch noch eine Spielerin, die ihr Potenzial noch nicht ganz ausgeschöpft haben dürfte.
Hinzu kommen in Keeperin Lisa Weiß, die wegen des verletzungsbedingten Ausfalls von Almuth Schult (Wade) geholt wurde, sowie Turid Knaak und Sandra Starke drei erfahrene Akteurinnen. Sie ergänzen die Riege der routinierten Fußballerinnen um besagte Schult, Alexandra Popp, Svenja Huth und Co. Die Mischung zwischen Jung und Alt scheint beim Vizemeister zu stimmen. Die große Frage wird nun jedoch sein, wie schnell das Team nach dem Umbruch zusammenfinden wird.
Stroot will das "Maximale" erreichen
Coach Stroot konnte darauf nach der Vorbereitung, in der unter anderem Bundesliga-Nordrivale Werder Bremen in einem Testspiel mit 9:3 bezwungen wurde, noch keine Antwort geben. Auch deshalb nicht, weil die sechs Olympia-Teilnehmerinnen des VfL erst später in das Training einstiegen und den Prozess des Zusammenwachsens so etwas verlangsamten. Auf eine Kampfansage an den Topfavoriten aus München verzichtet der Lerch-Nachfolger daher auch.
An den eigenen Ambitionen und denen seiner Spielerinnen lässt der 33-Jährige allerdings keine Zweifel: "Jeder, der hier ist, ist nach Wolfsburg gekommen, um im Endeffekt um Titel zu spielen und das Maximale zu erreichen."