Fußball-Profi Leon Flach lebt den amerikanischen Traum
Leon Flach galt beim FC St. Pauli als eins der hoffnungsvollsten Talente. Unter seinem langjährigen Förderer Timo Schultz kam der 20-Jährige in dieser Saison zu seinen ersten Zweitliga-Einsätzen - und wechselte dann nach Philadelphia.
Für Außenstehende völlig überraschend verabschiedete sich der Mittelfeldspieler vor rund drei Wochen vom Kiezclub und schloss sich Philadelphia Union aus der US-amerikanischen Major Soccer League an. Am vergangenen Sonntag feierte der Linksfuß beim 0:0 seines neuen Arbeitgebers beim Columbus Crew SC sein MLS-Debüt. Es war auch deshalb ein ganz besonderes, weil es trotz der Corona-Pandemie vor Zuschauern stattfand.
5.180 Fans waren Zeugen davon, wie Flach im Mittelfeld der Gäste eine überzeugende Leistung zeigte und über die gesamte Distanz auf dem Rasen stand. "Das war ein stolzer Moment für mich", schrieb der Youngster anschließend auf Instagram.
Bei St. Pauli zuletzt nur auf der Tribüne
Beim Kiezclub war es vor seinem Abschied ruhig geworden um Flach. Mit Beginn des Höhenflugs der Hamburger nach dem Jahreswechsel begann sein persönlicher Abstieg in der Mannschaftshierarchie. Nach neun Kurzeinsätzen an den ersten 18 Spieltagen stand der Linksfuß kein einzigen Mal mehr im Kader. Kein ungewöhnliches Phänomen für einen Nachwuchsakteur in seinem ersten Profi-Jahr. Die meisten Talente haben mit großen Leistungsschwankungen zu kämpfen. Einige kommen gestärkt aus ihrem Formtief zurück, andere verschwinden von der Bildfläche. Und wieder andere entscheiden sich wie im Falle von Flach für eine Luftveränderung.
Dass der Weg des 20-Jährigen allerdings in die MLS führte, war doch überraschend. Schließlich galt die Liga viele Jahre lang eher als Auffangbecken für alternde Stars (beispielsweise Lothar Matthäus und Bastian Schweinsteiger) denn als Plattform für Talente.
Mit Philadelphia in der Champions League
Doch Flach sah mehr Chance als Risiko in seinem Wechsel in die im internationalen Vergleich eher zweitklassige Spielklasse. Es sei eine "großartige Möglichkeit" für ihn, sagte er bei seinem Abschied aus Hamburg. Kaum im Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten angekommen, feierte der 20-Jährige auch schon sein Königsklassen-Debüt. Philadelphia tritt in der CONCACAF Champions League, dem Turnier für Vereinsmannschaften in Nord- und Zentralamerika sowie der Karibik, an.
Flach lief in den Achtelfinals gegen Deportivo Saprissa (Costa Rica) jeweils von Beginn an auf. Union qualifizierte sich durch einen 1:0-Auswärtssieg sowie ein 4:0 zu Hause für die Runde der letzten Acht.
Rückkehr in sein Geburtsland
Vom Tribünenhocker beim Kiezclub zur Stammkraft bei einem Champions-League-Teilnehmer: Flachs Aufstieg klingt ein wenig wie die Geschichte vom Tellerwäscher zum Millionär. Dass er nun in den USA gelandet ist, ist ebenfalls kurios. Denn Amerika ist ungewollt sein Geburtsland. Eigentlich hatte ihn seine Mutter in Deutschland zur Welt bringen wollen. Das Ticket war bereits gebucht. Dann aber hatte es der Junior besonders eilig, wurde vier Wochen vor dem errechneten Termin im texanischen Humble geboren und erhielt so die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.
Seine deutschen Eltern lebten bis zu Flachs fünftem Lebensjahr in den USA, zogen dann ins Schleswig-Holsteinische Sereetz. Beim dortigen Sportverein begann Flach auch mit dem Fußballspielen. Über den VfB Lübeck zog es ihn 2016 zu St. Pauli.
Schultz traurig über Flach-Abschied
Beim Kiezclub nahm ihn Schultz unter seine Fittiche. Der heutige Coach des Zweitliga-Teams war seinerzeit noch Nachwuchs-Trainer bei den Hamburgern. Und er hätte Flachs Weg sehr gerne weiterbegleitet. "Es ist schade, dass Leon uns verlässt. Ich kenne ihn seit fünf Jahren, unter anderem war er auch mein Kapitän in der Jugend. Er ist ein wahnsinnig ehrgeiziger und fleißiger Spieler mit einem klaren Ziel", sagte Schultz.
Auch Sportchef Andreas Bornemann verdeutlichte, dass St. Pauli den 20-Jährigen nicht ziehen lassen wollte: "Bereits im Sommer hatte er darum gebeten, dass er zu Philadelphia Union wechseln möchte. Wir hätten ihn gerne weiterhin bei uns im Team behalten, er hat uns aber deutlich gemacht, dass er unbedingt diesen Schritt gehen will."
Tanner lotst Talent nach Amerika
Eigentlich saß St. Pauli am längeren Hebel. Flachs Kontrakt war noch bis 2022 datiert. Doch auf Drängen des Youngsters (und gegen eine Ablöse von kolportierten 250.000 Euro) ließ der Zweitligist den früheren deutschen U18-Nationalspieler ziehen. Philadelphias deutscher Sportdirektor Ernst Tanner hatte sich sehr um ihn bemüht. "Er ist ein vielversprechender junger Mann, der durch seine Fähigkeit, mehrere Positionen im Mittelfeld zu bekleiden sowie als Linksverteidiger zu spielen, Vielseitigkeit auf das Feld bringt", erklärte der frühere Geschäftsführer der TSG Hoffenheim.
Bei Union spielt Flach nun unter anderem an der Seite des früheren Zweitliga-Angreifers Kacper Przybylko (Arminia Bielefeld, 1. FC Köln) sowie seines Landsmanns Kai Wagner. Der Schwager von Ex-HSV-Stürmer Pierre-Michel Lasogga wechselte 2019 von den Würzburger Kickers nach Philadelphia. Duplizität der Ereignisse: Auch er war wie Flach in Deutschland keine Stammkraft und ist nun Leistungsträger.