Eintracht Braunschweig: Eine Niederlage, die weiteren Mut macht
Selbstbewusst, stabil, kompakt: Eintracht Braunschweig hat sich in den vergangenen Monaten in der 2. Liga stark entwickelt. Das lässt sich auch am unglücklichen 0:1 beim FC St. Pauli ablesen. Trainer Daniel Scherning legt trotzdem den Finger in die Wunde und mahnt weitere Entwicklungsschritte an.
Wie gut sich die eigene Mannschaft geschlagen hat, zeigt sich häufig gar nicht so sehr in dem, wie man es selbst einordnet, sondern vielmehr in dem, wie andere darauf blicken. Und so war es insbesondere Fabian Hürzeler, Trainer des siegreichen Spitzenreiters, der zum Ausdruck brachte, wie gut die abstiegsbedrohte Eintracht sich am Millerntor präsentiert hatte. Wie sehr sie St. Pauli vor eigenem Publikum gestresst hatte, wie nah sie dran gewesen war, mindestens einen Punkt mit nach Braunschweig zu nehmen.
Der Cheftrainer der Hamburger lobte nach der umkämpften Partie "das kompakte Verteidigen", das "schnelle Umschalten" und die "extreme Physis bei den Standards" des BTSV. "Das muss man erstmal weg verteidigen, das haben wir in der ein oder anderen Phase nicht hinbekommen."
"So, wie sie im Moment auftreten, sind sie eine Top-Mannschaft." St.-Pauli-Trainer Fabian Hürzeler über Eintracht Braunschweig
Oder anders formuliert: Die Niedersachsen hatten an diesem verregneten Nachmittag am Millerntor die besseren Torchancen gehabt, hatten mehr Schüsse im Strafraum des Gegners abgegeben, mehr Zweikämpfe gewonnen. Kurzum: Die Eintracht war der "erwartet unangenehme Gegner", vielleicht einer der unangenehmsten in der Liga aktuell. "So, wie sie im Moment auftreten, sind sie eine Top-Mannschaft."
Scherning hat die Mannschaft und den Club wiederbelebt
Hürzeler kann die Situation, in der die Eintracht steckt, die Schritte, die sie zu gehen haben, um in ruhigere Fahrwasser zu kommen, gut beurteilen. Er selbst ist noch keine 15 Monate im Amt und hat den jetzigen Tabellenführer Ende 2022 in akuter Abstiegsgefahr übernommen. In der steckt die Eintracht allen Lobes und aller positiver Entwicklung zum Trotz auch weiterhin. Und sie wird es vermutlich auch noch lange Zeit, vielleicht sogar bis zum Saisonende, bleiben.
Und doch ist die Niederlage in Hamburg eine, die den Braunschweigern weiteren Mut machen darf. Denn in etwas mehr als 100 Tagen im Amt hat Scherning der Eintracht, die noch im Herbst an sich selbst verzweifelte und mit nur fünf Zählern Letzter war, wiederbelebt. Ihr eine Spielidee gegeben, eine Struktur, klare Abläufe. Und auch deshalb durfte er sich am Sonntag über mindestens einen verlorenen Punkt ärgern - beim aktuell besten Team der Liga.
Drei Faktoren machten den Unterschied
Der 40-Jährige machte vor allem drei Faktoren aus, die das Pendel dennoch zugunsten der Gastgeber ausschlagen ließen - und die für ihn die Arbeit für die nächsten Entwicklungsschritte weisen: das Ausspielen der Konter, die Konsequenz vor dem Tor, das Überzahlspiel nach dem Platzverweis von Elias Saad.
"Wir haben die Kontersituationen nicht gut zu Ende gespielt", beklagte der Coach mit Blick auf die sich bietenden Räume. Das hatte schon früh angefangen, als Rayan Philippe und Johan Gomez zu Halbchancen kamen (7. und 10.), die bei mehr Präzision und Konsequenz zur frühen Führung hätten führen können - oder müssen.
"Unser Weg ist absolut der richtige." BTSV-Coach Daniel Scherning über das Überzahlspiel seines Teams
"Fehlende Konsequenz" stand sicher auch als Überschrift über der Riesenchance von Thorir Helgason, der aus drei Metern an St. Paulis Keeper Nikola Vasilj scheiterte (23.). Eine Entschlossenheit, die der Tabellenführer an den Tag legte und so durch Oladapo Afolayans satten Schuss aus dem Gewühl heraus (32.) letztlich das Spiel entschied.
Ein Spiel, das Braunschweig in den letzten 25 Minuten in Überzahl durchaus noch zu seinen Gunsten hätte drehen können, ausgerechnet dann aber verzagte. "Wir haben es inhaltlich nicht so umgesetzt, wie ich es gerne gesehen hätte und wie man es gegen einen tief stehenden Gegner hätte besser machen können", sagte Scherning. "Wir haben keine guten Entscheidungen getroffen und bis auf ein oder zwei Hereingaben keine zwingenden Chancen herausgespielt."
Gewachsenes Selbstvertrauen bei den "Löwen"
Der Braunschweiger Coach weiß natürlich, dass auf ihn und die Mannschaft auch Negativerlebnisse zukommen können - auswärts gab es sie mit den zwei knappen 0:1-Auswärtsniederlagen bei Schalke 04 und am Millerntor zuletzt. Er weiß aber auch: "Unser Weg ist absolut der richtige." Ein Selbstvertrauen, das sich aus den sechs Siegen aus zehn Partien seit seiner Amtsübernahme speist.
Aber auch aus der Erkenntnis, dass der Kader - anders als zu Beginn der Saison angenommen -, sehr wohl zu einer Gruppe mit klarer Philosophie und klaren Abläufen heranwachsen kann - und bereits gewachsen ist.
Es ist ein Selbstvertrauen, das auch Rückkehrer und Abwehrchef Ermin Bicakcic ausdrückte, der es als "extrem bitter und ärgerlich" empfand, "dass wir das Spiel hier verlieren und nicht zumindest einen Zähler mitnehmen". Wichtig wird für die Eintracht mit Blick auf die verbleibenden zwölf Partien daher sein, sich dieses Vertrauen zu erhalten, weiter von sich überzeugt zu sein.
Schwere Aufgabe gegen Hertha BSC
Bicakcic, eines der Gesichter des Braunschweiger Aufschwungs, versucht das vorzuleben: "Wir haben uns über die vergangenen Wochen einiges erarbeitet und sind gut vorbereitet auf die Spiele." Das wird auch kommenden Sonnabend vonnöten sein, wenn die wiedererstarkte Hertha aus Berlin ins Eintracht-Stadion kommt (13 Uhr, im NDR Livecenter).
Denn davon alleine, dass der Trainer des Gegners das Spiel lobt, kommen keine Zähler auf das Konto. Und die benötigt die Eintracht trotz - und wegen - dieser weiter Mut machenden Niederlage weiterhin dringend.