Ein Spiel, zwei Meinungen: FC St. Pauli hadert, HSV ist zufrieden
In einem denkwürdigen Zweitliga-Derby haben sich der FC St. Pauli und der HSV 2:2 getrennt. War der Punkt glücklich für den Hamburger SV? Die Meinungen bei den Trainern gingen deutlich auseinander.
Der letzte Zweikampf an diesem Derby-Abend fand dann nicht mehr auf dem schneebedeckten Rasen am Millerntor statt. Sondern nach der Partie zwischen den beiden Trainern, die sich - wohlwollend ausgedrückt - nicht besonders mögen. Es ging darum, wie das 2:2 (2:0) zwischen dem FC St. Pauli und dem Hamburger SV zu deuten sei.
Kein Zweifel bestand, dass das Stadtderby im Schneetreiben, bei dem in der zweiten Hälfte sogar der gute, alte rote Ball zum Einsatz kommen musste, in Erinnerung bleiben wird. Nicht zuletzt aufgrund des Eigentores von HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes, das zu den skurrilsten der jüngeren Fußball-Geschichte gehört.
Gäste-Coach Tim Walter sprach von einem "absolut verdienten Ergebnis". Sein Gegenüber Fabian Hürzeler sah es ganz anders: "Wenn hier einer verdient gehabt hätte, als Sieger vom Platz zu gehen, sind das wir."
St. Pauli nutzt seine Überlegenheit nicht zur Entscheidung
"Wir haben hochkarätige Chancen zum 3:0 und killen das Spiel nicht", ärgerte sich Hürzeler. Die Partie hatte bis zum HSV-Doppelschlag tatsächlich Demütigungspotenzial für die Gäste: Sie lagen durch das unfassbare Eigentor 0:2 zurück und waren dem Tabellenführer deutlich unterlegen. St. Pauli spielte strukturierter, ballsicherer, zielstrebiger. Ein mögliches 3:0 hätte die Partie früh entschieden.
Etwas seltsam mutete deshalb Walters Detailanalyse an: "Wir haben den Gegner von Beginn an vor Probleme gestellt. Dann haben wir uns selbst in Rückstand gebracht."
Glatzel leitet die Wende ein
Doch einige Umstellungen in der Pause und auch das dichte Schneetreiben trugen dazu bei, dass dem HSV noch eine Wende gelang. St. Pauli kam auf dem seifigen Boden nicht mehr richtig zurecht, spielte zu kompliziert und fehlerhaft - und verlor Robert Glatzel aus den Augen.
Als der Mittelstürmer nach einer knappen Stunde in typischer Manier den Anschluss erzielte, ging ein Ruck durch das Team. Immanuel Pherai, der in der zweiten Hälfte in zentraler Rolle deutlich besser agierte als zuvor auf dem Flügel, schoss überlegt den Ausgleich. "Aufgrund ihrer individuellen Qualität machen sie zwei Tore. Das machen sie gut", musste auch Hürzeler anerkennen.
HSV: Individuelle Klasse kaschiert System-Fehler
Damit sprach St. Paulis Trainer die größte Stärke des HSV an: Er hat in Glatzel den besten Mittelstürmer der Liga in seinen Reihen und um ihn herum genügend torgefährliche Spieler, die mit ihrer Klasse manchen System-Fehler ausbügeln können. "Es ist geil, wenn man so zurückkommen kann", freute sich Eigentor-Pechvogel Heuer Fernandes.
Doch dass der HSV in fast jedem Auswärtsspiel einem Rückstand hinterherläuft, ärgerte Glatzel. "Ich habe gemischte Gefühle", sagte der Torjäger. Er lobte zwar die gute Moral, "es passiert uns aber leider noch zu oft, dass wir erst auf die Schnauze fallen müssen, um dann aufzuwachen."
Sportchef Jonas Boldt monierte nach dem Abpfiff, er habe ein Foul vor dem ersten Treffer gesehen und beim zweiten hätten Spieler von St. Pauli verbotenerweise beim Abstoß auf der Strafraumlinie gestanden. Doch auf eine derartige Diskussion stieg nicht einmal Walter mit ein. Hürzeler kommentierte: "Man kann sich alles so hindeichseln, wie man will."
St. Pauli zwischen Frust und Optimismus
Und was nimmt St. Pauli mit aus diesem Derby? Enttäuschung über den Spielverlauf, wie Kapitän Jackson Irvine deutlich ausdrückte: “Wir sind sehr frustriert.“
Aber auch Optimismus: "Über das gesamte Spiel war es ein klarer Schritt in die richtige Richtung. Das Ergebnis ist enttäuschend, aus der Leistung können wir aber auch positive Dinge herausziehen“, betonte Hürzeler.
Schließlich ist sein Team auf dem besten Wege, die komplette Hinrunde ungeschlagen zu beenden und als Spitzenreiter in die Winterpause zu gehen. Die letzten beiden Gegner sind der VfL Osnabrück (A) und Wehen Wiesbaden (H).