Datenanalyse: Der FC St. Pauli und der "Jojo-Eggestein-Effekt"

Stand: 08.11.2023 14:10 Uhr

Fußball-Zweitligist FC St. Pauli ist seit über einem halben Jahr ungeschlagen. Großen Anteil an der Serie hatte in Johannes Eggestein zuletzt einer, den nicht mehr viele auf der Rechnung hatten. Laut der Datenanalyse ist sein "Comeback" aber keine Überraschung.

von Florian Neuhauss

Sechs Treffer hat der 25-Jährige in den jüngsten fünf Liga-Spielen für Spitzenreiter St. Pauli geschossen. Zudem erzielte er das Siegtor im Pokalspiel gegen Schalke 04.

Zuvor war Eggestein zumindest mit einer Vorlage am 3:1-Erfolg über Bundesliga-Absteiger Schalke beteiligt gewesen. Starke Zahlen - und ein Blick in die Daten veredelt diese noch: Mit einem sehr starken Performance-Score von 63,99 ist St. Paulis Mittelstürmer aktuell der beste Angreifer der Liga!

Vielversprechendes Talent mit Anlaufschwierigkeiten

Es ist eine Leistungsexplosion mit großem Anlauf. Als der gebürtige Hannoveraner als Teenager in Ricklingen und Havelse groß aufspielte, versuchte Torjäger-Legende Dieter Schatzschneider - schon damals Scout bei Hannover 96 - alles, um den jüngeren der beiden Eggestein-Brüder zum Wechsel zu den "Roten" zu bewegen. Doch Werder Bremen war seinerzeit in Sachen Nachwuchsleistungszentrum einige Schritte voraus und Eggestein schon als 15-Jähriger nicht mehr in Hannover zu halten.

Aber auch wenn das große Stürmer-Talent noch bis zur U21 regelmäßig für Deutschland spielte - im Männerbereich wollte der Durchbruch nicht gelingen. Die Saison 2018/2019 war zwar vielversprechend (23 Bundesliga-Einsätze, vier Tore), Eggestein konnte daran in der Folge allerdings nicht anknüpfen.

Erst die Leihe zum Linzer ASK brachte neuen Schwung, als ihm für den österreichischen Europa-League-Starter in der Liga acht und auf internationaler Bühne zwei Treffer gelangen. Doch danach klappte es weder in Bremen noch bei Royal Antwerpen, das sich seine Dienste immerhin eine Million Euro hatte kosten lassen.

Der lange Weg zum Durchbruch in Deutschland

Nach nur einem (torlosen) Jahr in Belgien kehrte Eggestein nach Norddeutschland zurück. In seiner ersten Saison bei St. Pauli ließ er ab und an sein Können aufblitzen. In diesem Sommer stand der mittlerweile aus dem Talent-Alter entwachsene Angreifer allerdings am Scheideweg.

Mit Andreas Albers war ihm eine neue Offensivkraft vor die Nase gesetzt worden. Und auch als sich Albers verletzt hatte, setzte Trainer Fabian Hürzeler im Zentrum zunächst lieber auf Außenangreifer Oladapo Afolayan, als Eggestein zu bringen.

St. Paulis Johannes Eggestein in Aktion © Witters Foto: Joerg Halisch
AUDIO: St. Paulis Eggestein: "Ich stand jetzt ein-, zweimal richtig" (2 Min)

Weil Afolayan mit der neuen Position fremdelte, holte Manager Andreas Bornemann am letzten Tag der Transferperiode noch eilends Simon Zoller von Bundesligist VfL Bochum. Und an dieser Stelle hätten die Tage von Eggestein auf dem Kiez eigentlich gezählt sein können. Doch das Gegenteil ist der Fall:

Weil Zoller noch Zeit zur Eingewöhnung brauchte, bekam Eggestein am sechsten Spieltag gegen Holstein Kiel (5:1) seine erste Startelf-Chance - und machte seine Sache auch ohne Torbeteiligung so schlecht nicht. Danach kam das Duell mit Schalke und wenig später platzte der Knoten. Viel zu lange war es in puncto eigene Tore viel zu dünne gewesen, auf einmal kam es richtig dicke. Ein ganz besonderer "Jojo-Effekt" - der von Johannes "Jojo" Eggestein nämlich.

Johannes Eggestein - ein Mann mit Bundesliga-Format

Er ist der Typ "falsche Neun" - also ein mitspielender Mittelstürmer. Mit seinem aktuellen GSN-Index von 68,30 verkörpert Eggestein bereits gehobenen Bundesliga-Durchschnitt. Global Soccer Network hält in Zukunft sogar noch einen Wert von 74,08 für möglich.

Zwar hat Eggestein Schwächen in der Defensive und auch beim Tempo. Doch nun spielt er seine Stärken in der Antizipation, mit seinem Antritt und dem Finden der richtigen Räume in der Offensive voll aus. Wenn er zu Chancen kommt, dann kann er auch vollstrecken - egal, ob mit rechts (3 Saisontore), links (1) oder mit dem Kopf (2).

"Die Torgefährlichkeit ist jetzt nicht neu"

"Die Torgefährlichkeit hatte ich schon immer. Die ist jetzt nicht neu. Aber ich kann sie jetzt auch zeigen", erklärte Eggestein nach dem jüngsten 2:0-Erfolg in Elversberg, bei dem er schon zum vierten Mal den so wichtigen ersten Treffer seines Teams erzielt hatte. "Es ist eine Mischung. Wir spielen als Mannschaft gerade sehr, sehr gut - und ich komme in die Abschluss-Situationen, in die ich kommen muss." Seine eigene Kopfballstärke wollte er aber nicht überbewertet wissen. Er sei nicht der neue Zielspieler bei den Standardsituationen: "Ich stand jetzt ein-, zweimal richtig", erklärte der Torjäger schmunzelnd.

Das GSN-Ranking der Stürmer
Name (Verein)Performance-Score
Johannes Eggestein (FC St.Pauli)63,99
Havard Nielsen (Hannover 96)62,73
Ragnar Ache (1. FC Kaiserslautern)61,33
Armindo Sieb (SpVgg Greuther Fürth)61,31
Kenan Karaman (FC Schalke 04)61,00
Luc Castaignos (1. FC Magdeburg)60,11
Robert Glatzel (Hamburger SV)60,05
Wahid Faghir (SV Elversberg)59,86
Steven Skrzybski (Holstein Kiel)59,09
Filip Bilbija (SC Paderborn)59,01

Kongeniale Partner: Eggestein und Hartel

Hürzelers 3-4-3-System scheint wie gemacht zu sein für Eggestein, wenngleich er es schon vom ersten Tag an (ohne Eggestein) spielen lässt. Zusammen mit den Außenspielern Afolayan und Elias Saad oder Connor Metcalfe bildet er eine sehr spielfreudige Dreierreihe. Mit im Durchschnitt 10,19 Angriffen pro Spiel, in denen Eggestein ins Kombinationsspiel seines Teams involviert ist, hängt er alle anderen Stürmer der Liga ab. Auch seine 6,85 Ballkontakte im Strafraum pro 90 Minuten sind der Spitzenwert.

Allerdings ist sein kongenialer Partner Marcel Hartel, der wie Eggestein schon sechs Saisontore auf dem Konto hat. Spielmacher Hartel bereitete drei Treffer seines Kollegen direkt vor, andersherum Eggestein immerhin einen. Eggestein ist kein Mittelstürmer, der vorne darauf wartet, die Bälle zu bekommen.

Neben seiner Zweikampfstärke bringt er eine sehr gute Technik und eine große Portion Spielfreude mit. Durch intelligente Laufwege bringt er sich selbst in Abschlusspositionen, er öffnet aber auch immer wieder Räume für seine Mitspieler.

Duell mit Hannover, Wiedersehen mit Schatzschneider

In beiden Rollen dürfte es auch am Freitag wieder auf ihn ankommen. Ab 18.30 Uhr (im NDR Livecenter) steht das Nordduell gegen Hannover 96 auf dem Programm. Der Club aus Eggesteins Heimatstadt ist als Dritter selbst mittendrin im Aufstiegsrennen. Und womöglich kommt es zum Wiedersehen mit Dieter Schatzschneider. Der Jugend-Scout lässt sich nach wie vor kaum ein Spiel der "Roten" entgehen - und sollte Eggestein erneut treffen, dürfte sich "Schatz" bei allem Ärger auch bestätigt sehen.

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Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 12.11.2023 | 22:50 Uhr

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