Peter Neururer auf dem Trainingsplatz im Camp für arbeitslose Fußballprofis. © Moritz Fehrle

Camp für arbeitslose Fußballer: Nur Neururer will hier bleiben

Stand: 21.07.2023 11:23 Uhr

Zum sechsten Mal trainiert Peter Neururer vertragslose Fußballprofis. Sein Camp ist hart - und erfolgreich: 80 Prozent der Spieler werden wieder an Clubs vermittelt. Für Neururer ist jeder verlorene Spieler ein Gewinn.

von Moritz Fehrle

Mehr als 500 Mal stand er als Trainer in der 1. und 2. Bundesliga an der Seitenlinie, aber ein derart zusammengewürfeltes Team hat Peter Neururer nur hier: im vierwöchigen Trainingscamp für vertragslose Fußballprofis. Die meisten seiner Spieler haben zuletzt in der 3. Liga oder der Regionalliga gekickt, andere waren in Bosnien, Luxemburg oder Bulgarien unter Vertrag.

Verschiedene Sprachen, unterschiedliche Qualität, der größte Name ist er selbst: Peter Neururer. Über insgesamt vier Wochen leitet die Trainerlegende (u.a. VfL Bochum, Hannover 96, Schalke 04) zusammen mit Co-Trainer Karsten Hutwelker und Torwarttrainer Thorsten Albustin das Camp der Spielergewerkschaft Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV).

Es geht um Fitness, nicht um Taktik

"Ich könnte mich natürlich hinstellen und irgendwas Hochtrabendes vom Fußball erzählen", sagt Neururer, "das macht aber keinen Sinn." Es geht nicht um Taktik oder darum, eine Stammelf zu finden. Es kommt vor, dass fürs Testspiel plötzlich der Rechtsverteidiger fehlt, weil er ein Probetraining oder einen neuen Verein gefunden hat. Schließlich ist das das Ziel: schnellstmöglich wieder raus aus dem Camp.

Nur Neururer bleibt. Verordnet Liegestütze und Sprintläufe, will die Spieler fitmachen. Sie sollen sofort ins Training eines Proficlubs einsteigen können. "Ich bin nicht dazu da, die Jungs besser zu machen", sagt Neururer. "Ich bin nur da, um sie auf ein Level zu bringen, das ihrem Leistungsoptimum entspricht."

Alle paar Tage sind Testspiele angesetzt, in denen jeder Spieler seine Minuten bekommt, um sich zu präsentieren. Danach hoffen alle, dass das Telefon klingelt. Manchmal rufen die Kaderplaner der Vereine aber auch direkt bei Neururer an. Ob er nicht jemanden empfehlen könne?

Gerade erst habe ihn der Regionalligist Hessen Kassel kontaktiert. Neururer hat vermittelt und einen weiteren Spieler weniger, den er beim Testspiel am Abend einsetzen kann. "Die VDV hat sowieso ein sehr großes Netzwerk, ich biete auch mein ganzes Netzwerk an und ich kenne den einen oder anderen. Das bleibt ja nicht aus, wenn man dreißig Jahre lang im Profifußball unterwegs ist. Da helfen wir zu vermitteln."

Ein Hauen und Stechen um die neuen Vereine?

Kilian Neufeld war bereits im vergangenen Sommer beim Camp dabei. Natürlich wäre er lieber nicht schon wieder hier, gibt Neufeld zu, "aber so wie es leider gelaufen ist…" Mit Wattenscheid 09 - auch einer der zahlreichen Ex-Klubs von Trainer Peter Neururer - ist der 23 Jahre alte Torhüter aus der Regionalliga abgestiegen und sucht nun einen neuen Verein. Denn Regionalliga soll es schon sein, eigentlich lieber noch höherklassiger.

Immerhin stand Neufeld in der Jugend bei Hannover 96 und in den DFB-Nachwuchsteams im Tor. Obwohl es für alle Spieler um sehr viel geht, findet Neufeld den Konkurrenzkampf hier deutlich entspannter als im Verein. "Alle haben dasselbe Ziel, keiner will dem anderen den Platz wegnehmen, weil jeder seine Spielzeit kriegt. Das ist anders als im Verein, wo man um seine Position kämpfen muss. Hier ist es eher freundschaftlich und familiär."

Es wird nicht nur trainiert, sondern auch unterrichtet

Trainingslager und Unterbringung sind für die vertragslosen Profis kostenlos. Den Großteil finanziert die Spielergewerkschaft VDV über die Beiträge ihrer 1.400 Mitglieder, dazu kommen Sponsorengelder, auch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) steuert etwas bei. Während des Camps wird nicht nur auf dem Platz geschwitzt und auf Anrufe von Scouts gehofft. Die VDV bietet auch Workshops an, in denen den Spielern etwa erklärt wird, wie sie Arbeitslosengeld beantragen und welche Weiterbildungsmöglichkeiten es für sie gibt.

„80 Prozent der Teilnehmer sind in der Vergangenheit auch wieder als Profi untergekommen, für die anderen heißt es, sich umzuorientieren.“ Ulf Baranowsky, Vorsitzender der VDV

Die meisten der Teilnehmer hätten in der Vergangenheit zwar wieder einen Verein gefunden, sagt Trainer Peter Neururer – und zwar in der Liga, "wo sie reinwollen und auch reingehören". Wenn absehbar ist, dass es mit der Fußballerkarriere allein eng wird, raten Trainer Neururer und VDV-Vorsitzender Ulf Baranowsky aber auch, einen Plan B zu fassen.  

Und um das an dieser Stelle noch einmal festzuhalten: Der Trainer sucht keinen neuen Verein.

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Sport aktuell | 25.07.2023 | 13:17 Uhr

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