96-Boss Kind: "Die Tabelle wird verzerrt"
Die positiven Corona-Befunde beim Fußball-Zweitligisten Dynamo Dresden werfen auch Fragen nach der Chancengleichheit und einer möglichen Wettbewerbsverzerrung auf. Wie soll Dynamo nach 14 Tagen kompletter Trainingspause in vernünftige Form kommen? Wann ist es überhaupt zumutbar, die Mannschaft wieder in einem Punktspiel antreten zu lassen? Betroffen sind auch die Gegner der Sachsen: Spielausfälle werden zu englischen Wochen und einer höheren Belastung führen. Martin Kind, Hauptgesellschafter bei Hannover 96, sagte im NDR Interview: "Die Tabelle wird verzerrt." 96 wäre am kommenden Sonntag Gegner von Dynamo gewesen, die Partie wird nun verschoben.
Zweifel an Entscheidung des Dresdner Gesundheitsamts
Die positiven Tests sind ein herber Rückschlag für den deutschen Profi-Fußball auf dem Weg, die Saison irgendwie noch zu Ende zu bringen. "Mit der Quarantäne der Mannschaft hat sich die Welt nochmal verändert. Als ich gestern die Nachricht erhalten habe, war ich fast schockiert, mindestens aber irritiert", sagte Kind, der anmerkte: "Die Frage ist, warum das Dresdner Gesundheitsamt bei einem wahrscheinlich vergleichbaren Vorfall eine andere Entscheidung getroffen hat als das Kölner die Tage zuvor."
"Fälle in Köln und in Dresden sind unterschiedlich"
Beim 1. FC Köln waren zwei Spieler und ein Physiotherapeut positiv getestet worden. Außer dem betroffenen Trio musste niemand in Quarantäne. Allerdings trainierten die Rheinländer zu diesem Zeitpunkt noch in Kleingruppen, während sich Dresden bereits wieder im Mannschaftstraining befand. "Vertraut doch den Leuten, die das machen. Die haben die Ausbildung, die können auch entscheiden und die können genauso gut auch differenzieren, in einem Fall ist es so und im anderen so", sagte die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, am Sonntagabend bei "Anne Will" im Ersten: "Die Fälle in Köln und in Dresden sind unterschiedlich." Bei Dresden war es bereits die dritte Testreihe, schon bei der ersten hatte es einen Corona-Fall gegeben. "Da ist dann klar, dass die Infektion weitergegeben wurde."
DFL wird Zweitligisten kontaktieren
Auch Steffen Schneekloth, Präsident von Zweitligist Holstein Kiel und Vizepräsident der Deutschen Fußball Liga (DFL), bekannte im NDR Sportclub:
"Wir mussten erstmal schlucken und überlegen, was wir machen werden." Wenige Tage nach der Erlaubnis, mit Geisterspielen fortzufahren, gibt es für die DFL erhöhten Redebedarf. "Wir werden in der nächsten Woche mit der gesamten Zweiten Liga sprechen", kündigte DFL-Geschäftsführer Christian Seifert am Sonnabend im ZDF-"Sportstudio" an. Gleichzeitig betonte er: "Ich interpretiere das nicht als Rückschlag. Mir war völlig klar, dass das jederzeit passieren kann. Wir stehen am Anfang des Wiedereintritts. Wenn Dresden 14 Tage in Quarantäne geht, ist das kein Grund, die gesamte Saison infrage zu stellen. Wir ändern momentan nicht das Ziel, sondern nur die Pläne."
Was passiert bei weiteren positiven Tests?
Die Pläne sehen vor, dass die Saison am 30. Juni beendet sein soll, weil dann die Verträge für die aktuelle Spielzeit ebenfalls enden. Doch was passiert, wenn es weitere Positivtests auf Corona gibt? Sobald der Ball wieder rollt, wären dann bei einem positiven Test schnell zwei komplette Mannschaften involviert. Seifert räumte ein, dass ab einer bestimmten Zahl verschobener Spiele der Zeitplan nicht mehr einzuhalten ist. "Klar ist, es gibt sicherlich eine Größe, dann ist das irgendwann nicht mehr machbar."
Kind bringt Saisonverlängerung ins Spiel
Kind bringt deshalb eine Verlängerung der Saison ins Spiel. "Wir können nach hinten ja schon noch weiterschieben", so der Unternehmer, der sich aber Seiferts Einschätzung anschloss, dass irgendwann ein Punkt erreicht wäre, an dem auch über einen Abbruch nachgedacht werden müsse. "Für uns würde es nicht sehr viel bedeuten, weil wir dann hoffentlich auf einem sicheren Tabellenplatz stehen. Dann hätten wir wenigstens Planungssicherheit für die neue Saison."
Schneekloth: "Werden die Saison zu Ende spielen"
Die Hoffnung auf ein Ende mit (großem) Schrecken ist im deutschen Profi-Fußball jedoch noch nicht gestorben.
"Wir haben uns entschieden, dass wir den Spielbetrieb wieder aufnehmen wollen uns so wird sich Dresden bestmöglich darauf vorbereiten, wann auch immer das sein wird. Die Spiele werden in den Spielplan integriert und dann werden wir die Saison zu Ende spielen", sagte Schneekloth.
Überraschen dürfte es allerdings niemanden mehr, wenn erstmals in der Geschichte der Fußball-Bundesliga eine Spielzeit abgebrochen wird. Und selbst wenn es gelänge, die ausstehenden Partien noch über die Bühne zu bringen, sind Zweifel an der Fairness und Chancengleichheit angebracht. "Es war vorher schon unsolidarisch, halbgar und unverantwortlich", kritisierte der frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, in der "Tagesschau": "Und jetzt wird es auch noch ungerecht."