Stand: 27.08.2015 19:54 Uhr

HSV-Fans damals und heute

von Bernd Schlüter, NDR.de
HSV-Fans © imago/Hoch Zwei/Christians Foto: Christians
HSV-Fans stehen hinter ihrem Verein.

Die Fangemeinschaft des Hamburger SV hat eine ebenso bewegte Geschichte wie der Verein selbst. Und auch die Anhänger haben einmal klein angefangen: Bis zum Ersten Weltkrieg fanden viele Spiele auf Wiesen und fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Am Rothenbaum hatte der HSV-Vorgängerclub Hamburger FC zunächst Probleme mit der gutsituierten Nachbarschaft, die sich lieber dem Tennis oder Reiten widmete. Den "Fußlümmeln" wurde sogar Geld gespendet, damit sie unter sich blieben. Ab den 1920er-Jahren aber schnellte die Popularität des Vereins in die Höhe: Während inzwischen feine Hanseaten in der Clubführung die Fäden zogen und auf der Sitztribüne Platz nahmen, drängten sich tausende Arbeiter auf den Stehtraversen des Rothenbaum-Stadions. Schon in den frühen 1920er-Jahren kamen zu den Derbys gegen Victoria mehr als 10.000 Zuschauer.

1957: Randale nach "Rot" für Uwe Seeler

Szene aus einem Spiel am Hamburger Rothenbaum. © Witters Foto: Witters
Am Hamburger Rothenbaum saßen die Zuschauer unmittelbar am Spielfeldrand - es gab zudem keine Sperrzäune.

Damals herrschten Zustände, die heutzutage nicht einmal vorstellbar sind. Fans drängten sich bis an die Seitenlinie und griffen in seltenen Fällen sogar aktiv ins Spielgeschehen ein. Schlägereien auf den Rängen blieben dabei nicht aus, ebensowenig konnten aber auch "Platzstürme" nach Siegen keine wochenlange politische Diskussion auslösen. Einmal aber schlugen die HSV-Anhänger definitiv über die Stränge: Am 1. Dezember 1957 sah Uwe Seeler gegen Bremerhaven die einzige Rote Karte seiner Karriere - die Fans reagierten auf diese "Majestätsbeleidigung" mit massiven Drohungen gegen Gegner und Schiedsrichter, woraufhin der HSV zur Strafe ein planmäßiges Heimspiel gegen Braunschweig (6:4) in Bremen austragen musste.

Mehr als 700 Fanclubs und 55.000 "Supporter"

Und auch in Sachen Stimmung und Organisation liegen Welten zwischen damals und heute. Selbst in den Bundesliga-Gründungsjahren schwankten die Zuschauerzahlen von Spiel zu Spiel dramatisch. Anfeuerungen und Fangesänge entstanden und verschwanden spontan. Fanclubs existierten allenfalls informell, 1972 wurde mit den "Rothosen" der erste gegründet. Inzwischen hat der Verein weltweit mehr als 700 Fanclubs. Zudem ist 1993 der "HSV Supporters Club" als eigene Abteilung gegründet worden, die inzwischen mehr als 55.000 Mitglieder zählt.

Rechtsradikalismus und Gewalt prägen lange das Bild

Fans vom Hamburger SV und Werder Bremen beim "Frieden von Scheeßel" 1982. © picture-alliance/ dpa Foto: Jochen Krause
Fans vom Hamburger SV und Werder Bremen in typischen Kutten beim "Frieden von Scheeßel" 1982.

Eine schwierige Phase machte die HSV-Fanszene vor allem zwischen den späten 1970er- und frühen 1990er-Jahren durch. Damals standen in der Hierarchie vor allem gewaltbereite Gruppen ganz oben: Hooligans, Skinheads und Kuttenträger wie die "Löwen", die unter anderem am Tod des Bremer Fans Adrian Maleika beteiligt waren. Zudem nahmen rechtsradikale Vereinigungen wie die "Hansa Bande" und die "Savage Army" unter der Führung von Michael Kühnen im Stadion immer mehr Raum ein und warben dort aktiv um neue Mitglieder. Dabei machten sie auch vor Übergriffen auf Fans aus dem eigenen Lager keinen Halt und wurden dabei vom Verein lange Zeit in Ruhe gelassen. Die Sozialarbeiter des "HSV Fanprojekts" wirkten lange Zeit wie allein gelassene Einzelkämpfer. So kehrten in der 1980er-Jahren schließlich viele Hamburger ihrem HSV den Rücken und schlossen sich dem aufstrebenden FC St. Pauli an. Das hatte Folgen: Der Zuschauerschnitt sank auf heute unvorstellbare 14.900 pro Spiel. Bis tief in die 1990er-Jahre galt der HSV als ein Verein, der auf Rechtsradikale besondere Anziehungskraft hat. Erst mit dem Stadion-Neubau veränderte sich auch das Bild in der Öffentlichkeit nachhaltig.

Ultras übernehmen die Stimmungshoheit

Heutzutage inszeniert sich der HSV als Familienverein. Das große Geld wird dabei mit den Besuchern der Logen und Business-Seats verdient. Die Stimmungshoheit auf den Stehplätzen liegt vor allem bei den tendenziell eher linksgerichteten Ultra-Gruppierungen wie "Chosen Few" und "Poptown", die mit viel Aufwand und Liebe zum Detail Gesänge und Choreografien einstudieren. Allerdings stoßen die Ultras mit ihren Aktionen mitunter auf heftigen Gegenwind. Denn auch die alte Garde der "harten Jungs" geht noch ins Stadion - viele sitzen inzwischen in der Nordkurve und nehmen von dort Einfluss, wenn ihnen etwas nicht passt. Aber ebenso gelingt es der Fanszene, Zeichen für Toleranz zu setzen. Beispiele dafür sind die Gründung des schwul-lesbischen Fanclubs und die Etablierung des Fan-Theaters "Volksparkett".  

Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 29.09.2012 | 20:00 Uhr

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