Neuwahlen: Zuspruch für populistische Parteien bereitet vielen Sorge

Stand: 17.12.2024 06:00 Uhr

Die #NDRfragt-Teilnehmer blicken mit gemischten Gefühlen auf die Wahlen. Der Zuspruch für populistische Parteien und die Wirtschaftslage bereiten große Sorgen. Viele haben aber auch Hoffnung.

von Patrick Reichelt

Diese Woche hat der Bundestag den Weg für die Neuwahlen im Februar geebnet. Viele Menschen in Norddeutschland blicken mit gemischten Gefühlen auf die vorgezogene Bundestagswahl - vor allem der Zuspruch für populistische Parteien sorgt für Beunruhigung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage von #NDRfragt mit fast 23.000 Norddeutschen hervor.

Bei den meisten ist Sorge das vorherrschende Gefühl (29 Prozent), dahinter folgen Hoffnung (21 Prozent), Unsicherheit (17 Prozent) und Erleichterung (14 Prozent). Die wichtigsten Themen vor der Wahl sind neben dem Zuspruch für populistische Parteien vor allem die derzeitige Wirtschaftslage, die Klimaerwärmung und die Folgen von Trumps Wahlsieg.

Alle Ergebnisse dieser nicht repräsentativen, aber gewichteten Umfrage gibt es als PDF zum Herunterladen.

#NDRfragt-Mitglied Leni (18) aus Mecklenburg-Vorpommern schreibt: "Die AfD bekommt immer mehr Stimmen, vor allem hier in Ostdeutschland. Ich habe einfach Angst, dass sie zu viel Macht in Deutschland bekommt und unsere Demokratie gefährdet wird". Johannes (66) aus Niedersachsen hat die Hoffnung auf stabile Mehrheitsverhältnisse, die eine funktionierende Regierung ermöglichen: "Der ideologisch und parteipolitisch geprägte Streit der Ampel sollte sich nicht wiederholen."

Bei den Themen, die die Befragten derzeit bewegen, gibt es im Norden teilweise große Unterschiede. Weit auseinander gehen die Meinungen etwa bei der Sorge vor einer direkten Beteiligung Deutschlands an Kriegen: Im Osten ruft dies bei 41 Prozent der Befragten Sorge hervor, im Westen nur bei 21 Prozent. Einen ähnlich großen Unterschied gibt es bei dem Thema Zuspruch für populistische Parteien: Für 47 Prozent der Befragten im Westen ist dies eine große Sorge, im Osten sind es 30 Prozent. Bei den Themen Wirtschaftslage und Einwanderung liegen die Zahlen nahe beieinander.

Welche Themen bereiten den #NDRfragt-Mitgliedern große Sorgen?

Pro Umfrage erreichen uns Tausende von Meinungen - in dieser Anwendung bereiten wir einige für Sie auf. Um den ganzen Beitrag zu sehen, tippen Sie auf die jeweilige Kachel. Mit den Buttons können Sie nach Altersgruppen filtern. Neue Beiträge laden Sie über das Pfeilsymbol.

Mehrheit sieht Nominierung von Scholz und Lindner kritisch

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP zerbrach Anfang November nach einem erbitterten Streit um die Wirtschaftspolitik und die Schuldenbremse. Am 6. November war dann Schluss: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entließ Christian Lindner (FDP) und besiegelte damit das Ende der Ampel-Koalition.

Obwohl die Regierung zerbrochen ist, haben sich alle Ampel-Parteien für einen Spitzenkandidaten entschieden, der bereits in der gescheiterten Regierung Verantwortung trug. Die meisten Befragten halten das besonders bei Lindner (81 Prozent) und Scholz (73 Prozent) für die falsche Entscheidung. Die Nominierung von Robert Habeck (Grüne) sieht etwas mehr als die Hälfte positiv für den Wahlausgang der Grünen, 45 Prozent sehen sie negativ.

Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmenden glaubt, dass sich alles in allem die Dinge in Deutschland unter der Ampel-Regierung in die falsche Richtung entwickelt haben. Ein Blick auf die Karte von Norddeutschland zeigt: Die Befragten in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch im westlichen Niedersachsen sind deutlich unzufriedener mit der Ampel-Regierung als etwa die Befragten in großen Ballungsräumen wie Hamburg oder Bremen. Dort überwiegen teilweise die Stimmen, die die Entwicklung unter der Ampel-Regierung positiv sehen.

Wirtschaft: Befragte trauen Aufschwung am ehesten CDU zu

Zumindest wirtschaftlich geht es Deutschland gerade nicht gut, die Bundesregierung rechnet dieses Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung - wie schon im vergangenen Jahr. Den wirtschaftlichen Aufschwung traut ein Drittel der Befragten am ehesten der CDU zu. Mit neuen Schulden? Eine knappe Mehrheit (54 Prozent) ist für die Lockerung der sogenannten Schuldenbremse. Diese sieht eigentlich vor, dass der Staat nur in außergewöhnlichen Notsituationen in größerem Umfang neue Kredite aufnehmen darf. CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz will daran festhalten, schloss zuletzt aber eine Reform nicht komplett aus.

Ehrlichkeit ist Befragten am wichtigsten

Erst monatelanger Streit, dann das Bekanntwerden des FDP-Papiers ("D-Day-Papier") zu einem geplanten Bruch der Koalition: Nicht nur die Ampel-Parteien, auch die Politik als Ganzes hat zuletzt viel Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren - das wird in den vielen Meinungsbeiträgen der #NDRfragt-Mitglieder deutlich.

"Die meisten Politiker machen Klientelpolitik, die einigen wenigen nützt, aber dem Land schadet", schreibt etwa Paul (44) aus Schleswig-Holstein. Für Julius aus Hamburg müssen Politiker und Politikerinnen ein ehrliches Interesse an Veränderungen haben. "Sie sollten auch Menschen zuhören, aber nicht den öffentlichen Meinungen hinterherlaufen. Vor allem sollten sie bereit sein auch längerfristige Veränderungen anzustoßen, von denen sie nicht direkt profitieren", so der 27-Jährige. Oder wie es Rose (75) aus Hamburg ausdrückt: "Ich möchte wieder an Politiker glauben können. Sie sind vom Volk gewählt und sollten sich auch so verhalten und die Menschen nicht für dumm verkaufen."

Eine Grundtugend rückt damit wieder in den Mittelpunkt: Ehrlichkeit. Für die Mehrheit der Befragten ist es die wichtigste Eigenschaft bei Politikerinnen und Politikern.

Mitarbeit
Umfrageerstellung:
Sandra Aïd, Bastian Kießling
Datenanalyse:
Lisa Richter
Communitymanagement: Max Nielsen, Ranin Odeh

Über diese Befragung

Die Antworten stammen aus der Umfrage "Neuwahlen: Welche Themen muss die Politik anpacken?", an der sich 22.855 Norddeutsche beteiligt haben.

Für die Ergebnisse wurden Antworten ausgewertet, die vom 4. bis 9. Dezember 2024 um 9 Uhr abgegeben wurden. An den Umfragen von #NDRfragt nehmen Menschen aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen teil. Die Umfragen werden online ausgefüllt.

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings nach den statistischen Merkmalen Alter, Geschlecht, Bundesland und Schulabschluss gewichtet. Das heißt: Antworten von Bevölkerungsgruppen, die unter den Befragten seltener vertreten sind als in der norddeutschen Bevölkerung, fließen stärker gewichtet in die Umfrage-Ergebnisse ein. Und die Antworten von in der Befragung überrepräsentierten Gruppen werden schwächer gewichtet. Insgesamt verteilen sich die Antworten dann am Ende eher so, wie es der tatsächlichen Verteilung der Bevölkerungsgruppen in Norddeutschland entspricht.

Wachsende #NDRfragt-Community: Zehntausende Norddeutsche machen mit

#NDRfragt ist das Meinungsbarometer für den Norden. Mittlerweile haben sich mehr als 47.000 Norddeutsche für die Community angemeldet. Wer noch nicht dabei ist, aber mitmachen will, kann sich registrieren und wird zu den Umfragen per E-Mail eingeladen. Mitglied kann werden, wer in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg oder Bremen wohnt und mindestens 16 Jahre alt ist.

Weitere Informationen
Bundeskanzler Olaf Scholz hört der Aussprache nach seiner Vertrauensfrage zu. © Christoph Soeder/dpa

Kanzler Scholz verliert Vertrauensfrage im Bundestag

Zuvor haben sich die Parteien gegenseitig schwere Vorwürfe gemacht. Jetzt liegt es an Bundespräsident Steinmeier, den Weg für Neuwahlen freizumachen. extern

Papierstapel laufen über ein Förderband. © Screenshot
3 Min

Papierbranche bereitet sich auf Wahlen vor

Von der Wahl des Papiers bis zu korrekten Namen und Angaben: Für den Druck von Wahlzetteln braucht es jede Menge Planung. 3 Min

Bundeskanzler Willy Brandt stellt am 20.09.1972 vor dem Bonner Bundestag die Vertrauensfrage. © picture-alliance/ dpa | dpa Foto: dpa

Die Vertrauensfrage der Kanzler: Von Willy Brandt bis Olaf Scholz

Olaf Scholz hat 2024 die Vertrauensfrage gestellt. Das haben schon mehrere Kanzler vor ihm getan - mit unterschiedlichen Folgen. mehr

Caren Miosga mit Robert Habeck © ARD
60 Min

Vor den Neuwahlen - wie grün wird die Zukunft, Herr Habeck?

Caren Miosga spricht mit dem grünen Bundeswirtschaftsminister und Kanzlerkandidaten der Grünen, Robert Habeck, der Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld und dem Politologen und Publizisten Albrecht von Lucke. 60 Min

Eine Frau hält ein Smarthphone in die Kamera, auf dem Display steht "#NDRfragt" © PantherMedia Foto: Yuri Arcurs

#NDRfragt - das Meinungsbarometer für den Norden

Wir wollen wissen, was die Menschen in Norddeutschland bewegt. Registrieren Sie sich jetzt für das Dialog- und Umfrageportal des NDR! mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 17.12.2024 | 08:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Bundestagswahl

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zur Corona-Aufarbeitung: Waren die Regeln zu streng?