Wahlkampf: Schleswig-Holsteins Kandidaten auf Social Media
Eine Auswertung von NDR Schleswig-Holstein zeigt, die meisten Kandidatinnen und Kandidaten für die Bundestagswahl aus Schleswig-Holstein sind auf Social Media. Inhaltlich gehe aber mehr, sagt ein Experte.
Sechs Politiker stehen im Boxring und diskutieren hitzig Fragen zu Wirtschaft, Sicherheitspolitik oder Migration. Das Publikum grölt, feuert den favorisierten Kandidaten an, buht die Aussagen der anderen aus. Das "Politboxen" in Rendsburg moderiert von Henry Maske ist in Schleswig-Holstein Wahlkampf-Kult. Das ganze kommt aber längst nicht mehr nur bei den rund 800 Zuschauenden vor Ort an. Alle sechs Kandidaten posten noch von der Veranstaltung oder im Anschluss auf Facebook, Instagram oder TikTok ihre Version des Abends.
"Digitaler Wahlkampf spielt mit eine entscheidende Rolle"
Der Politikberater Bendix Hügelmann ist überzeugt, dass das Auftreten der Kandidierenden im Netz für Wahlkämpfe immer wichtiger wird. Er hat an der Universität Hamburg zu politischen Influencern geforscht und berät Parteien und Politiker. Laut Hügelmann verlängere der digitale Wahlkampf den Kontakt im Analogen. Wer durch ein Plakat, bei einer Veranstaltung oder am Wahlkampfstand auf Kandidaten aufmerksam wird, kann die eigene Meinung hinterher im Digitalen weiter ausbilden. "Insofern ist es schon wichtig und auch mit wahlentscheidend, wie die Parteien und ihre Spitzenkandidaten sich dort präsentieren", sagt Hügelmann.
Politiker setzen noch immer viel auf persönliche Interaktion
Für die sechs Politiker im Rendsburger Boxring sei das Auftreten in Präsenz dennoch der bevorzugte Wahlkampfmodus, erklären sie. Im persönlichen Kontakt, sei der Kontakt nicht nur direkter sondern oft auch respektvoller.
"Man sieht, mir gegenüber steht wirklich ein Mensch mit Interessen und Bedürfnissen und diese sind ernst zu nehmen. Das geht manchmal im Internet verloren." Lasse Petersdotter (Grüne)
Ein weiterer Nachteil am Social-Media-Wahlkampf sei die Abhängigkeit von den Plattformen mit Sitz in den USA oder China.
"Der Wahlkampf in sozialen Netzwerken wird nicht einfacher mit den Algorithmen, die sich die großen Konzerne ausdenken. [...] Also ich bin immer ein Freund von direkter Kommunikation." Felix Siegmon (CDU)
Doch auch sie alle wissen, ohne den Wahlkampf im Netz bleiben viele Wählerinnen und Wähler unerreicht.
Auch die letzten Jahre haben wir schon gemerkt, dass viele gerade jüngere Menschen, sich fast nur im Internet informieren und gar keine aktuelle Tageszeitung mehr lesen. Das kann man bedauern, aber es ist so. Deswegen ist beides wichtig. Christopher Vogt (FDP)
Große Mehrheit der Kandidierenden aus Schleswig-Holstein sind auf Social Media
Eine aktuelle NDR Auswertung zeigt: 87 Prozent der Kandidierenden aus Schleswig-Holstein sind auf mindestens einer der Plattformen Facebook, Instagram und TikTok. Etwa jeder Fünfte hat sogar auf allen drei dieser Plattformen ein Profil. Einbezogen wurden alle Direktkandidaten der Parteien CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke, SSW und AfD in den elf Wahlkreisen in Schleswig-Holstein, sowie weitere Kandidaten der Landeslisten (bis Listenplatz 20).
Einen Kanal zu haben, bedeutet allerdings noch lange nicht, diesen auch erfolgreich zu bespielen. Nach der Erfahrung von Politikberater Bendix Hügelmann ist vor allem die persönliche Motivation entscheidend: "Es geht um Inszenierung und auch um Entertainment im weitesten Sinne und wer sich damit schwer tut, hat dann auch Schwierigkeiten, die Plattform erfolgsversprechend zu bespielen."
Beispiel TikTok: Das sind die Themen in SH
Dass es große Unterschiede in der Motivation der Politikerinnen und Politiker auf den sozialen Medien gibt, zeigt sich bei einem genaueren Blick auf die Profile. Von den mehr als 100 Kandidierenden für die Bundestagswahl aus Schleswig-Holstein hat kaum ein Viertel auf der Plattform Tiktok ein aktives Profil. NDR Schleswig-Holstein hat einen Monat lang alle Posts dieser Kanäle untersucht - insgesamt mehr als 200.
Ein großer Teil TikTok-Posts (etwa 40 Prozent) behandelt jedoch keine konkreten politischen Inhalte. Diese Videos zeigen Einblicke hinter die Kulissen des Wahlkampfes oder in das private Leben der Kandidierenden. Das Thema Rechtsruck und Populismus wird in etwa 14 Prozent der untersuchten Videos angesprochen und ist damit das häufigste Thema bei den Kandidierenden aus Schleswig-Holstein, gefolgt von den Themen Sicherheit (10 Prozent), Klima und Umwelt (8 Prozent) und Migration (7 Prozent). Die Verteilung hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die Kandidierenden der Grünen, der Linken und der SPD in Schleswig-Holstein die aktivsten Kanäle bespielen.
Vom Boxring in die Social Media Kanäle
Nach dem Politboxen sehen die Follower auf Social Media jeweils den eigenen Kandidaten als den Gewinner des Abends. Wer postet, definiert so eine Veranstaltung kurzerhand für sich selbst - ganz anders als in der Berichterstattung über klassische Medien. Drei der sechs Politiker im Ring kandidieren für den Bundestag. Sie teilen ihre Eindrücke auf Instagram, Facebook und TikTok.
Felix Wilsberg, SPD-Direktkandidat im Wahlkreis Rendsburg-Eckernförde teilt zum Beispiel einen Ausschnitt, in dem er die CDU für die gemeinsame Abstimmung mit der AfD angeht. Das Video auf Instagram wurde bisher über 4.700 mal angesehen (Stand 13.02.25).
Lorenz Gösta Beutin, Spitzenkandidat der Linken in Schleswig-Holstein und Direktkandidat im Wahlkreis Schleswig-Flensburg ist besonders auf TikTok aktiv. Beutins Video, in dem er verspricht kleine Einkommen zu entlasten und die zur Kasse zu bitten, die "Fett Kohle gemacht haben in den letzten Jahren", wurde bisher über 2.400 mal angesehen.
Kurt Kleinschmidt, AfD-Direktkandidat im Wahlkreis Nordfriesland-Dithmarschen postet auf Facebook Fotos von sich selbst in siegessicherer Pose im Ring, im Gespräch mit jungen Menschen, im Interview mit uns. Auf Positionen seiner Partei geht er nicht ein.
"Viele machen Dienst nach Vorschrift"
Laut dem Experten Bendix Hügelmann könnten die Kandidaten allerdings noch weitaus mehr aus den Möglichkeiten machen, die der Wahlkampf auf Social Media bietet. Vieles was er bei den Politikern aus Schleswig-Holstein sehe, sei eher "Dienst nach Vorschrift". Gerade Veranstaltungen, wie das Politboxen, bei denen sich viele Menschen für Politik begeistern, könne man viel stärker nutzen. "Diese Begeisterung gilt es in die eigenen sozialen Kanäle zu übertragen, indem eben dann auch von der Veranstaltung aus gepostet und berichtet wird und man sich an die Community richtet", so Hügelmann.
Wählerinnen und Wähler finden Präsenz auf Social Media wichtig
Eine nicht-repräsentative Umfrage von #NDRfragt unter über 5.000 Menschen in Schleswig-Holstein zeigt: Die Mehrheit der Befragten findet es wichtig, dass Politkerinnen und Politiker auf Social Media präsent sind.
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