Zwei junge Brüder aus Kiel übernehmen ein altes Handwerk
Cornelius (25) und Julius (28) Höffer führen vier Orthopädie-Schuhgeschäfte mit 16 Mitarbeitenden. Die Brüder haben innovative Ideen und wollen weg vom eingestaubten Image der Branche.
Die Möller Orthopädie-Schuhtechnik im Knooper Weg in Kiel besteht seit Jahrzehnten. Im Schaufenster sind Werkzeuge von Schuhmachern zu bestaunen: eine Nähmaschine, Schuhmacherhammer, Leisten und fertige Schuhe, Relikte aus früheren Zeiten. Aktuell wird der Laden links und rechts von zwei Baustellen flankiert. Und erst im Januar haben die Brüder Julius und Cornelius Höffer den Laden übernommen - alles hier ist im Umbruch. Denn die Brüder haben große Pläne für den Laden und das Orthopädieschuhhandwerk.
Ungeplanter Werdegang
Dass beide Brüder einmal die elterlichen Orthopädie-Schuhtechnik-Läden übernehmen, war nicht geplant. Julius Höffer, mit 28 Jahren der ältere Bruder, hat in Dresden Politik- und Medienwissenschaften studiert. Nach seinem Abschluss fiel eine Mitarbeiterin im elterlichen Betrieb aus. Er kehrte in den Norden zurück und sprang ein. Doch das sollte eigentlich nur eine Zwischenlösung sein. Bis immer mehr der Gedanke wuchs, doch ins Geschäft einzusteigen.
"Am Anfang war das eigentlich eine Schnapsidee", erzählt Julius Höffer, "denn vorher hatte ich nie so den Bezug zum Betrieb und bin ja auch Quereinsteiger." Doch während der Arbeit merkte er, wie schön das Handwerk ist. In Telefonaten mit seinem Bruder Cornelius wuchs immer mehr die Idee, die drei elterlichen Läden in Rendsburg, Flensburg und Schleswig zu übernehmen.
Plötzlich musste es schnell gehen
Auch Cornelius Höffer, 25, hatte dem Norden eigentlich den Rücken gekehrt und seine Ausbildung zum Orthopädieschuhmachermeister in Dresden und Leipzig absolviert. Doch als der Vater der beiden schwer erkrankte, musste es schnell gehen: Die jungen Brüder übernahmen die drei Läden und zusätzlich noch die Möller Orthopädie-Schuhtechnik im Knooper Weg in Kiel.
Aus dem Großstadtleben wurde plötzlich ein Leben als Unternehmer mit Personalverantwortung für 16 Mitarbeitende mit vielen Hürden und Herausforderungen. "Wir wurden direkt ins kalte Wasser geworfen", erzählt Cornelius Höffer. "Es ist schon eine große Verantwortung, die wir tragen", ergänzt sein Bruder Julius. Die Eltern geben den Brüdern Rückhalt, halten sich aber weitestgehend aus den Geschäften heraus. "Das ist gut für uns, aber man merkt auch: Man muss Initiative ergreifen und etwas machen, denn sonst passiert nichts."
Neuer Laden mit eigener Handschrift
Dass die beiden anpacken können, zeigt sich an der Baustelle neben dem Laden. Nur eine Hausnummer weiter entsteht das neue Geschäft in Kiel - die alten Räumlichkeiten sind sehr verwinkelt und nicht mehr zeitgemäß. Im neuen Laden soll es dann neben der Werkstatt auch moderne Anpassungskabinen und ein Lauflabor geben. Altes Handwerk soll durch moderne Technik wie einen 3D-Scanner ergänzt werden.
Diese Kombination hilft dabei, speziell angefertigte orthopädische Schuhe herzustellen. Oft sind mehr als zehn unterschiedliche Arbeitsschritte nötig, bis ein Schuh fertig ist. An der Gestaltung und dem Aufbau der neuen Werkstatt haben die Mitarbeiter mitgeplant. Viele sind seit über 30 Jahren im Betrieb, doch im Team sind auch viele junge Leute. Im Idealfall sollen noch mehrere Azubis hinzukommen, doch die sind, wie überall, knapp.
Spezialisiert auf die diabetische Fußversorgung
Schon die Eltern der beiden hatten sich auf die Fußversorgung bei Diabetikern spezialisiert. Denn als Folgeerkrankung können Diabeteserkrankte schwere Nervenschäden an Füßen bekommen. Dafür brauchen sie dann besondere Schuhe. Die Brüder wollen diese Versorgung nun in Kiel ausbauen. "Mir macht am meisten Spaß am Beruf, wenn es irgendwie schwierige Versorgungen gibt. Gerade im Bereich Diabetes habe ich am meisten Spaß, meine Expertise anzuwenden, weil man damit Probleme löst", erzählt Cornelius Höffer begeistert von seinem Beruf. Sein Anspruch: schöne Schuhe für jedermann zu bauen.
Erst vor kurzem konnte der 25-Jährige einer geflüchteten Frau aus der Ukraine helfen. Diese hatte fünf Jahre lang große offene Wunden an ihren Füßen. Nachdem ihr der richtige Schuh gebaut wurde, waren die Wunden binnen zwei Monaten verheilt. "Das sind dann die Momente, die richtig schön sind. Wenn man merkt, da hilft man halt Leuten. Das macht uns stolz", sagt sein Bruder Julius.
Arbeit ist herausfordernd, aber bereichernd
"Es gibt im medizinischen Bereich unglaublich viel Bürokratie. Die Leute kommen mit ihren Rezepten hier an. Wir müssen Rechnungen schreiben, wir müssen die Sachen eingeben, dokumentieren und so weiter. Das ist ein Riesenaufwand", beschreibt Julius Höffer seinen Arbeitsalltag. Als angehender Kaufmann im Gesundheitswesen kümmert er sich viel um den wirtschaftlichen Teil der Arbeit, "aber was schön ist, ist, dass wir Menschen helfen. Also, dass wir zum Teil dafür sorgen, dass Menschen weniger Schmerzen haben, wenn wir Einlagen bauen. Aber auch im Diabtesbereich wirklich verhindern, dass Füße amputiert werden, im schlimmsten Fall."