Zeitreise: Wie Schloss Gottorf zum Landesmuseum wurde
Vor 75 Jahren zogen die ersten Kunstgegenstände in das neu gegründete Schleswig-Holsteinische Landesmuseum für Kunst und Kultur in Schleswig ein. Ihre ehemaligen Museen in Kiel waren im Krieg zerstört worden, aber die Kunstwerke konnten gerettet werden, indem man sie auf ostholsteinischen Gütern versteckte.
Es ist bis heute eine Weltsensation, das Nydamboot. 1863 hatte es ein Hobbyarchäologe im Moor gefunden. Das 23 Meter lange Schiff wurde renoviert und seit 1877 in Kiel ausgestellt. Es ist einer der spektakulärsten Funde unserer Frühgeschichte überhaupt. Wissenschaftler halten das Nydamboot für die Urform aller Wikingerschiffe, mit denen die Nordmänner auf Eroberungszug gingen. Unvorstellbar, dass das kostbare Boot verloren geht und doch droht genau das Anfang der 1940er Jahre, denn es herrscht Krieg in Europa. Flugzeuge werfen Bomben auf Städte und Werften im Norden Deutschlands - auch auf Kiel. Aber es gibt dort nicht nur Werften und Kriegsschiffe. Sondern auch wichtige Museen wie das Thaulow-Museum, seit 1920 das Landesmuseum für Kunst und Kultur und dem Museum für vorgeschichtliche Altertümer. In ihm wird in einer eigenen Halle das Nydamboot gezeigt.
Im Krieg werden die Museen zerstört
Beide Museen werden bei Luftangriffen vollständig zerstört. Doch die Kunstschätze waren vorsorglich in Sicherheit gebracht worden. Versteckt in Ostholstein. Darunter auch das Nydamboot. Es war 1941 in einer Schute auf abenteuerlichem Weg nach Mölln verschifft worden, wo es an einem Seeufer vertäut, den Krieg übersteht. Nach dem Krieg haben die britischen Besatzer ein Problem. Was soll mit den Kunstschätzen des Landes passieren? Wohin mit 600 Kisten?
Museen als "Entschädigung" für den Status als Regierungssitz
Auch die Stadt Schleswig hat ein Problem. Es ist nicht nur überfüllt mit Flüchtlinge aus dem deutschen Osten, sondern auch mit osteuropäischen Zwangsarbeitern, die nicht wissen, wie sie in ihre Heimat zurück sollen. Und dann ist da noch das größte Problem, denn bisher war Schleswig Regierungssitz. Jetzt wird Kiel Landeshauptstadt. Für die Schleswiger ist klar, sie wollen eine "Entschädigung". In das Schloss Gottorf sollen das Landesmuseum für Kunst und Kultur und das Museum für Archäologie einziehen. Die Verantwortlichen der Stadt haben eine Mammutaufgabe vor sich, denn Schloss Gottorf ist von Schmutz, Unrat und Spuren von Vandalismus gezeichnet. Aber es wird geschafft, ab 1948 können die Kunstwerke aus ihren Verstecken auf den Gütern Weissenhaus und Güldenstein zurück kommen. Dutzende von Lastwagen karren die Kisten nach Schleswig. Auch das Nydamboot soll an die Schlei. Es tritt von Mölln aus die Rückreise an. Aber diesmal wird es an Kiel vorbeigefahren. Als Prunkstück des neuen Museums für Archäologie in Schleswig.
Das Landesarchiv zieht unter das Dach
Und noch ein weiterer "neuer Bewohner" bekommt sein Domizil im Schloss. Hier zieht 1948 das Landesarchiv ein. Das "Gedächtnis des Landes" hat den Krieg in einem Schacht des Bergwerks "Mariaglück" in Niedersachsen überstanden. Zwei Jahre lang bringen Lastwagen die Akten nach Schloss Gottorf. Direkt unter dem Dach werden die wichtigsten Schriftstücke Schleswig-Holsteins gelagert. Doch die Tonnen an Papier sind eigentlich viel zu schwer für den Schlossboden. 1989 bekommt das Landesarchiv mit dem Prinzenpalais ein eigenes Gebäude in Schleswig.
"Happy End" auf Schloss Gottorf
Und das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte und das Museum für Archäologie im Schloss? Für sie beginnt eine Erfolgsgeschichte. Allein bis 1968 wachsen die Sammlungen um 30 000 Gegenstände. Und das Nydamschiff bekommt eine eigene Halle und wird zum Publikumsmagneten in Schleswig. Nach dem Untergang der Museen im Bombenhagel, nach einem "Leben" im Versteck erleben die Kunstschätze ihr "Happy End". Seit 75 Jahren haben sie ein neues Zuhause - Schloss Gottorf in Schleswig.