Zeitreise: Der Wandteppich im Kieler Landeshaus
Der von Alwin Blaue entworfene Wandteppich hat fünf Jahrzehnte im alten Plenarsaal gehangen. Seit 2021 ist er nun im Treppenhaus des neugestalteten schleswig-holsteinischen Parlaments zu sehen.
Fast wäre er im Müll gelandet - dieser Teppich. Eines der wichtigsten Demokratie-Zeugnisse Schleswig-Holsteins. Beinahe 50 Jahre lang wurde "unter ihm" die Geschichte des Landes gestaltet. Er hing hinter dem Redner und dem Landtagspräsidenten im schleswig-holsteinischen Landesparlament und "sah" zu, wie Regierung und Opposition miteinander stritten, wie wichtige Gesetze verabschiedet oder Minister vereidigt wurden. Der Wandteppich ist der Beweis einer demokratischen Kontinuität im Land.
Ein Teppich mit dem Landeswappen
Entworfen wurde der Teppich für das Landeshaus in Kiel von dem Künstler Alwin Blaue. Elisabeth Hablik-Lindemann hat ihn in ihrer Itzehoer Weberei gearbeitet. Als 1950 das Landeshaus als Parlamentssitz bezogen wurde, fand der Teppich als beherrschendes künstlerisches Element seinen Platz im Plenarsaal. Es gab kaum ein Foto, auch kein Fernsehbild des NDR, auf dem der Wandteppich nicht zu sehen war.
Möwen und Fische, Kornähren und Sonnenblumen
Abgebildet ist auf ihm das schleswig-holsteinische Wappen. Zwei Löwen für den Landesteil Schleswig und ein Nesselblatt für Holstein. Allerdings nicht nebeneinander, wie es ein Gesetz 1957 definiert hat, sondern übereinander, oben die Löwen, unten das Nesselblatt. Um die Wappenelemente herum sind Tiere und Pflanzen dargestellt: Möwen und Fische, Kornähren und Sonnenblumen. Für den Parlamentshistoriker Jan Schlürmann hat sich mit den Symbolen Schleswig-Holstein vielleicht ohne Not kleiner gemacht, als es nötig ist. Auch Anfang der 1950er Jahre gab es schon eine Industrie im Land. Andererseits könne man an dem Bild sehen, woher das Land kommt und wohin es seitdem gegangen ist.
Das gerettete Stück Landesgeschichte
2001 begann der schon lange gehegte Plan, das Landeshaus umzubauen. Das Parlament sollte einen neuen Tagungsort bekommen. Einen gläsernen Anbau, der zur Kieler Förde ausgerichtet ist. Das bedeutete das "Ende" des alten Saales - und auch des Wandteppichs? Nach 14 Legislaturperioden wurde der abgehängt und wäre fast "entsorgt" worden, wie Jan Schlürmann erzählt. Doch eine geschichtsbewusste Mitarbeiterin rettete das kostbare Textil. Es wurde bis 2021 im Landesarchiv in Schleswig aufbewahrt, bis der Teppich ins Kieler Landeshaus wieder "heimgeholt" wurde.
Heute hängt er im Treppenhaus des Landtages. Abgeordnete, Minister, Besucher und Mitarbeiter gehen dort an dem Wandteppich vorbei, der seit fast 75 Jahren das Symbol einer lebendigen schleswig-holsteinischen Demokratie ist.